Liebe ist messbar – wie sich das Ende einer Beziehung ankündigt
«Was? Die sind nicht mehr zusammen?» Das Ende einer Beziehung wirkt nach aussen hin oft überraschend. Doch eine Studie zeigt jetzt: Es kündigt sich in der Regel an.
Janina Bühler von der Universität Freiburg und Ulrich Orth von der Universität Bern haben insgesamt vier Datensätze aus Deutschland, Australien, Grossbritannien und den Niederlanden ausgewertet. Also aus Ländern, in denen sich Menschen in der Regel frei für eine Trennung von ihrem Partner entscheiden können. Die insgesamt knapp 11‘300 Personen wurden über einen Zeitraum von 12 bis 21 Jahren immer wieder gefragt, wie zufrieden sie mit ihrer Beziehung sind auf einer Skala von 0 bis 10.
Es spielt keine Rolle, wie lang man zusammen ist
Es zeigte sich, dass der Prozess des Scheiterns einer Beziehung offenbar in zwei Phasen durchläuft. Die erste Phase trifft alle Paare. Sie zeichnet sich, wie Studienleiterin Bühler ausführt, dadurch aus, «dass die Beziehungszufriedenheit im Laufe der Jahre leicht abnimmt». Typischerweise erreiche sie ihren Tiefpunkt bei 77 Prozent, also im Falle der Skala bei 7,7. «Das ist nicht aussergewöhnlich und passiert uns allen», so die Psychologin.
Danach kommt jedoch bei den sich trennenden Paaren ein Wendepunkt: Sie erreichen die Phase, in der es mit der Beziehungszufriedenheit rapide bergab geht und es kein Zurück mehr gibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man schon 5, 10 oder 20 Jahre zusammen ist. Dafür steht fest, wie lange der gemeinsame Weg noch sein wird: Nach dem «point of no return» dauert es nur noch ein bis zwei Jahre. Die Beziehungszufriedenheit liegt dann bei 65. Was zwar immer noch nach viel klingt, aber das liegt laut Bühler nur daran, «dass uns eben die Partnerschaft sehr wichtig ist». Trotzdem reichen 65 am Ende nicht mehr.
Persönlichkeit entscheidet mehr als Geschlecht
Bleibt die Frage, wie es dazu kommt. Am Geschlecht der beteiligten Partner liegt es jedenfalls nicht. Männer und Frauen initiieren die Trennung ungefähr in gleichem Masse. Mehr Gewicht hat da schon deren individuelle Persönlichkeit. So belastet es eine Beziehung, wenn einer der Partner ein niedriges Selbstwertgefühl hat. «Denn wenn beispielsweise einer von beiden sagt: Du bist mir wichtig», so Bühler, «wird der andere mit dem niedrigen Selbstwertgefühl das nicht glauben.» Ein unsicherer Bindungsstil und eine ausgeprägte emotionale Instabilität fördern ebenfalls das Beziehungsaus.
Neben bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen tragen aber auch Lebenssituationen dazu bei. Wie etwa ein neuer Job oder ein Umzug oder der Familiennachwuchs. «Personen mit Kindern sind im Durchschnitt unzufriedener als die ohne», betont Bühler. Vom Kind als Beziehungskitt kann also keine Rede sein.
Nichtsdestoweniger schaffen es viele Paare, vor dem «point of no return» die Kurve zu kriegen und ihre Beziehung zu stabilisieren. Noch ist nicht endgültig geklärt, was sie anders machen. Aber eines scheint laut Bühler unerlässlich: «Das Commitment, also das Bekenntnis zur Beziehung und zum jeweiligen Partner.» Wobei es insbesondere um das emotionale Bekennen geht.
Denn sofern Paare wegen eines Pflicht-Commitments, also etwa wegen der Kinder oder des gemeinsamen Hauses zusammenbleiben, wirkt das weitaus weniger als Beziehungskitt. «Sie bleiben dann möglicherweise zusammen, obwohl sie sich emotional schon längst hätten trennen müssen», warnt Bühler.
Die Liebe crasht in Wellen
Ein weiterer wichtiger Stabilisierungsfaktor: Dass man miteinander spricht. Dazu gehört, dass man sich als Paar zugesteht, gerade durch eine schwierige Phase zu gehen. Zudem sollte man aufrichtiges Interesse am Partner haben und erfahren wollen, wo er gerade in der Beziehung steht. «Dabei kann es natürlich passieren, dass man Dinge hört, die man nicht unbedingt hören wollte», so Bühler. Aber wer die offenen Gespräche mit dem Partner scheut, riskiere erst recht das Scheitern der Beziehung.
Andererseits sollte die Messlatte für das Beziehungsglück auch nicht zu hoch liegen. Bühlers Doktorandin Louisa Scheling konnte in einer Studie zeigen, dass die Beziehungszufriedenheit der Partner im Verlauf von wenigen Tagen und sogar während eines einzelnen Tages deutlich schwanken kann.
Durchaus möglich also, dass man morgens im Liebesglück aufwacht und abends tief zerknirscht ins Bett geht. Das kann auf unerfüllte Bedürfnisse in der Beziehung hinweisen, muss aber nicht. Oft stecken auch nur natürliche Schwankungen dahinter. Es ist eben nicht immer alles Sonnenschein in der Liebe. (aargauerzeitung.ch)
