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Nepo Babies, junge Adlige und Luxus-Influencer

Lara Cosima Henckel von Donnersmarck at Giambattista Valli RTW Spring 2025 as part of Paris Ready to Wear Fashion Week held at Hotel Pozzo di Borgo on September 27, 2024 in Paris, France. (Photo by Ri ...
Gestatten? Gräfin Maria Lara Cosima Henckel von Donnersmarck.Bild: WWD

Wenn Nepo-Babies zu Luxus-Influencern werden

Ihre Vorgänger regierten Königreiche, sie wollen nun in der Social-Media-Welt das Zepter übernehmen. Ein Protokoll zum Aufstieg der jungen Netz-Noblesse.
09.11.2025, 17:2809.11.2025, 17:28
Simon Maurer / ch media

Sie sind schön, reich, adlig – und neuerdings bereit, mit der verschwiegenen Tradition ihrer Vorfahren zu brechen. Immer mehr Nachkommen europäischer Adelsfamilien leben nicht länger hinter verschlossenen Schlossmauern, sondern im Rampenlicht der sozialen Medien als Influencer.

So präsentiert sich die 2003 geborene deutsche Gräfin Maria Lara Cosima Henckel von Donnersmarck online immer wieder in mondänen Posen, wenn sie in einem prachtvollen Raum im Rokoko-Stil mit den Füssen auf einem Sofa posiert – oder sich auf einem goldenen Sofa liegend ablichten lässt.

Lady Kitty Spencer, eine Nichte von Prinzessin Diana, überraschte ebenfalls schon mit überraschenden freizügigen Posts von Parties, welche nicht etwa die Klatschpresse, sondern sie selbst verbreitete.

Und selbst Prinzen mischen mit: Graf Nikolai von Monpezat, Nummer sechs der dänischen Thronfolge, deutet auf Instagram als Beruf «Model» an und tritt dabei auf wie ein klassischer Influencer, der Kooperationen beispielsweise mit Filmfestivals oder der Schaffhauser Luxus-Uhrenmarke IWC promotet – inklusive Verweis auf eine Agentur, mit der man ihn für Auftritte anfragen kann.

Anders als der klassische Hochadel à la Windsors, der mit seiner steifen Freudlosigkeit fast schon museal erscheint, wirken die Auftritte der Social-Media-affinen Jungaristokraten erstaunlich unverstaubt. Zu sehen sind ausschliesslich makellose Gesichter, jung und sorgsam inszeniert, als wären sie einer neuen Staffel von Downton Abbey entsprungen.

Ein teilweise in der Schweiz gestrickter Trend

Auffällig ist, dass sich die royalen Influencer kaum je in Jeans und Schlabberpullover zeigen. Die Damen schreiten ihrem Stand entsprechend in Ballroben übers digitale Parkett, die männlichen Herrschaften oft im Smoking – als wäre der Dresscode auf Instagram «Black Tie only». Im Gegensatz zu Influencern ohne adligen Hintergrund bewerben die Blaublütigen auch nur selten einzelne Produkte, sondern lassen sich von Events wie Autorennen oder Filmfestivals einladen. Sie setzen also auf Dinge, die für Normalsterbliche viel schwieriger erreichbar sind als ein überteuert verkauftes Prada-Hemd.

Vielleicht gerade wegen dieser Distanz, die dank Social Media dem Normalsterblichen ein bisschen näher kommt, ist der Hype um den Lebensstil der Aristokraten enorm. Auf Tiktok finden sich über 1.2 Millionen Beiträge mit dem Hashtag #oldmoney, die dazugehörigen Videos haben bereits mehrere Milliarden Aufrufe erzielt. Selbst Prominente scheinen vom Retro-Glamour verzaubert: Basketball-Superstar LeBron James, Model Adriana Lima und Rennfahrer Charles Leclerc folgen etwa dem Lifestyle-Account von Graf Filippo Pignatti Morano di Custoza – ebenso wie der bodenständige Skirennfahrer Aksel Lund Svindal aus Norwegen.

Der umtriebige Graf ist einer der auffälligsten Vertreter der Bewegung. Filippo Pignatti Morano di Custoza verbringt zumindest einen Teil seiner glamourösen Lebenszeit gemäss seinen Social-Media-Profilen in der Schweiz. Seine 635'000 Instagram-Follower sehen ihn wahlweise im Anzug vor schönsten italienischen Sommervillen am Lago di Como, oder winterlich zugeknöpft beim «International Concours of Elegance» in St. Moritz, einem jährlichen Treffen für Liebhaber klassischer Automobile und klassischer Etikette.

Sie verkörpern, was der alte Adel verloren hat

Morano di Custoza tritt dabei selten allein auf. Er ist Mitgründer der «Tuxedo Society», einem exklusiven Club für Freunde des «Old Money»-Styles. Viel ist über die Gesellschaft nicht bekannt, aber die Jahresmitgliedschaft soll laut dem Modemagazin GQ um die 6000 Euro kosten – und die Teilnahme an einzelnen Events bis zu 60‘000 Euro. Laut eigener Angabe sind dabei auch nicht-adlige Gäste erlaubt, solange sie den richtigen Stil pflegen (und das nötige Kleingeld mitbringen).

So offensiv der digitale Adel seine Welt aus Luxus und Leinen präsentiert: Hinter den perfekt kuratierten Bildern bleibt es auffällig still, auch auf mehrfache Anfrage dieser Zeitung. Politik, Haltung und Kontroversen sind so absent wie Jogginghosen. Stattdessen dominieren hedonistische Statements in Videoform: opulente Feste, glänzende Sportwagen und faltenfreies Glück.

Es ist die reflexionsbefreite Leere, die den Reiz ausmacht. Sie erlaubt den jungen Aristokraten, all das zu verkörpern, was sich das Publikum aus Schlossromanzen hersehnt, die die grossen Monarchien aber längst verloren haben: Jugend, Skandalfreiheit und den Anschein von absoluter Sorgenfreiheit.

Vielleicht ist genau das, was wir bei der momentan düsteren Weltlage brauchen: Ideale, die mehr Kunstfiguren sind statt Realität, uns dafür aber die Komplexität der Welt vergessen lassen. Denn Hand aufs Herz, der Mensch bleibt auch Jahrhunderte nach der Epoche Aufklärung noch immer Anhänger des Hofschranzentums. Die steigende Anzahl Minuten, die wir auf Social Media Adligen oder Promis nachschauen, sind der beste Beweis. (aargauerzeitung.ch)

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84 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ingmarbergman
09.11.2025 16:48registriert August 2017
Ein Grund mehr für Erbschaftssteuern.

Von wegen: die nachfolgende Generation verwendet das Geld sinnvoll und schafft Arbeitsplätze.. 😂

Auch die Stadler-Erben werden ihre geerbte Kohle vermutlich einfach sinnlos verpassen und die Fabrik vorher noch an die Chinesen verscherbeln..
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dmark
09.11.2025 16:57registriert Juli 2016
Man hätte vielleicht doch damals dem Beispiel Frankreichs folgen sollen?
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NotSweden
09.11.2025 17:19registriert März 2022
Ich komme mit den schnelllebigen Social Media nicht mehr nach. Was ist denn nun “ Luxux” Influenzer? 🤷🏻‍♂️
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