Grosse Umfrage zeigt: In dieser Altersgruppe geht die Kaufkraft am stärksten zurück
Die Preise in der Schweiz sind in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen gestiegen. Während die Krankenkassenprämien und Mieten immer weiter steigen, erholt sich unsere Wirtschaft gerade erst von einer langen Phase der Inflation. Und währenddessen war die Lohnentwicklung moderat.
Wir wollten wissen, ob und wie sich diese Situation auf die Kaufkraft der Menschen in der Schweiz auswirkt. watson hat Ende Oktober in Zusammenarbeit mit dem Institut Demoscope eine Umfrage durchgeführt, die repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung ist.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Für viele Menschen in der Schweiz haben sich die Lebensbedingungen in den letzten fünf Jahren verschlechtert.
Übersetzung
Dieser Text wurde von unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Romandie geschrieben, wir haben ihn für euch übersetzt.
Die gefühlte Kaufkraft nimmt ab
Die Antwort auf die erste Frage lässt wenig Raum für Zweifel: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) ist überzeugt, dass ihre Kaufkraft in den letzten fünf Jahren gesunken ist. Fast ein Drittel (31 Prozent) gibt sogar an, dass ihre Kaufkraft «stark» gesunken ist.
Ein etwa gleich hoher Prozentsatz (27 Prozent) hat hingegen eine Zunahme ihrer Kaufkraft festgestellt, während sich für 20 Prozent der Befragten nichts geändert hat.
Wenig überraschend spüren vor allem die weniger wohlhabenden Menschen einen Kaufkraftverlust. Über 80 Prozent der Befragten, die in einem Haushalt mit einem Einkommen unter 5000 Franken wohnen, gaben an, dass ihre Kaufkraft abgenommen hat. Nur 8 Prozent von ihnen sagen, dass ihre Kaufkraft zugenommen hat, gegenüber 43 Prozent der Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 9000 Franken.
Auch das Alter spielt eine Rolle. Menschen ab 55 Jahren scheinen stärker von der abnehmenden Kaufkraft betroffen zu sein als andere Altersgruppen. Dies trifft auf 62 Prozent von ihnen zu, gegenüber 49 Prozent der 35- bis 54-Jährigen und 40 Prozent der 15- bis 34-Jährigen.
Im Allgemeinen spüren ältere Menschen einen stärkeren Kaufkraftverlust als junge Menschen, ebenso Menschen mit niedrigem Bildungsniveau. Die Umfrage ergab jedoch keinen Unterschied zwischen Stadt und Land.
Die Befragten nahmen diese Entwicklung nicht erst seit Kurzem wahr. Nur 13 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Kaufkraft im letzten Jahr zu sinken begonnen hat. Für die meisten von ihnen (73 Prozent) hat sich die Lage seit zwei bis fünf Jahren verschlechtert.
Diese Ergebnisse unterscheiden sich nur geringfügig zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Nur knapp 1 Prozent der Befragten wählte die Option «weiss nicht». Diese Antwort wurde während der gesamten Umfrage nur selten gegeben – die Meinungen scheinen gemacht zu sein.
Die Bevölkerung tritt kürzer
Für viele Menschen hat der Kaufkraftrückgang spürbare Folgen. So hat er zahlreiche Menschen in der Schweiz dazu veranlasst, ihr Verhalten anzupassen, insbesondere indem sie bestimmte Ausgaben einschränken oder streichen.
Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, aufgrund der Preissteigerungen seltener oder gar nicht mehr in Restaurants und Bars zu gehen (53 Prozent), während 46 Prozent von ihnen ihre Reisen eingeschränkt haben. Auch bei Kleidung und kulturellen Aktivitäten wird oft gespart. 45 Prozent der Befragten sind ausserdem der Meinung, dass der Rückgang der Kaufkraft Auswirkungen auf ihre Ersparnisse hat (wir kommen darauf zurück).
Diese Einschränkungen scheinen erneut vor allem Menschen mit geringem Einkommen und ältere Menschen zu betreffen. So beträgt beispielsweise der Anteil der über 55-Jährigen, die aufgrund der Teuerung Restaurantbesuche eingeschränkt oder ganz aufgegeben haben, 60 Prozent.
Diese Ausgaben fallen besonders ins Gewicht
Wenn es darum geht, die wichtigsten Ausgabeposten zu identifizieren, sind sich die Menschen in der Schweiz sehr einig: Fast 80 Prozent der Befragten nennen die Krankenkassenprämien, 76 Prozent die Steuern und 61 Prozent die Miete. Die anderen Kategorien weisen deutlich geringere Prozentsätze auf.
Betrachtet man das Alter, so zeigen sich bestimmte Besonderheiten. Steuern, Krankenkassenprämien und Energiekosten betreffen ältere Menschen stärker, während Miete und Freizeitaktivitäten vor allem junge Menschen und junge Erwachsene belasten.
Während einige dieser Ausgabeposten, wie beispielsweise Steuern, stabil bleiben oder sogar sinken, entwickeln sich andere genau umgekehrt. Dies gilt insbesondere für Krankenkassenprämien, die für die überwiegende Mehrheit der Befragten (89 Prozent) die schmerzlichste Erhöhung darstellen. Es folgen Lebensmittel (61 Prozent) und Mieten, die von etwa einem Drittel der Befragten genannt werden.
Wer kann überhaupt noch Geld auf die Seite legen?
Wie bereits erwähnt, wirken sich die steigenden Preise auf die Ersparnisse der Menschen aus. Sechs von zehn Befragten gaben an, im vergangenen Jahr bereits darauf zurückgegriffen zu haben. Dieser Prozentsatz bleibt in allen Bevölkerungsgruppen in etwa gleich, mit einer Ausnahme: Personen mit niedrigem Einkommen weisen einen deutlich höheren Wert auf (83 Prozent).
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) gibt an, dass sie noch Geld auf die Seite legen können. Für 43 Prozent ist dies jedoch nicht mehr möglich.
Auch hier scheinen Menschen mit geringem Einkommen deutlich grössere Schwierigkeiten zu haben. Fast 80 Prozent von ihnen geben an, dass sie nicht mehr in der Lage sind, Geld zu sparen.
Wenig Zuversicht für die Zukunft
Schliesslich wollten wir von den Befragten wissen, wie sie die Zukunft einschätzen. 94 Prozent glauben, dass die Preise im Laufe des nächsten Jahres weiter steigen werden – und zwar in allen Gruppen der Gesellschaft. Fast niemand rechnet hingegen damit, dass sich dieser Trend umkehren wird.
Trotz dieses Pessimismus glaubt die Schweizer Bevölkerung, dass etwas getan werden könnte, um die Situation zu verbessern.
84 Prozent der Befragten sprachen sich für eine bestimmte Massnahme aus: die Senkung der Krankenkassenprämien. Mit grossem Abstand folgten die Senkung der Steuern (43 Prozent), die Erhöhung der Löhne (43 Prozent) und die Kontrolle der Mieten (40 Prozent).
