Auch im Zürcher Hallenstadion begrüsste Roger Waters seine Fans mit der üblichen Ansage:
Hoppla! Roger Waters gab den Tarif also gleich zu Beginn des Konzerts durch. Verhaltener Applaus, aber doch traute sich niemand, den Saal zu verlassen. Niemand wollte sich angesprochen fühlen. Alles Verschwörungstheoretiker?
Der Mann hinterlässt auf seiner Tour jedenfalls eine Spur des Protests. Ganz klar: Der Schöpfer und Texter des epochalen Werks «Dark Side Of The Moon» hat eine dunkle Seite. Immer wieder hat sich der ehemalige Bassist von Pink Floyd mit mehr als zweifelhaften, antisemitischen Aussagen unmöglich gemacht und ins Abseits gestellt. Konzerte wurden abgesagt und auch in Zürich versuchte die Gesellschaft Schweiz-Israel in einem offenen Brief an die Stadt, ein Auftrittsverbot zu erwirken. Sie ist zu Recht abgeblitzt. Eine funktionierende Demokratie muss auch einen Demagogen wie Roger Waters aushalten können. Und überhaupt: Wer ihn nicht hören will, musste nicht ins Hallenstadion kommen.
Etwas bedenklich stimmte dann aber doch, dass sich die zum Teil unerträglichen Aussagen nicht auf den Publikumsaufmarsch auswirkten: Das Hallenstadion war ausverkauft. Wir gehen nun mal davon aus, dass dem Publikum die unbestreitbaren Verdienste des Musikers wichtiger waren als die Hetze des notorischen Politaktivisten. Mit dem vor 50 Jahren erschienenen «Dark Side Of The Moon» und «The Wall» waren immerhin Teile eines Werkes angesagt, die zu den Meilensteinen der Pop- und Rockhistorie gehören.
Allerdings: Wer aber wegen der Musik gekommen ist, dem wurde es schwer gemacht. Schon bald musste der geneigte Musikfreund zur Kenntnis nehmen, dass die Musik zum Soundtrack der Polit- und Propagandashow degradiert wurde.
Die Musik wurde zur Nebensache. Ein Vehikel der Botschaften von Roger Waters. Über die Leinwand, die fast über die ganze Länge des Hallenstadion reichte, wurde das Publikum mit Visuals, Filmen und Parolen bombardiert. Parolen, auf die sich alle einigen können wie:
Diese wurden bunt gemischt mit Aussagen aus dem Reich der Verschwörungstheoretiker. «Er wolle nur Liebe und Freude verbreiten» liess Waters das Publikum wissen und stellte einseitig den Westen und die westlichen Führer an den Pranger. Ein Ärgernis.
Und die Musik? Unter der gewaltigen Propagandawand wirkten die sieben Musiker und zwei Sängerinnen wie Zwerge. Allein die Grössenverhältnisse verdeutlichen die Prioritäten eines Musikers, der sich heute zuerst als Politaktivist sieht. Angesichts der Reizüberflutung fiel es dem Zuhörer jedenfalls schwer, sich auf die Musik einzulassen und zu konzentrieren.
Doch es gab sie, die musikalischen Higlights und Glücksmomente. Die zweite LP-Seite von «Dark Side Of The Moon» mit «Money», «Us And Them», «Any Colour You Like», «Brain Damage» und «Eclipse» wurden komplett gespielt und gewürdigt.
Entgegen der Ansage des Bandleaders wurden die Stücke aber nahezu originalgetreu interpretiert. Vielleicht zum Glück. Das neue Arrangement von «Comfortably Numb» aus «The Wall» ist jedenfalls völlig missglückt. Hat Roger Waters doch das berühmte Gitarrensolo von Intimfeind Dave Gilmour gestrichen und durch Frauengesang ersetzt. Sorry, Roger! Aber ohne dieses Solo ist «Comfortably Numb» ein müder Furz.
Band und Sängerinnen erfüllten ihre Aufgabe ordentlich, aber ohne Brillanz. Der Rest des Programms wirkte fade und vor allem Roger Waters ist auch 50 Jahre danach noch kein besserer Sänger. Und überall schimmerte das Mitteilungsbedürfnis des Bandleaders durch, dass er, Roger Waters, der legitime Botschafter und Erbe von Pink Floyd ist. Mit Verlaub: Ohne Syd Barrett fehlt das Geniale, ohne Dave Gilmour das Magische.