Mexiko

Nach Studenten-Massaker: Mexikanische Armee entwaffnet Polizei in Iguala 

Bundespolizisten in Iguala: Die örtlichen Polizisten wurden entwaffnet.
Bundespolizisten in Iguala: Die örtlichen Polizisten wurden entwaffnet.Bild: EPA/EFE
Beamte in Verbrecherbande

Nach Studenten-Massaker: Mexikanische Armee entwaffnet Polizei in Iguala 

In Mexiko wurden offenbar 43 Studenten von Kartellmitgliedern getötet – im Auftrag der Polizei. Dutzende Beamte aus Iguala sollen im Sold der Verbrechergruppe stehen. Die mexikanische Armee hat jetzt die Kontrolle in der Stadt übernommen.
07.10.2014, 05:2807.10.2014, 11:33
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Nach dem Verschwinden von Dutzenden Studenten und der Entdeckung eines Massengrabs im südmexikanischen Iguala haben Armee und Bundespolizei in der Stadt die Kontrolle übernommen. Die Beamten der städtischen Polizei seien entwaffnet und zum Verhör in eine Militärbasis im Zentrum des Landes gebracht worden, sagte der nationale Sicherheitsbeauftragte Monte Alejandro Rubido.

Zwei Mitglieder der Bande «Guerreros Unidos» (Vereinigte Krieger) und ein städtischer Polizist hatten die Ermittler zu einem Massengrab am Rande von Iguala geführt und erklärt, dort 17 Studenten getötet zu haben. Der Sicherheitschef der Stadt, Francisco Salgado Valladares, habe angeordnet, die Studenten festzunehmen. Der Mordauftrag sei von «Chucky», dem örtlichen Chef der «Guerreros Unidos», gekommen, so die drei Männer. 

Noch sind die insgesamt 28 Leichen in dem Massengrab nicht zweifelsfrei identifiziert, doch die Geständnisse weisen auf ein enges Geflecht zwischen dem organisierten Verbrechen und den staatlichen Sicherheitskräften hin. Allein in Iguala sollen 30 Beamte der städtischen Polizei im Sold der «Guerreros Unidos» stehen. 

In einem Massengrab wurden 28 Leichen gefunden.
In einem Massengrab wurden 28 Leichen gefunden.Bild: Eduardo Verdugo/AP/KEYSTONE

Bürgermeister und Sicherheitschef sind auf der Flucht

Die Bande ging einst aus einem bewaffneten Arm des Drogenkartells Beltrán Leyva hervor und gilt als ausgesprochen brutal. Nach Einschätzung des Geheimdienstes haben die «Guerreros Unidos» die Sicherheitskräfte in Iguala grossflächig infiltriert. Die Stadt liegt strategisch günstig zwischen der Kartellhochburg Tierra Caliente, dem Urlaubsort Acapulco an der Pazifikküste und Mexiko-Stadt im Zentrum des Landes. 

«Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den staatlichen Institutionen und dem organisierten Verbrechen.»

Warum die Gangster nun offenbar im Auftrag der Polizei die Studenten töteten, ist unklar. Der Bürgermeister und der Sicherheitschef von Iguala sind seit einer Woche auf der Flucht. «Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den staatlichen Institutionen und dem organisierten Verbrechen. Man kann sie nicht mehr auseinanderhalten», sagte Édgar Cortez vom Mexikanischen Institut für Menschenrechte und Demokratie der Zeitung «La Jornada». 

Stadträtin Sofía Morena wagt sich seit einem Jahr nur noch in Begleitung eines Leibwächters auf die Strassen von Iguala. «Aus Angst und wegen der Unsicherheit gab es hier seit einem Jahr keine sozialen Proteste mehr», sagte sie der Zeitung «Excélsior». 

Bundespolizisten patroullieren durch Iguala.
Bundespolizisten patroullieren durch Iguala.Bild: EPA/EFE

Weitgehend rechtsfreier Raum

Das Lehrerseminar Ayotzinapa, zu dem die Studenten gehörten, gilt als politisch links und als besonders aktiv bei politischen Protesten. Die meisten der Hochschüler stammen aus einfachen Verhältnissen und kommen aus Indio-Gemeinden. Sie waren zum Spendensammeln in Iguala unterwegs und kaperten als Protestaktion mehrere Busse, um in die etwa 100 Kilometer entfernte Provinzhauptstadt Chilpancingo zu fahren. Polizisten aus Iguala eröffneten daraufhin das Feuer. 

Drei Studenten wurden getötet, Dutzende in Polizeifahrzeugen fortgebracht. Seitdem fehlt von 43 Studenten jede Spur. Nach weiteren Schüssen auf einen Bus voll Fussballspielern wurden insgesamt 30 Menschen festgenommen, darunter 22 Polizisten sowie Mitglieder einer kriminellen Bande. 

Jetzt auf

Tag für Tag würden die Menschenrechte der Bürger von Guerrero verletzt, heisst es in dem jüngsten Bericht der Nationalen Menschenrechtskommission. Die Regierung verfüge offensichtlich über keine adäquate Strategie, um die Sicherheitssituation in der Region zu verbessern. 

Guerrero gilt als der gefährlichste Bundesstaat Mexikos und gerade auf dem Land als weitgehend rechtsfreier Raum. Bewaffnete Gruppen haben hier Tradition und Konflikte werden nicht selten mit der Waffe ausgetragen. Eine dermassen offene Allianz zwischen dem organisierten Verbrechen und der Polizei, wie nun in Iguala, ist aber selbst in Mexiko äusserst ungewöhnlich. (vet/dpa/afp)

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