Bereits am Anfang des Konzerts musste improvisiert werden. Als Stephan Diethelm das Quartett anmoderieren wollte, war bloss ein Trio vor Ort. Der Bassist, Haggai Cohen-Milo, hatte seine Noten im Hotel vergessen. Cohen-Milo kam dann aber nicht viel zu spät und die Band konnte das Konzert eröffnen. Als erstes sprach der Gitarrist des Quartetts noch ein paar Worte zum Einstand.
Shachar Elnatan stellte seine Band vor, insbesondere Roni Eytan, der zum ersten Mal mit seiner Mundharmonika in dieser Gruppe auftrat. Die Musiker waren aber so gelassen und abgeklärt auf der Bühne, als hätten sie nie anders gespielt. «I’m already talking too much.» (Ich rede schon zu viel.), mit dieser Äusserung und einem Lächeln im Gesicht beendete Shachar Elnatan seine Ansprache und die Band spielte Ihr erstes Lied. Er hatte schon mehrmals in Muri gespielt und freute sich deshalb auf ein weiteres Konzert im Pflegidach.
Die Formation war immer wieder für eine Überraschung gut, beispielsweise beim Lied «Silent Wish» entschied sich der Gitarrist, mit zwei Gitarren zu spielen. Er legte beide Instrumente in seinen Schoss und wechselte während des Stücks nach Lust und Laune. Im darauffolgenden Lied liess er sogar die Zuhörer über das Instrument entscheiden. Mit zwei zu null Stimmen, die Stimmbeteiligung war bescheiden, fiel die Wahl auf die kleine akustische Kindergitarre.
All diese Dinge hat er noch nie zuvor auf der Bühne getan, trotzdem wirken sie sehr eingespielt. «Project outside what you fee.l» (Zeige nach aussen was du fühlst.), meint der Mundharmonikaspieler dazu. Roni Eytan erklärt es sich mit der Musik, die sie spielen. Jazz, wie eine Konversation wird er gespielt, nicht wie ein vorbereitetes Referat. Man muss im Jazz Risiken eingehen, das Unerwartete tun und dann mit dem Rest der Band alles abstimmen. Cohen-Milo ist dafür ein sehr gutes Beispiel, er blickt ständig zu den Anderen, um das Tempo seines Kontrabasses immer anzupassen.
Nach dem Konzert erklärt Shachar Elnatan weshalb er so gerne nach Muri kommt, um zu spielen. Er meint, es sei wesentlich einfacher, wenn man vom Publikum getragen wird, man identifiziert sich mit seinen Zuhörern und kann dann mit diesem Rückhalt seine plötzlichen Ideen auf der Bühne viel ungehemmter ausleben. «The audience is with us, no matter where weg go.» (Das Publikum ist bei uns, egal wohin wir gehen.) Damit zeigt Roni Eytan, dass auch er sehr gerne im Freiamt auftritt. Egal welche Ideen ihnen auf der Bühne kommen, die Musikfans sind offen und freuen sich über Unbekanntes.
Selbst als das Konzert längst beendet ist und die meisten Jazzliebhaber bereits wieder gegangen sind, sorgen die Musiker noch für Überraschungen. Elnatan gesteht, dass er nie Jazz hört und ihm diese Musik nicht einmal sonderlich gefällt. Trotzdem spielt er mit seiner Formation ihre eigene Variante dieses Musikstils. Und dies sehr zur Freude ihres tragenden Publikums.
Die Zuhörer waren sehr unterschiedlich, trotzdem wurde das Dargebotene sehr positiv aufgenommen. Man war überrascht von so viel Spontanität und der gleichzeitigen Gelassenheit. Es fielen den Musikfans aber auch komplexere Dinge auf, wie ein sehr seltener 11/4-Takt. Man kann sagen, dass man auf seine Kosten kam an diesem Abend. Dies gilt für die Hörer wie auch für die Spieler. Auch das Quartett würde sich gerne wieder im Pflegidach spielen hören und vielleicht das Publikum wieder überraschen.