Viktor Orbán wegen Missbrauchsvideo unter Druck – Massenproteste in Ungarn
In Budapest sind Tausende Demonstranten vor den Regierungssitz von Ministerpräsident Viktor Orbán gezogen. Sie protestieren gegen den Missbrauch eines jugendlichen Gefangenen, der am Mittwoch öffentlich gemacht wurde. Nach Angaben der Veranstalter sollen sich bis zu 27'000 Menschen zum Protestmarsch versammelt haben.
Die Aufnahmen zeigen schwere körperliche Misshandlungen eines Jugendlichen. In dem Video, das offenbar von einer Überwachungskamera aufgenommen wurde, ist zu sehen, wie ein Mann einen Jungen am Haar packt und mit dem Gesicht auf einen Tisch aufschlägt. Er wird dann über den Tisch gezogen und geschlagen. Als er am Boden liegt, tritt ihn der Mann, der der Direktor einer Jugendhaftanstalt sein soll.
Orbán reagierte am Mittwoch auf die Veröffentlichung des Videos, indem er die ungarischen Haftanstalten unter Polizeikontrolle stellte und eine offizielle Untersuchung der Misshandlungen einleitete. Diese Massnahmen konnten jedoch die Empörung über das, was Oppositionsführer als systemischen Verfall in staatlich geführten Jugendanstalten bezeichnen, kaum mildern.
Angeblich jedes fünfte Kind in staatlicher Obhut misshandelt
«Wir sind heute zu Zehntausenden hierher gekommen, um über Kinderschutzzentren und die Kinder, die dort leben, zu sprechen», sagte Péter Magyar, Vorsitzender der oppositionellen Zentrumspartei Tisza, laut dem Nachrichtenportal Euractiv in einer Abschlussrede vor den protestierenden Massen am späten Samstagabend. «Wir sollten empört sein über das, was mit den schutzbedürftigsten Kindern gemacht wird», sagte Zsuzsa Szalay, eine 73-jährige Rentnerin, die an der Demonstration am Samstag teilgenommen hatte, al-Jazeera und der Nachrichtenagentur AFP.
Magyar zitierte einen Regierungsbericht, der ihm angeblich zugespielt worden war, und erklärte Anfang der Woche, dass «jedes fünfte Kind in staatlicher Obhut offiziell misshandelt wird» – eine Behauptung, die Orbáns Büro bestreitet. Magyar ist der wichtigste Herausforderer Orbáns bei den bevorstehenden Wahlen.
Im vergangenen Jahr führte der Oppositionspolitiker ebenfalls Proteste wegen Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern an. Es ist bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass die Regierung Orbán durch Vorwürfe der Vertuschung von Missbrauch erschüttert wird. Die ungarische Präsidentin Katalin Novák musste zurücktreten, nachdem sie einem Mann, der in einem Fall von sexuellem Kindesmissbrauch verwickelt war, eine Begnadigung gewährt hatte.
Verwendete Quellen:
- euractiv.com: "Thousands to protest Orbán-linked abuse cases in Budapest" (Englisch)
- aljazeera.com: “Hungarian protesters demand PM Viktor Orban quits over child abuse scandals" (Englisch)

