In diesen Schweizer Gemeinden ist der Overtourism noch stärker als in Venedig
In den letzten Jahren wurde auch in der Schweiz immer wieder hitzig über Overtourism diskutiert. Einige traditionell sehr beliebte Feriendestinationen zeigen zunehmend weniger Toleranz gegenüber dem Massentourismus, der seit dem Ende der Pandemie wieder stark angezogen hat.
Auch hierzulande steigt die Anzahl der Feriengäste kontinuierlich an. Im vergangenen Jahr wurden in Schweizer Hotels fast 43 Millionen Übernachtungen verzeichnet – eine klare neue Bestmarke. Der Sommer 2025 und die letzte Wintersaison haben ebenfalls mehrere historische Rekorde gebrochen, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Montag mitteilte.
Zwar bringt man Overtourism vor allem mit Destinationen wie Venedig, Bali oder Barcelona in Verbindung, doch auch die Schweiz ist immer stärker betroffen. Der Erfolg von Gemeinden wie Lauterbrunnen, Grindelwald oder auch Iseltwald, das nach der Ausstrahlung einer beliebten Netflix-Serie von koreanischen Touristen gestürmt wurde, sind Beispiele dafür. Die Zahl der Urlauber explodiert – und die Bewohnerinnen und Bewohner sind oft überfordert.
Die Tourismusintensität messen
Das Thema ist überaus emotional, wie die in den Medien verwendeten Begriffe zeigen: Von «Touristenhorden» oder «Invasion» ist die Rede – oder von Destinationen, die «Opfer» ihres eigenen Erfolgs sind. Das Phänomen lässt sich aber auch quantifizieren. Um die «Anfälligkeit» eines Reiseziels für Overtourism zu messen, hat die EU-Kommission einen Indikator entwickelt, der sich aus der Anzahl der Übernachtungen geteilt durch die Wohnbevölkerung berechnet: die sogenannte Tourismusintensität. Damit kann die Grösse der betroffenen Ortschaften berücksichtigt werden, was nicht der Fall ist, wenn man nur die Gesamtzahl der Übernachtungen betrachtet.
In der Schweiz ist die Tourismusintensität teilweise sehr hoch. Die Karte unten zeigt die 186 Gemeinden mit mehr als drei regelmässig geöffneten Hotel- oder Kurbetrieben, auf die 80 Prozent aller Übernachtungen in der Schweiz entfallen. Aus Datenschutzgründen kann das BFS keine Daten zu den übrigen Gemeinden veröffentlichen, wie auf Anfrage von watson mitgeteilt wurde.
Der Blick auf die Karte zeigt sofort, dass das Wallis, das Berner Oberland und Graubünden sowie die Region um den Vierwaldstättersee am stärksten vom Overtourism betroffen sind. Dies lässt sich auch dadurch erklären, dass die meistbesuchten Reiseziele oft relativ kleine Gemeinden sind.
Zermatt beispielsweise verzeichnete im vergangenen Jahr mehr als 1,6 Millionen Übernachtungen, hat aber nur 6000 Einwohner. Der Walliser Ferienort weist eine touristische Intensität von 269 Logiernächten pro Einwohner auf, die höchste unter den analysierten Gemeinden.
Zum Vergleich: Mallorca und Paris – laut Eurostat die beiden meistbesuchten Reiseziele Europas im Jahr 2024 – weisen eine Tourismusintensität von 57 respektive 20 Logiernächten pro Einwohner auf. Auch in Venedig (47), Amsterdam (18) oder Barcelona (7) liegt die touristische Belastung deutlich tiefer als in den Schweizer Berggemeinden.
Insgesamt weisen gleich 13 Schweizer Gemeinden eine touristische Intensität von über 100 auf. Ähnliche Werte finden sich nur auf einigen griechischen Inseln.
Wenig überraschend komplettieren Lauterbrunnen und Grindelwald hinter Zermatt mit 215 respektive 210 Logiernächten pro Einwohner das Schweizer Podium. St.Moritz, Leukerbad, Saas-Fee und Interlaken stehen ebenfalls ganz oben auf der Liste.
Zahlreiche negative Folgen
Die Schweizer Grossstädte, die zwar die meisten Logiernächte verzeichnen (4 Millionen in Zürich, 2,3 Millionen in Genf, 1,5 Millionen in Basel), sind deutlich weniger vom Overtourism betroffen und weisen eine viel tiefere Tourismusintensität auf. Diese liegt meist zwischen 7 und 16 Logiernächten pro Einwohner.
Neben der Unzufriedenheit der Einwohnerinnen und Einwohner kann die hohe Konzentration von Feriengästen an einem bestimmten Reiseziel mehrere negative Folgen haben, wie die EU-Kommission betont. Eine unausgewogene touristische Entwicklung kann sich auf den Immobilienmarkt sowie die Lebenshaltungskosten auswirken und Druck auf die Ressourcen ausüben. Darüber hinaus macht diese Abhängigkeit vom Tourismus die betroffenen Regionen besonders anfällig für Nachfrageschocks.
Die touristischen Daten des BFS beziehen sich aber nur auf Hotels. Um ein vollständigeres Bild zu erhalten, müssten andere Unterkünfte wie Ferienwohnungen, Gruppenunterkünfte oder Campingplätze hinzugerechnet werden. Dies entspricht etwa 17,3 Millionen zusätzlichen Logiernächten. Diese sind jedoch nicht nach Gemeinden aufgeschlüsselt, sodass wir sie nicht in die Berechnung einbeziehen können.
