Musig im Pflegidach

Dandi @ Musig im Pflegidach, Muri

Dandi @ Musig im Pflegidach, Muri

Konzert oder Taufe?

15.12.2025, 13:5818.12.2025, 13:58
anja lieb

Eine Taufe, ein Meer aus Schnipsen, erstklassige Musik, eine Stimme, die Gänsehaut verursacht, eine Mund-Trompete und eine Sängerin, die live mit sich selbst harmoniert – und all dies in einer Turnhalle. Muri ist in Feierlaune, und ich nehme euch mit. Langsam trudeln die ersten Besucher ein. Es herrscht eine familiäre Stimmung, es scheint, als kenne jeder jeden. Vielleicht ist dies auch genau der Grund, warum jedes Jahr im Winter so viele talentierte Künstler aus aller Welt an diesen kleinen, heimeligen Ort in Muri kommen, um hier aufzutreten.

Irgendwas sei wohl besonders am Umgang mit den Künstlern hier im Pflegidach. Vielleicht sei es dieser herzliche Umgang, so ein Gast aus dem Publikum im Gespräch. Auch der Gitarrist/Kontrabassist Tal Mashiach findet, es sei «a special feeling tonight», alles solle genauso werden wie geplant. Der Musiker war schon mehrere Male hier im Pflegidach, genauso auch der Schlagzeuger Ofri Nehemya. Leadsängerin Dandi war ebenfalls schon einmal hier und sichtlich begeistert. Strahlend erzählt sie: «They [Stephan Diethelm und seine Frau vom Musig im Pflegidach] opened [us] their heart and homes.»

Where am I?

Wo bin ich? Das ist es, was ich mich im Verlaufe des Konzertes mehrmals gefragt habe. Die Antwort auf diese Frage änderte sich mit jedem Song, jeder transportierte mich in eine andere Welt. « Where am I» ist auch der Titel des ersten Songs des Abends. Die Band kommt auf die Bühne. Langsame, magisch erscheinende Töne des Klaviers erklingen, und dann setzt Dandis Stimme ein. Von Anfang an wird einem bewusst: Das ist Talent. Dandi singt wie ein Engel.

Ihre Stimme ist der perfekte Mix aus Kraft und Zartheit. Immer wieder steht mir der Mund offen, wenn ich höre, wie sie in ihrer gesamten Stimmlage widerstandslos hoch und runter gleitet. Was die Sängerin alles mit ihrerStimme anstellen kann, ist einfach unglaublich. Eines meiner persönlichen Highlights war «Honey». Dieses Lied zeigte auch die riesige Bandbreite von Dandis Können. Man hört eine bezaubernde, intensive, eine in den Bann ziehende Melodie und eine elfenhafte Stimme. Hier spürt man die israelische Herkunft der Musiker und die typische Stimmung eines Liedes aus dem Nahen Osten.

Dazu tanzt und performt Dandi so frei und leicht, als wäre sie allein und niemand würde ihr zuschauen. Ihre braunen Locken tanzen. Nichtsdestotrotz fühlt man sich als Teil dieser musikalischen Welt und wird immer tiefer in sie hineingezogen. Die Freude und Leidenschaft der Musiker sind einfach ansteckend. Dandi steht umgeben von der Band, sie bilden zusammen ein Ganzes. Immer wieder lächeln sie sich gegenseitig an, sie spüren, was dieser Moment für alle bedeutet. Eine ganz spezielle Kommunikation und Verbundenheit zwischen den Bandmitgliedern sind spürbar, und sie geben einander die Gelegenheit zum Strahlen.

Bei den instrumentalen Soli stellt Dandi starken Augenkontakt zu den Musizierenden her, einmal setzt sie sich sanft zur Klavierspielerin. Im Interview erzählt Tal Mashiach: «It’s a different level of connection with humans, that they can get through music.” Mit Ofri Nehemya seien Dandi und Mashiach in der Musikindustrie aufgewachsen, Stav Achai (Klavier) und Matan Egozi (Synthesizer, Gitarre) seien später dazugestossen. Heute sind sie sehr gute Freunde, und immer wieder hebt Dandi das Talent und die «amazing» Einzelalben der anderen hervor.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kantonsschule Wohlen. Im Rahmen ihresDeutschunterrichts verfassen die Schülerinnen und Schüler auch Konzertberichte,die in die Note einfliessen.

Made in Muri

Zwischen den Songs erzählt Dandi immer wieder mal etwas zur Musik. Einmal hat sie ein Lied nach einer Therapiestunde geschrieben, mal war es ein aussergewöhnlicher Traum, der sie inspiriert hat. («Did it ever happen to any of you, to smell something?”) Ganz besonders ist natürlich die Entstehungsgeschichte ihres Debut- Albums, welches am 7. November dieses Jahres erschienen ist. Es entstand hier im Freiamt. «Muri is a very special place to me». All dies wäre nicht möglich gewesen ohne Stephan Diethelm, so die Sängerin.

Vor drei Jahren hatte die Band nämlich die Möglichkeit, in seinem Haus ihr Album aufzunehmen. Damals nannte sich die Leadsängerin noch «Dana Herz». Das sei ihr dann aber zu ernst vorgekommen, weshalb sie ihn zu dem liebevollen Spitznamen «Dandi» gewechselt hat, den Tal Mashiach ihr gegeben hat. Auch Diethelm ist stolz auf das Debutalbum: «Jetzt sind mein Schlagzeug und Klavier für immer verewigt». Dieses Konzert ist also nicht nur ein Konzert, nein es sei auch eine Taufe, wie Dandi scherzhaft am Anfang erzählt. Diese Taufe wurde sehr ernst genommen. Am Schluss wurde die CD mit prickelndem Champagner übergossen und offiziell bei dieser «first official release show» getauft.

Dizzy

Nach dem eher langsamen Anfang ergeben sich immer mehr meiner persönlichen Höhepunkte im Raum. Ein Schlagzeugsolo verwandelt einen mystischen Song in einen wilden und lauten Banger, bei dem man am liebsten aufstehen und mitwippen würdel. Die Instrumente gehen auseinander und finden sich am Schluss wieder. Jeder Song, auch die langsameren, enthält immer eine gewisse Spannung und Steigerung. Die Emotionen und Beats werden stärker und stärker, bis sie sich in Wohlwonnen auflösen. Allgemein ist das Repertoire der Band…Allgemein ist ihre Diskografie sehr vielfältig, auch innerhalb der Songs gibt es viel Abwechslung.

Man will immer wissen, was als nächstes kommt. Trotzdem haben sie alle einen gewissen Wiedererkennungswert. Dandi und Tal Mashiach meinten, einfache Lieder über Lebenserfahrungen seien immer der Kern. Die Harmonien und Rhythmen seien dabei wie die verschiedenen Gewürze. «It’s songs in different dressings». Bei der Frage nach einer Beschreibung ihrer Musik muss die Sängerin einen Moment nachdenken. Es sei eine Mischung aus allen Musikstilen, die sie mag. Weiter nennt sie Neo-Soul, R&B, Jazz und Musik aus dem Nahen Osten.

Dandi - "Paris" @ musig im pflegidach, Muri

Where are you going?

Das ist der letzte Song auf ihrem neuen Album, und der zweitletzte, den sie am Sonntag gespielt haben. Passend dazu wollte ich wissen: «Where are you going?» Halb im Scherz antwortete Ofri Nehemya, die Carnegie Hall (weltberühmtes Konzerthaus in New York) wäre ein Traum für ihn. Insgesamt ist es der Gruppe wichtig, in dieser engen Formation weiterzuspielen und ihre Musik in die Welt hinauszutragen, dabei möglichst viel zu entdecken, Leute kennenzulernen und sich zu verbessern. «See where it brings us». Ich bin auf jeden Fall auch gespannt, wo es hingeht, und ich bin bereit, die Tickets für die Carnegie Hall zu buchen, um die Band zu sehen, bei deren Albumtaufe ich dabei war.

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Dandi @ Musig im Pflegidach, Muri
quelle: patrick britschgi
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