In einem ungewohnten Setting, sowohl für das Pflegidach als auch für die Jazz-Musikerin selbst, beginnt Trummer den Abend mit dem Song «You are the sunshine of my life» (Du bist der Sonnenschein meines Lebens) von Stevie Wonder. Angesichts der aktuellen Jahreszeit, in der es zunehmend früher dunkel wird und dunkle Geschehnisse ihren Lauf nehmen, erklärt die Optimistin, dass sie dem Publikum in der kommenden Stunde Licht und Hoffnung schenken möchte. In die Musik versunken, performt die Künstlerin den ersten Song mit geschlossenen Augen und einem Lächeln auf den Lippen. Ihre Finger gleiten sicher über die Klaviertasten, und ihre kraftvolle Stimme füllt den Raum mit Emotionen. In einem Kreis um das Klavier versammelt, lauschen die Gäste gebannt. Trummers Worte handeln von der Liebe und davon, wie ebendiese das Licht in der Existenz des Menschen sei. Sie lebt ihre Musik in jedem Moment des Auftritts. «Ich fühle mich wundervoll!», so die 38-Jährige nach dem Konzert.
Einige Stücke präsentiert Trummer in Muri zum ersten Mal. Was sie am Jazz/an dieser Musikrichtung so fasziniere, sei die Tatsache, dass er/Jazz äusserst persönlich sei und ein hohes Mass an Freiheit biete. Für die Künstlerin verkörpert Jazz Improvisation und das Spielen direkt aus der Seele. Auf der Bühne in Muri wird dies eindrucksvoll deutlich. Trummer schafft es, ihr Publikum durch geschickte Wechsel zwischen sanften Klängen und lebhaften Jazz-Nummern in den Bann zu ziehen. Während solcher sehnsuchtsvollen Songs, die zum Teil an eine Ballade erinnern, entweichen den Anwesenden wiederholt bewundernde Laute. Ein alter Freund der Künstlerin gibt zu, dass er während des Auftrittes mehrmals Tränen in den Augen hatte. «Für mich ist es jedes Mal Weltklasse, sie spielen zu hören.»
Mit beeindruckendem Rhythmus und Groove interpretiert Trummer auch verschiedene dynamische Stücke wie «Almundo» von Bach oder «You must believe in spring» von Michel Legrand. Letzteres wird normalerweise in einem langsamen Tempo aufgeführt, doch Trummer bringt ihre eigene Version davon auf die Bühne. Von Anfang an wippen zahlreiche Füsse im Takt zur Musik und schliesslich lassen sich einige Zuschauerinnen und Zuschauer sogar dazu verleiten, ungehemmt ihren ganzen Körpern im Rhythmus zu bewegen. «Es war heute ein sehr intimes Setting. Die einzelnen Gesichter zu erkennen, war [einerseits] sehr intensiv, andererseits auch gemütlich», erzählt Trummer später.
Nicht nur Trummer bringt das Pflegidach am Sonntagabend zum Staunen. Für die letzten drei Stücke lädt sie einen „Special Guest“ ein, und zwar Makar Novikov. Zusammen mit dem russischen Kontrabassisten präsentiert die deutsche Komponistin zuerst „Anywhere“, ihr eigenes Stück. Die beiden Künstler harmonieren auf eine unglaublich faszinierende Art und Weise. Unmöglich kann die Chemie zwischen den beiden nur durch ihr Verständnis für die Musik erzeugt werden. Spätestens nach dem letzten Song vor der Zugabe wird klar, dass mehr hinter dem Duo steckt. Mit dem, was nun geschieht, hat wohl keiner im Raum gerechnet. Als Trummer dem Kontrabassisten kurz ihren Rücken zuwendet, geht dieser auf die Knie und zieht eine kleine Schatulle aus seiner Hosentasche - ein Heiratsantrag! Mit strahlenden Augen steckt sich die Pianistin den Ring um ihren Finger. «Now I forgot all the lyrics!» (Jetzt habe ich den ganzen Text vergessen), spricht sie aufgeregt ins Mikrofon – ein rührender Moment.
Für Trummer steht nun so einiges an. Neben vielen kleinen Projekten hat die Musikerin als Nächstes verschiedene Konzerte mit dem Olivia Trummer Trio, zu dem auch Novikov gehört, geplant. Zusätzlich wird sie ein Solo-Album veröffentlichen, auf dem auch einige der im Pflegidach erstmals gespielten Stücke zu hören sein werden. Ausserdem steht natürlich eine Hochzeit bevor – wer weiss, vielleicht sogar in Muri.