Wer sie vorher nicht kannte, weiss spätestens jetzt, wer sie ist. Der Debütauftritt in der Schweiz ist ihr mehr als gelungen. Yuhan Su spielte mit ihrer dreiköpfigen Band im «pflegidach» Stücke aus ihrem neuen Album «Liberated Gesture». Dies war erst der zweite Stopp auf ihrer Album Release Tour und zudem der erste Auftritt seit langem in dieser Konstellation.
Gestern war es noch Barcelona, heute schon Muri. Ins Freiamt reiste Yuhan Su samt Schlagzeuger Prats und Bassist Balcazar mit dem Flugzeug, der Pianist Clearfield hingegen nahm den Weg von Marseille mit dem Zug auf sich. Wieder vereint konnten sie in einem kleinen Kreis von ca. 40 Personen neun Titel aus dem Album «Liberated Gesture», was übersetzt «befreite Gesten» bedeutet, performen. Der Titel hätte nicht besser gewählt sein können, denn der gesamten Band war die Freude an der Musik ins Gesicht geschrieben. Es dauerte nicht lange, bis auch die Zuschauer immer mehr ihre Köpfe und Füsse im Takt mitzubewegen begannen.
«Ich kenne sie nicht. Ich habe keine Ahnung», so äussert sich ein Zuschauer noch vor dem Auftritt. Die Vibraphonistin hat noch einen unbekannten Namen in der Musikwelt, dies hielt die Leute trotzdem nicht vom Kommen ab. Sobald Yuhan Su aber ihre vier Schlägel zückte und zu spielen begann, war das Publikum im Handumdrehen gefesselt von ihrer Darbietung. «Hi-Tech Pros and Cons» war der erste Titel, den sie spielte. Darun geht es darum, dass ihr Handy viel zu schnell kaputt geht und sie sich alle zwei, drei Jahre ein neues kaufen muss. Trotz dieser Nachteile sei das Handy für sie nicht wegzudenken.
Inspirationen aller Art Verschiedenste Einflüsse prägen Su’s viertes Studioalbum, welches am 10.November 2023 veröffentlicht wurde, nicht nur Handys. Beispielsweise heulten anfangs des Lockdowns stundenlang Sirenen in New York, davon liess sie sich dann für ihren Song «Siren Days» inspirieren. Bei anderen Liedern wie «Naked Swimmer», «Character» und «Hassan’s Fashion Magazine» erkennt man erneut, wie vielfältige Eindrücke Su dazu bringen, die Musik zu kreieren, die sie liebt. Ob es nun aber Gedichte, Bücher, abstrakte Kunst oder ein persönliches Erlebnis ist, immer wieder schafft sie es, diese Emotionen einzufangen und in ihre Musik einfliessen zu lassen.
«This one is about being a woman and growing up in the culture» («Dieses [Lied] ist über das Frausein und das Aufwachsen mit der Kultur»), erzählt die Musikerin nach dem Konzert über ihren letzten Song «She goes to a silent war», den sie als Zugabe spielt. Su wurde in Taiwan gross, bis sie dann 2008 in die Vereinigten Staaten zog, um dort ihr Studium zu beginnen. Sie studierte zuerst klassische Musik und daraufhin noch Jazzmusik am Berklee College of Music in Boston. Zurzeit wohnt sie aber im grossen New York. «The street is a bit dirty and everything is noisy but here it’s much more peaceful» («Die Strasse ist ein bisschen dreckig und alles ist laut, hier aber ist es viel friedlicher»), so vergleicht sie die pulsierende Metropole mit dem kleinen Muri. Ein zweiter Besuch in der Schweiz ist für sie also definitiv nicht ausgeschlossen.