Bereits seit zwölf Jahren kennen sich die drei, musizieren und leben zusammen in einer New Yorker WG. Diese Dynamik scheint, manchmal auch unterbewusst, beim Zuhören und Zusehen klar durch. Man ist Zeuge einer eingespielten Konversation, die sich auf einer sehr virtuosen Ebene abspielt und trotzdem berührend menschlich wirkt. «Musik ist eine sehr gute und direkte Reflektion unserer zwischenmenschlichen Interaktionen», sagt Moullier.
Jemand, der viel redet, wird auch viel spielen, doch auch Schüchternheit kann durch das Zusammenspiel zum Ausdruck kommen. Das Trio spielt jeden Tag in beliebigen, manchmal grösseren Formationen miteinander, was Vertrauen zwischen den Musikern schafft. Die Gruppe sei stark, weil sie durch kollektives Versagen lernt, so Moullier. Zusammenhalt ist kein Resultat reibungslosen Erfolges. Deshalb macht er sich auch kaum Druck, wenn er auf der Bühne steht. Das Wichtigste bleibt, Freude zu haben.
«Man kann schon schnell sein, aber nichts ist stärker als Repetition.» Der Ausdruck ist den Musikern wichtig. Auch Sandahl beginnt von einem metaphysischen Ort zu sprechen, von dem alle wissen. Kenny Werner, Pianist und ehemaliger Mentor der drei Musiker, beschreibt den Idealzustand während des Musizierens als totale Gedankenlosigkeit. Seinen eigenen Händen beim Spielen zuzusehen, ist das Ziel. Der Bassist erklärt: «Das Verrückte ist, dass jeder weiss. Du weisst, dass ich dort war, ich weiss, dass du dort warst, Ihr wisst es auch und das ist etwas Höheres, wenn du diesen Ort findest.»
Moullier wuchs in Frankreich auf, wo er anfänglich noch nicht mit Jazz in Kontakt kam. Er wollte vor allem musizieren und studierte vorerst klassische Musik. Doch der wahre Motor
hinter den Händen seien die Ohren, nicht etwa das Trainieren von Technik. Man muss nur genug ausprobieren und einer Klangvorstellung nachjagen, dann wird dein Körper nach einer Weile einen Weg finden. Sandahl hat oft gesangliche Elemente im Kopf, was die Technik und Klangfarbenwahl auf dem Bass ständig beeinflusst.
Moullier hingegen stellt sich meist Tenorsaxofonlinien vor, die er probiert, auf sein Instrument zuübertragen. In den letzten fünf Jahren beschäftigte er sich vorallem damit, das Instrument akustisch ganz kennenzulernen und sein Spiel weiterzuentwickeln. Nun wieder mit elektrischen Effekten zu arbeiten, fühle sich an wie ein fliegendes Auto.
Sandahl erzählt von einem Bild, das er während dem Solieren im Kopf hat. Eine lange gerade Allee und links und rechts befinden sich Fenster, durch die man hindurch gehen kann und neue Welten erkundet. Nun liegt es am Musiker, den Zuhörern zu zeigen, was er dort entdeckt. Und am besten ist es, wenn man nicht gleich in das erste Fenster steigt und wenn möglich, sogar erst dem dritten Instinkt folgt. So wird ein Solo lebendig und der Zuhörer wird Zeuge einer manchmal mühevollen Reise. So wird die Musik aber ansprechender, persönlicher und menschlicher, was durch das Mitsingen zu Soli noch verstärkt wird. Wenn man nun die Augen schliesst und sich ganz den Klängen hingibt, kann man sogar eine Hammond-Orgel erahnen, obwohl Vibraphon gespielt wird.
Die verschiedenen, musikalischen Einflüsse bringt das Trio auch dank gewissen Reisen mit. In Kuba oder Panama lernte Moullier, welche Bedeutung die Musik in gewissen Kulturen hat, da eigentlich jeder Musiker ist. Er erzählt von einem 5-jährigen Jungen aus Kuba, der so laut auf eine Conga schlägt, dass man es noch im Nachbardorf hören kann. Musik hat im Alltag einen anderen Stellenwert, auch, was die Preise angeht.
«30 Minuten Musik kosten dort irgendwie zehn Dollar. Ich gab ihnen eine Harddrive voller Musik und sie behandelten sie wie Gold.» So lernte er das Musikhören aus einer völlig neuen Perspektive kennen. «Ich mochte es fast lieber. Als ich zurückkam und meine Playlists wieder hatte, war ich fast überfordert.» Denn wenn man wenig zur Verfügung hat, holt man das Maximum aus dem heraus, was man hat. Manchmal wissen wir in westlichen Ländern gar nicht so richtig, wie gut es uns geht. Alles sei so elitär und abgehoben, wir beklagen uns über eine verstimmte Saite auf einem Steinway D Flügel.
Deshalb ist auch das Thema Wertschätzung wichtig für Simon Moullier. «Gerade wenn man sich in ein spezifisches Feld vertieft, vergisst man schnell, warum man gewisse Entscheidungen getroffen hat, weil man immer nur in seinem Kopf ist.» Hier sieht er eine gute Wirkung der Covid Pandemie. Es sei fast wie eine Wiedergeburt, weil man eine Zeit lang nicht machen konnte, was man wollte. Und nun schätzt man die Möglichkeiten um einiges mehr. «Ich liebe, was ich mache, ich bin dankbar für unsere Eltern, die uns auf unserem Weg immer unterstützt haben, dankbar für Menschen, die unsere Konzerte hören, dankbar für Menschen wie Stephan, die so etwas ermöglichen, dankbar dafür, nicht im Rollstuhl zu sitzen, dankbar dafür, das zu tun, was ich tue.»