Schon zum zweiten Mal spielt die Band im Pflegidach, doch dieses Mal mit extra Kick: «Es war total anders als vor einem Jahr. Sie haben viel «suitenartiger» gespielt. Sie sind vom einen Stück in das andere «hineingesurft», ohne klare Unterbrechung», schwärmt Stephan Diethelm, der Veranstalter. Statt Stück für Stück vorzuspielen, liessen die Artisten ihre Songs miteinander verschmelzen. Die Jazz-Band, normal bestehend aus dem Pianisten Jeremy Corren, dem Schlagzeuger Jeremy Dutton, der Bassistin Kenoa Mendenhall und dem Vibraphonisten Joel Ross, bereitete eine Überraschung für das gebannte Publikum: Die Schweizer Saxophonistin Maria Grand, die zurzeit auch in New York lebt und schon oft mit Ross musizierte, machte ihren Auftritt auf der Bühne des Pflegidachs an der Seite von «Good Vibes».
Zwei Tage vor dem Auftritt in Muri flog die Band von Oslo nach Venedig, wo das nächste Publikum gebannt auf ihre makellose Performance wartete. In Venedig angekommen, fehlte das Gepäck. Trotzdem lieferten sie den Norditalienern eine mächtige Show, doch auch am nächsten Morgen, vor der Abreise Richtung Schweiz, waren immer noch keine Koffer vorhanden. Mit viel Warten, viel Stress und Durchhaltevermögen schafften es die vier Artisten sogar mit Gepäck rechtzeitig nach Muri. Das Leben eines Artisten sei sehr anstrengend und ermüdend, wenn man so viel reist. «But I kind of like it that way because it feels challenging.” (Aber ich mag es irgendwie so, weil es sich wie eine Herausforderung anfühlt), sagt Ross und Dutton fügt dazu an: «Exactly, the traveling ist the actual work.» (Das Reisen ist die eigentliche Arbeit). Denn ihnen machte das Spielen, nach all diesen überwundenen Hürden, schlussendlich noch mehr Spass. Es sei wie eine Belohnung.
Trading bedeutet, dass die verschiedenen Bandmitglieder abwechselnd vier oder acht Taktabschnitte improvisieren. Also mit dem Lead wird zwischen den Musikern immer «gehandelt». «Good Vibes» brachte dieses Trading auf ein anderes Level. Wie in einer Diskussion übernimmt abwechslungsweise jedes Instrument die führende Stimme, immer begleitet vom Schlagzeug. Ohne Absprache?(zu kommunizieren oder im Voraus zu entscheiden), wer als Nächstes den Lead übernimmt, wird gewechselt. Gleichzeitig kommt die Band nach den Improvisationsrunden immer zurück auf die Grundmelodie, was dem Song eine lebendige Dynamik gibt und immer etwas Unerwartetes verspricht.
«Wenn man so oft miteinander unterwegs ist, wird man auf eine Art wie Familie. Wenn die Band spielt, sind es wie Familienmitglieder, die miteinander kommunizieren», erklärt Diethelm.
Junge Jazz-Amateure sind zutiefst begeistert von Joel Ross und der aussergewöhnlichen Dynamik, in der die Band «Good Vibes» zusammenspielt. «Sono rimasto senza parole.» (Ich war sprachlos), meint Alessandro, ein passionierter Musikstudent aus Lugano. Er besitze Ross’ erstes Album und wolle diesen Abend auf keinen Fall verpassen, insbesondere als er sah, dass Jeremy Dutton da sein werde. «Man konnte spüren, sehen und hören, wie viel Spass sie am Spielen hatten», erzählt Jeremy, ein Schüler des Gymnasiums. «That’s the goal, to have fun and let the audience have fun too“ (Das ist das Ziel der Sache, Spass zu haben und dass das Publikum auch Spass hat), erklärt Ross zu dieser Aussage.
Bei der Frage «Wie würden Sie den heutigen Abend beschreiben?», antwortete Ross: «This was a clear embodiment of all the time we put into each other”(Dies war eine klare Verkörperung all der Zeit, die wir füreinander aufgewendet haben). Dies hat das Murianer Publikum auch gespürt und kann die nächste Rückkehr von Joel Ross mit seinen «Good Vibes» kaum erwarten.