Musig im Pflegidach

Emmanuel Michael @ Musig im Pflegidach, Muri

Emmanuel Michael @ Musig im Pflegidach, Muri

Das gab’s noch nie!

Emmanuel Michael und Band bringen neue Luft nach Muri.
11.12.2023, 15:3912.12.2023, 15:39
Pascale lörtscher
Mehr «Musig im Pflegidach»

Mehrere geplante und ungeplante Premieren ereignen sich gleichzeitig, als Emmanuel Michael (g), Jayla Chee (b), Tim Watson (g) und Miguel Russell (dr) das Pflegidach mit ihrem Können bereichern. Am Sonntag, 14.11.2023 entführen sie das Publikum mit ihrer musikalischen Magie in eine teilweise völlig unbekannte Welt des improvisierten Jazz. Einen Tag später lüftet die im Durchschnitt 21 Jahre junge Band für Schüler und Schülerinnen der Kantonsschule Wohlen so manches Geheimnis ihrer Musik.

Künstler lassen auf sich warten

«Das gab’s noch nie», beginnt Stephan Diethelm die Ansage der Band. Eine Premiere! Damit meint er nicht die Anwesenheit des Rising Stars Michael, jener trat bereits ein Jahr zuvor in Muri auf. Dass jedoch die «Musig im Pflegidach» zu spät beginnt, das ist wahrhaftig eine Premiere. Aufgrund des Jetlags kommen manche Mitglieder der Band in der Nacht kaum zu Schlaf. Das Nickerchen am Nachmittag endet deshalb in einem Tiefschlaf. Ein Crew-Mitglied muss die Künstler kurz vor Konzertbeginn aus den Träumen reissen. Mit einer kleinen Verspätung startet die Band schliesslich in ein sensationelles Konzert. Das Publikum ist selbstverständlich nachsichtig. Schliesslich ist die Band lediglich für den Auftritt im Pflegidach und den Workshop an der Kantonsschule Wohlen aus New York angereist.

Hinweis
Die Autorin ist Schülerin an der Kantonsschule Wohlen. Im Rahmen ihres Deutschunterrichts verfassen die Schülerinnen und Schüler auch Konzertberichte, die in die Note einfliessen.

Bassist und Gitarrist spielten noch nie zuvor gemeinsam

Die zweite Premiere des Abends verblüfft: Die Band spielt tatsächlich das erste Mal offiziell in dieser Konstellation zusammen. «Jayla has never really played with Tim before.» («Jayla spielte zuvor nie wirklich mit Tim zusammen»), stellt Michael fest. Damit nicht genug: Auf der Pflegidachbühne werden manche Stücke das erste Mal seit Monaten wieder gespielt. Und dennoch, es scheint, als ob die Formation?Bandgruppierung schon seit Äonen existieren würde, denn die Werke/Songs/Tunes/Stücke werden so kompakt gespielt, dass die Musik dem Publikum unter die Haut geht. Diese Emotionen werden durch Effekte unterstützt, welche Michael und Watson mit Hilfe von Fusstasten gekonnt über die Gitarrentöne legen. Verzogene, verträumte oder gar galaktische Klänge rauschen durch den ganzen Saal und wirken dank der Aufteilung der Gitarrenaudiokanäle von allen Seiten auf das Publikum ein. Michael und seine Band wecken nostalgische Erinnerungen und verfrachten alle Zuhörer und Zuhörerinnen in eine andere Welt.

Italienische Notation durch englische Philosophie ersetzt

Ein «allegro vivace» oder «lento» findet man auf keinem von Michaels Kompositionen. Dafür stösst man auf «warmth of a candlelight» oder «playing on a dark heartbeat». Da Michael den grössten Teil seiner Stücke improvisiert, hat die übliche Notationsweise ausnahmsweise keinen grossen Nutzen: «There’s a point A and a point B. But how you get from one point to the other, that’s completely your choice.» («Es gibt einen Punkt A und einen Punkt B. Aber wie man vom einen zum anderen gerät, das ist einem selbst überlassen.») Bestimmte Akkorde sind als Orientierung notiert, dazu aber mehr philosophische Teilsätze, welche den Interpreten oder Bandmitgliedern eine Stimmung vor Augen führen, zu der sie passend spielen können. Am Sonntagabend findet die Band einen wundervollen Weg von A nach B. Hier und da wird eine Aufnahme gemacht, das Publikum bewegt sich mit und kann gar nicht genug der Musik in sich aufsaugen.

Kein Pflegidach, kein Emmanuel Michael

Bereits als Kind verfolgte Michael begeistert die Videos der in Muri auftretenden Künstler und Künstlerinnen. Ausgerechnet diese brachten ihn zur Musik. «I had no idea how to play music. But I just tried it out and liked the fact that nobody told me how I have to do it.» («Ich hatte keine Idee, wie man Musik macht. Aber ich probierte es einfach aus und ich mochte die Tatsache, dass mir niemand sagte, wie ich es zu tun habe»), erzählt Michael strahlend. Das eine ergab das andere: Das Ausprobieren begann ernster zu werden und Michael lernte Gitarre spielen. Die Musik und der nun 21-Jährige freundeten sich immer enger an und wurden ein Duett, das sich nicht mehr wegdenken lässt. Michael befindet sich bereits in seinem letzten Studienjahr an der Manhattan School of Music und nun tatsächlich selbst auf der Bühne in Muri. Wie die Gitarrenhoffnung New Yorks den Weg ins Pflegidach fand? «It just happened. And it’s amazing.» («Es passierte einfach. Und es ist unglaublich»), lacht Michael und steckt jeden mit seinem Glücksgefühl an.

Emmanuel Michael Band - "i've never closed my eyes" @ musig im pflegidach, Muri

Schüler inspirieren Schüler

Am Montagnachmittag geniessen alle Musikschüler und -schülerinnen der Kantonsschule Wohlen den Workshop, der von Michael und Band geleitet wird. Herausfordernd durch komplizierte Rhythmusübungen und anregend durch schon fast philosophische Diskussionen, bringen die Bandmitglieder den Schülern ihre Welt der Musik näher. Drei von ihnen haben selbst noch keinen Abschluss, trotzdem profitieren die nur etwa dreieinhalb Jahre jüngeren Schüler sehr von ihnen. Vor allem die Improvisation ist für viele ein unbekannter Bereich und wirft folglich Fragen auf. Wie es denn möglich sei, dass sie alle improvisieren und es nie schief klinge, ist für die meisten ein grosses Fragezeichen. «Oh, it doesn’t. Sometimes it sounds horrible!» («Oh, tut es nicht. Manchmal klingt es schrecklich!»), antwortet Michael grinsend. Es sei viel Übung dahinter, aber es gebe Zeichen, welche das Zusammenspiel vereinfachen. «After a bzbzbz, there’s always a tschhhhh», zeigt Watson vor und bringt die ganze Aula zum Lachen. Zum Abschluss dürfen die Schüler sich noch einmal zurücklehnen und sich in die Welt des «aufgehenden Sterns» mitziehen lassen.

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quelle: patrick britschgi
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