Das am Dienstag präsentierte Bildungsmonitoring 2014 zeigt auf, wo das Bildungssystem Schweiz aktuell steht. Einige ausgewählte Ergebnisse:
Lehrerbildung: Die Ausbildung von Lehrkräften ist mit der Verschiebung von den Lehrerseminaren an die Pädagogischen Hochschulen nicht theorielastiger und praxisferner geworden – im Gegenteil. Tatsächlich hat die Bedeutung der Praxisausbildung eher zugenommen, heisst es im Bericht. Der Praxisanteil beträgt an allen Pädagogischen Hochschulen zwischen 20 und 30 Prozent. Nur knapp über 20 Prozent liegt er an der PH St. Gallen, über 30 Prozent an der HEP Fribourg.
Chancengleichheit: In der Schweiz ist die Chancengleichheit grösser als in den Nachbarländern. Trotzdem erlangen Kinder aus Akademikerfamilien deutlich häufiger einen Hochschulabschluss als andere. Bei Jugendlichen mit akademisch gebildeten Vätern ist die Chance, dass sie eine Universität besuchen, doppelt so hoch wie bei anderen.
«Wir haben ein Chancengleichheitsproblem», sagte Bildungsmonitoring-Projektleiter Stefan C. Wolter am Dienstag vor den Medien in Bern. Dies verdeutlicht auch eine weitere Zahl aus dem Bericht. Von den Gymnasiasten mit «benachteiligtem sozioökonomischem Hintergrund» gehören weniger als 10 Prozent zu den «schlechten Schülern». Bei den Gymnasiasten mit «privilegiertem sozioökonomischem Hintergrund» sind es hingegen rund 30 Prozent. «Aus der privilegierten Schicht ist also ein Drittel am Gymnasium, obwohl sie nicht da hin gehören», folgert Wolter.
Schülerzahlen: Die Zahl der Schulkinder ist in der Schweiz auf einem historischen Tiefstand. Noch nie gab es in der Schweiz, gemessen an der Gesamtbevölkerung, so wenige Schüler. Die Zahl der Schulkinder wird aber in den nächsten Jahren wieder steigen, heisst es im Bericht. Auf der Primarstufe wird die Schülerzahl gemäss aktuellen Prognosen bis 2021 um 10 Prozent ansteigen. Auf der Sekundarstufe wird ab 2017 mit steigenden Schülerzahlen gerechnet.
Erfolgreicher Hochschulabschluss: Das Schweizer Hochschulsystem ist «eine Röhre mit Löchern», wie Wolter sagte. Dem System gingen zu viele Studenten verloren, es gebe Nachholbedarf. Zwar beginnen gemäss Bericht 94 Prozent der gymnasialen Maturanden ein Hochschulstudium. Davon erreichen aber nur rund 10 Prozent einen Bachelorabschluss, nur 50 Prozent schaffen es bis zum Master. Zudem: Nur knapp zwei Drittel der Personen mit Hochschulabschluss üben später eine Tätigkeit aus, für welche ein solcher Abschluss überhaupt erforderlich ist.
Wolter sieht zwei Handlungsmöglichkeiten: Die Studenten müssten vom Gymnasium ein grösseres Kompetenzniveau mitbringen. So könnten die Erfolgschancen an der Hochschule erhöht werden. Und die Maturanden müssten bei der Studienwahl besser beraten werden – so könne die Zahl der Studienabbrecher verringert werden.
Bildungsniveau: Das Bildungsniveau der Bevölkerung ist gestiegen. Jeder dritte Erwachsene im erwerbsfähigen Alter verfügt heute über einen tertiären Bildungsabschluss (Hochschule oder höhere Berufsbildung). Vor zehn Jahren galt das nur für jeden vierten Erwachsenen. In den nächsten Jahren wird sich das Bildungsniveau weiter erhöhen, heisst es im Bericht.
Effizienter Mitteleinsatz: Die Anzahl der Unterrichtsstunden hat keinen Einfluss auf die Leseleistung der Schüler. «Warum Schüler in Kantonen mit mehr Unterrichtsstunden keine besseren Leseleistungen erbringen, wissen wir noch nicht», sagte Wolter.
Ein Bildungsmonitoring wurde erstmals 2010 präsentiert, mit dem Bericht 2014 liegt nun die zweite Ausgabe vor. Künftig soll alle vier Jahre ein Bildungsbericht erscheinen. Ziel des Bildungsmonitorings ist es, das aktuelle Wissen über das Bildungssystem Schweiz zusammenzufassen, von der Vorschule bis zur Weiterbildung.
Der Bildungsbericht enthält keine direkten Handlungsanweisungen an die Adresse von Bildungspolitik und Bildungsplaner. Aufgrund des ersten Berichts haben aber Bund und Kantone gemeinsame Ziele formuliert, wie etwa die weitere Harmonisierung der obligatorischen Schule durch die Kantone oder eine weitere Erhöhung der Abschlussquote auf der Sekundarstufe II. Die Zielerreichung könne noch nicht abschliessend beurteilt werden, heisst es in einer Mitteilung vom Dienstag. (pbl/sda)