Die Botschaft des Bundesrats an der letzten Medienkonferenz vor den Ferien war eindeutig: Die Lage ist ernst. Niemand weiss, wie viel Gas Putin bald noch nach Europa liefert. Die Energieversorgung wird zusätzlich durch stillgelegte Atomkraftwerke in Frankreich und durch ein trockenes Halbjahr bedroht, in dessen Folge die Stauseen in der Schweiz unterdurchschnittlichen Füllstände erreichen könnten.
Eine Strommangellage sei für kommenden Winter, wenn der Energieverbrauch steigt, nicht auszuschliessen, sagten Energieministerin Simonetta Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin.
Strommangellage - dieser Begriff existiert in den Schweizer Medien seit ungefähr zehn Jahren. In den Katastrophenszenarien des Bundes ist es nicht nur eine Gefahr mit hoher erwarteter Häufigkeit, nämlich durchschnittlich alle dreissig Jahre. Es ist auch die teuerste Krise, will heissen: jene mit dem höchsten aggregierten Schaden.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz hat im November 2020 das «Gefährdungsdossier Strommangellage» veröffentlicht. Das Dokument gibt detailreich Aufschluss darüber, was der Schweiz im Notfall blühen könnte. «Eine Strommangellage kann beispielsweise eintreten, wenn die Wasserstände in Flüssen und Stauseen tief sind, die inländische Stromproduktion deshalb reduziert ist und das Defizit nicht durch zusätzliche Importe gedeckt werden kann», heisst es darin.
Im vorliegenden Beispiel sind es osteuropäische Braunkohlekraftwerke, die während eines plötzlichen Wintereinbruchs ausfallen. Schon wenige Tage später würde die Lage in der Schweiz prekär.
Zuerst würde die Bevölkerung zum Stromsparen aufgerufen. Das senke zwar den Stromverbrauch, allerdings nicht entscheidend: «Aufgrund der kritischen Lage beschliesst der Bundesrat die Umsetzung von Bewirtschaftungsmassnahmen im Strombereich, da die Wirtschaft die anhaltende Strommangellage nicht selbst zu bewältigen vermag.»
Zuerst betroffen wären Freizeit-Angebote: Hallenbäder und Schneesportanlagen würden geschlossen, öffentliche Beleuchtung und Verkehrsangebote eingeschränkt. Der nächste Schritt wäre einschneidender: «Da mit dem freiwilligen Stromsparen und den Verbrauchseinschränkungen der Stromverbrauch nicht ausreichend reduziert werden kann, werden in der Folge Grossverbraucher der Kontingentierung unterstellt», führt der Bericht aus.
Im Szenario ist es die dritte Woche der Krise, zwei Wochen später würden Netzabschaltungen zum Thema: «Der Strom wird in dieser Zeit in einem regelmässigen Rhythmus - 4 Stunden ohne, 8 Stunden mit Strom - gebietsweise vollständig abgestellt. Sicherheitsrelevante Verbraucher bleiben soweit technisch möglich am Netz.»
Die beschriebenen Begleiterscheinungen sind gravierend: «In den Geschäften kommt es zu Hamsterkäufen von Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs. Generatoren, Taschenlampen und Batterien sowie alternative Brennmaterialien für den Privatgebrauch (z. B. Gas und Holzkohle) sind bereits in den ersten Tagen ausverkauft.»
Ausserdem häuften sich Einbrüche und Überfälle, das Sicherheitsdispositiv in den Kantonen müsste erhöht werden. Doch auch die Kosten wären enorm: «Die Vermögensschäden und die Bewältigungskosten belaufen sich schätzungsweise auf rund 10 Milliarden Franken. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird um zirka 90 Milliarden Franken reduziert», notiert der Bericht.
Nach 14 Wochen wäre die Katastrophe mehrheitlich ausgestanden. Die Bilanz: 100 Tote und 1000 Verletzte. Insbesondere Betagte und Personen mit Behinderungen, müssten «verstärkt durch Blaulichtorganisationen, Pflegepersonal und Behörden unterstützt werden».
Das Gefährdungsdossier Strommangellage hat drei Eskalationsstufen errechnet. Die skizzierte Gefährdung entspricht der Stufe zwei und geht von einer Stromunterversorgung von 30 Prozent aus.
Wohl auch aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit für eine solche Lage hat der Bundesrat eine vergleichbare Situation bereits 2009 in einer Katastrophenübung durchgespielt. Die Beschreibung, wie sich die Verantwortlichen damals eine solche Situation vorgestellt haben, wirkt heute fast prophetisch: Aufgrund von «Ermutigungen» von EU und Nato, die Ukraine solle sich ihnen anschliessen, kommt es zu «Verstimmungen im europäisch-russischen Verhältnis».
Gaslieferungen blieben ab August aus. In Europa löse dies eine Energiekrise aus, in der Schweiz akzentuiert durch spärlich gefüllte Stauseen infolge eines niederschlagsarmen Winters und heissen Sommers. Frankreich bekunde zudem infrastrukturelle Probleme und könne Stromabkommen nicht einhalten. Das errechnete Resultat wäre genau jene Unterversorgung, die das Gefährdungsdossier beschreibt: 30 Prozent.
Rückschlüsse darüber, wie gut die Schweiz auf den Ernstfall vorbereitet ist, sind nur bedingt möglich. Der Bundesrat, aber auch viele andere Beteiligte haben die Übungsanlage 2009 offenbar nicht begriffen, wie es etwas verklausuliert im Abschlussbericht heisst: So verwechselten viele Beteiligte eine Mangellage mit einem Blackout. «Auf fast allen Stufen zielten Reaktionen deshalb in eine falsche Richtung», heisst es abschliessend. (aargauerzeitung.ch)
...weil es dann wieder Strom hat?
...weil es dann keinr Wirtschaft mehr hat?
...weil die Stauseen wieder voll Wasser sind?
...weil WARUM?