Die Medienmitteilung des Departements Volkswirtschaft und Inneres trug einen ungewöhnlichen Titel: «Mutter mit ihrer Tochter nach Mexiko zurückgekehrt», schrieb das Generalsekretariat am 14. Juli 2015.
Es waren die letzten offiziellen Worte in einem erbitterten Streit um ein Kind.
Rückblende: Im Mai vor einem Jahr berichtete die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens über die Bremgarter Grossmutter Martina Hess, die mit ihrer Enkelin untergetaucht war, um das Mädchen vor den Behörden zu verstecken.
Der Grund: Die neunjährige Anna (Name geändert) sollte nach Mexiko zu ihrer Mutter zurückgeführt werden. Die in Mexiko geborene Tochter einer Einheimischen und des Bremgarters Beni Hess hatte nach der Trennung der Eltern bei der Mutter in Zentralamerika gelebt.
Später nahm der Vater seine Tochter Anna für einen Ferienaufenthalt in die Schweiz – und behielt sie bei sich. Die Obhut war zwar der Mutter zugesprochen worden, Beni Hess betonte aber, die Tochter selbst wolle nicht zurück. Die Familie war in Mexiko mittels Schutzgelderpressungen bedroht worden.
Schliesslich wurden Martina Hess und Anna nach einigen Tagen Flucht in Südfrankreich verhaftet und in die Schweiz zurückgebracht. Die Frage der Rückführung kam bis vors Bundesgericht. Zuletzt scheiterten mehrere Vermittlungsversuche zwischen den Eltern und das Aargauer Obergericht entschied, Anna müsse zurückgeführt werden. Nachdem sich das Kind von Vater und Klassenkameraden verabschiedet hatte, flog es mit seiner Mutter nach Mexiko.
Theoretisch wäre danach ein Weiterzug an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach Strassburg möglich gewesen. Davon sahen Beni Hess und sein Anwalt jedoch ab. Hess sagte damals: «Alles, was wir davon erwarten könnten, wäre ein Rüge für die Schweiz. Aber das würde für mich keinen grossen Unterschied mehr machen. Meine Tochter ist weg.»
Wie Recherchen der AZ nun zeigen, reiste Hess seiner Tochter bald nach. Mit seiner neuen Partnerin und einem gemeinsamen Baby lebt er wieder in Mexiko. Rechtsanwalt Silvio Mayer, der Hess vertreten hatte, bestätigt dies und sagt: «Es ist für ihn die einzige Möglichkeit, nah an seiner Tochter zu sein.» Wie mehrere mit der Sache Vertraute berichten, läuft in Mexiko ein Scheidungsverfahren, in dem es auch um Obhut und Unterbringung von Anna geht. Das Verfahren nach mexikanischem Recht könnte sich Jahre hinziehen. Anna lebt offenbar nach wie vor bei ihrer Mutter.
Im Aargau sind mit dem Vollzug der Rückführung alle zivilrechtlichen Verfahren abgeschlossen. Hängig sind noch die Strafverfahren gegen Beni Hess und Grossmutter Martina Hess. Dabei wird etwa wegen versuchter Nötigung, Freiheitsberaubung, Entführung und Entziehung von Minderjährigen ermittelt. Die Einvernahmen wurden gemacht, jetzt liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft: Sie muss entscheiden, ob sie Anklage erheben wird. Ob es zu einem Strafverfahren kommt, ist demnach noch nicht klar.
* Name geändert (aargauerzeitung.ch)