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Lesbisches Paar aus Bar in Baden geworfen – so verteidigt sich der Wirt

Lesbisches Paar aus Bar in Baden geworfen – so verteidigt sich der Wirt

Zwei Frauen behaupten, sie seien aus einer Bar in Baden geworfen worden, weil sie lesbisch seien. Der Wirt stellt die Situation ganz anders dar. Negative Konsequenzen hat der Vorfall für ihn aber schon jetzt.
01.02.2023, 21:4323.12.2023, 11:55
Corsin Manser
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Ein lesbisches Pärchen erhebt auf Instagram schwere Vorwürfe gegenüber einer Bar in Baden. Am Sonntagnachmittag hätten sie im Lokal «Rail One» je ein Bier bestellt und gemütlich zusammensitzen wollen, erzählen die beiden jungen Frauen in einem Video.

Doch das Personal habe etwas dagegen gehabt. «Sie haben das Geld für unsere Stangen zurückgegeben und haben uns gebeten, das Lokal zu verlassen», so die Frauen. «Es hat andere Leute hier, die das nicht sehen wollen», hätten die Servicekräfte gesagt. Auch der Chef dulde ein solches Verhalten nicht.

Für die beiden Frauen ein Schlag ins Gesicht: «Wir haben nur Händchen gehalten und uns ab und zu geküsst.» Man habe sich ganz normal verhalten wie jedes andere Pärchen auch. Aber: «Offensichtlich ist es auch Ende Januar 2023 nicht okay, wenn ein lesbisches Pärchen in einer Bar einfach nur Zeit verbringt.»

Die beiden Frauen sind überzeugt, dass sie wegen ihrer sexuellen Orientierung aus der Bar geworfen wurden. «Wir waren einfach nur baff und konnten das gar nicht glauben», sagen Teja Mucnjak und Sabrina Burger im Gespräch mit watson. Die Servicekräfte hätten deutlich gemacht, dass sie nur deswegen rausgeworfen wurden, weil sie zwei Frauen seien. Mucnjak sei so wütend geworden, dass sie an der Bar ein Bier ausgeschüttet habe.

Kurz nach dem Vorfall seien sie zur Kantonspolizei Aargau gegangen und hätten Anzeige erstattet. Denn gemäss dem 2020 angenommenen Diskriminierungsgesetz ist ein Rauswurf aufgrund der sexuellen Orientierung eine Straftat. Die Polizei habe sie sehr professionell aufgenommen und das Problem ernst genommen.

Geschäftsführer widerspricht

Das «Rail One» schildert den Vorfall jedoch ganz anders. Sein Lokal sei «offen für alle», sagt Geschäftsführer Mehmet Korkmaz gegenüber watson. Man müsse sich nur «anständig» verhalten.

Das lesbische Paar habe es aber mit den Zärtlichkeiten deutlich übertrieben. «Sie haben Bewegungen gemacht, fast wie beim Sex», erzählt Korkmaz. «Mich interessiert nicht, ob sie Lesben sind. Auch eine Frau und ein Mann können hier nicht vor allen Augen Liebe machen.» In seinem Lokal habe es viele kleine Kinder und Familien, da sei ein gewisses Mass an Anstand angebracht. Die beiden Frauen hätten sich jedoch «unglaublich» verhalten. «Sie waren unanständig und sehr laut.»

Lesbisches Paar aus Bar rausgeworfen: Das «Rail One» am Bahnhof von Baden.
Das «Rail One» am Bahnhof von Baden.screenshot: google

Für die Reaktion der beiden Frauen hat Korkmaz gar kein Verständnis: «Eine der beiden hat ein Bier über den Pullover meiner Mitarbeiterin geschüttet. Sie musste den ganzen Tag darin arbeiten. So aggressive Leute!»

Mucnjak und Burger können ob der Aussagen des Beizers nur den Kopf schütteln. «Wir haben nicht mal richtig rumgemacht.» Korkmaz' Version der Ereignisse stimme nicht.

Kein isolierter Fall

watson hat das Video der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) gezeigt. Wenn es stimmt, was die beiden sagen, sei es ein Skandal, sagt Co-Geschäftsleiterin Muriel Weger. «Das ist kein isolierter Fall. Wir kriegen immer wieder solche Meldungen.» Deswegen sei es so wichtig, dass es Gesetze zum Schutz von Lesben gebe. So könne eine Anzeige gemacht werden.

Weger fragt sich, ob der Wirt auch ein knutschendes heterosexuelles Paar vor die Tür gestellt hätte. «Oftmals werden heterosexuelle Paare anders beurteilt als gleichgeschlechtliche», sagt sie zu watson.

Negative Ratings

Für Korkmaz hat der Vorfall schon jetzt negative Konsequenzen. Nach Veröffentlichung des Instagram-Videos schrieben zahlreiche Personen einen negativen Kommentar ins Google-Rating und gaben dem Lokal ein Ein-Sterne-Rating. So schreibt ein User:

«Ich bin enttäuscht, dass 2023 ein LGBTQ+ Paar aus einem Lokal geworfen wird weil es sich öffentlich dazu bekennt, was sie sind. Besonders in Baden, wo wir so offen für Kultur und Vielfalt sind. Wir dulden solch ein Verhalten in Baden nicht. Aus diesem Grund werde ich und hoffentlich noch andere dieses Lokal meiden.»

Eine weitere Person meint:

«Absolut unterste Schublade. Diskriminierung wird hier gross geschrieben, Freundlichkeit kennt das Personal scheinbar nicht. Dass ein Paar aus der Bar geschmissen wird, weil sie sich küssen, kann ich im 2023 kaum glauben. Überhaupt nicht zu empfehlen.»

Korkmaz nervt sich darüber und sagt: «Das ist Lügerei, wir sind ein Lokal für alle.»

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376 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Purscht
01.02.2023 20:15registriert Oktober 2017
Es ist halt nicht so optimal, wenn die Leute sofort anfangen negative Kommentare zu schreiben, obwohl sie nicht dabei waren und nicht die ganze Geschichte kennen.
So kann man ein Lokal ruinieren. Eventuell grundlos.
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Rikki-Tiki-Tavi
01.02.2023 20:08registriert April 2020
Schwer zu beurteilen, wenn man nicht dabei war, Aussage gegen Aussage halt. Wenn es Diskriminierung wegen der sexuellen Neigung war, geht das gar nicht. Mich irritiert aber die Aussage, „wir haben nicht mal richtig rumgemacht“ … was heisst das? „nur ein bisschen rummachen“? - … Ja, da ist die Toleranzschwelle dann halt unterschiedlich, egal ob hetero- oder anders -sexuell.
Ich kann einen Lokalinhaber verstehen, der einschreitet, wenn „rumgemacht“ wird - wenn es denn wirklich so war.
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Alter Mann
01.02.2023 20:15registriert September 2020
Keine Ahnung was wirklich passiert ist. Wenn die Story des Wirtes stimmt, dann hat er die beiden zurecht des Lokals verwiesen. Das kann über die Angestellten die dabei waren herausgefunden werden. Und dann sollte er die beiden auf Verleumdung und Schadenersatz verklagen, ansonsten machen solche Sachen Schule. Sollte aber die Version der beiden Frauen stimmen, so ist es vom Wirt einfach dumm.
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