Nebel
DE | FR
Schweiz
Wirtschaft

«Jede Woche wollen Influencer etwas gratis haben» – 3 Beizer erzählen

Bar am Wasser, Zürich
Hat keine guten Erfahrungen mit Influencern: Bar am Wasser in Zürich. Bild: Bar am Wasser, Zürich

«Jede Woche schreiben Influencer, die etwas gratis wollen» – 3 Zürcher Beizer erzählen

In der Stadt Zürich stehen Gastro-Betriebe vor einigen Herausforderungen. Anfragen von Schein-Influencern nehmen zu. Aber auch Google-Bewertungen und Fachkräftemangel bereiten Kopfschmerzen. Drei Zürcher Beizer erzählen, wie sie damit umgehen.
26.01.2023, 13:3426.01.2023, 14:34
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Negative Google-Bewertungen, unverschämte Influencer und der Mitarbeitermangel machen Gastronomiebetrieben zu schaffen. Erst diese Woche sorgte ein Stadtzürcher Wirt für Aufsehen, weil er auf negative Bewertungen antwortete, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

In der Praxis sieht das so aus: «Wenn Sie der Meinung sind, dass mein Verhalten ‹unter aller Sau› ist, dann mache ich das in der Regel nur, um mich meinen Gästen anzupassen.» Dies antwortete er auf eine Bewertung.

Der Gastronom vom Uetliberg regte sich auch über «sogenannte Influencer» auf, welche «immer öfter etwas gratis verlangen». Er mache da aber nicht mit – im Gegensatz zu seinen Beizer-Kollegen. watson hat darum bei drei Betrieben nachgefragt, wie sie mit negativen Kommentaren und aufdringlichen Influencern umgehen.

Restaurant Degenried

Die Beiz Degenried beim Dolder ist ein beliebtes Ausflugsziel in Zürich. Der Pächter, Nicolas Kern, präsidiert gleichzeitig den städtischen Gastro-Verband. «Wir haben zum Glück gute Erfahrungen mit Google-Bewertungen gemacht», sagt Kern zu watson. Natürlich gebe es immer Vereinzelte, die eine schlechte Bewertung hinterlassen. Er empfiehlt, sich in solchen Fällen nicht aufzuregen.

«Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder man ignoriert die Bewertung oder man sucht den persönlichen Kontakt», sagt der Restaurant-Geschäftsführer. Mit einem negativen Unterton zu antworten, bringe aber niemandem etwas. Gar die Kontaktdaten von unfreundlichen Restaurant-Bewertern zu veröffentlichen – wie es der Wirt auf dem Uetliberg gemacht hat –, sei ein absolutes No-Go.

Degenried Chef
Präsident Stadtzürcher Gastro: Nicolas Kern.Bild: zVg

Der Gastro-Präsident findet es zudem daneben, den Mitarbeitermangel für einen schlechten Service oder lange Wartezeiten verantwortlich zu machen. «Es ist schwer, gute Leute zu finden. Aber wir sind nicht die einzige Branche, die vom Fachkräftemangel betroffen ist. Darum darf das keine Ausrede sein», sagt Kern.

Anderen Gastronomen rate er, lieber zuerst die Öffnungszeiten zu reduzieren, die Karte zu verkleinern oder weniger Sitzplätze zur Verfügung zu stellen, damit die Gäste auf ihre Kosten kommen würden. Die Erfahrung von unverschämten Influencern, die etwas gratis wollen für einen Beitrag auf Social Media, teilt man im Degenried zudem nicht. «Alle, die über uns etwas posten, machen das freiwillig», sagt Kern.

Familie Wiesner Gastronomie

Anders mit Influencern verfährt die Familie Wiesner Gastronomie (FWG), zu welcher 34 Restaurants gehören wie Nooch, Miss Miu oder The Butcher. Co-Geschäftsführer Daniel Wiesner sagt zu watson: «Wir arbeiten langfristig mit Influencern zusammen.» Anfragen, die einfach ein kostenloses Abendessen wollen, erhalte man bei FWG auch. Doch darauf lasse man sich nicht ein.

«Wir prüfen jede Person, ob eine längerfristige Partnerschaft eine Möglichkeit ist», sagt Wiesner. Wer dafür infrage komme, werde zu mehreren Events im Jahr eingeladen. Über diese können die Influencer berichten und somit Werbung für die FWG machen. «An diese Veranstaltungen laden wir aber auch gute Stammgäste ein, welche mit ihren Empfehlungen eine ähnliche Wirkung haben wie Influencer», sagt er. Für das Gastro-Unternehmen sei dies eine Win-win-Situation.

gypsy rose bar
Bar-Dekoration bei FWG: Gypsy Rose Bar.Bild: watson

Wenn ein Influencer doch nicht zu ihnen passe, versuche man zu begründen, warum eine Partnerschaft kein Thema sei. Und: «So viele Influencer gehen uns gar nicht an, dass wir sagen können, es würde uns nerven», sagt Wiesner. Eine grössere Herausforderung als der Umgang mit Möchtegern-Bekanntheiten sei der Mitarbeitermangel. «Zum Glück haben wir aber viele Betriebe, die sich gegenseitig unterstützen können bei Ausfällen», sagt er.

Im Gegensatz zum Uetliberg-Wirt habe man auch keine Probleme mit Google-Bewertungen. «Wir beantworten jeden Kommentar. Gerade bei Negativem suchen wir den Dialog mit dem betroffenen Gast – aber nicht via Google, sondern per Telefon oder E-Mail», erklärt Wiesner. Wer Konflikte mit Gästen in der Öffentlichkeit austrage, könne nur verlieren, findet der Gastronom. Auch Kontaktdaten von wütenden Bewertern würde er deshalb niemals veröffentlichen.

Bar am Wasser

Wenig Freude an Schein-Influencern hat Dirk Hany, Geschäftsführer der Bar am Wasser in Zürich. «Jede Woche erhalte ich Anfragen von sogenannten Influencern, die uns einen Beitrag versprechen – wenn sie einen Abend lang gratis bei uns verbringen dürfen», sagt er zu watson.

Für den Zürcher Bar-Manager kommt das aber nicht infrage. Influencer seien kein Teil ihrer Marketingstrategie. Dennoch gelangten in sein Postfach immer wieder Menschen, welche sich als Influencer ausgeben und eine gratis Dienstleistung verlangen. «Einige sagen, sie wären Influencer, haben aber nur 2000 Follower», sagt Hany. Ihn würden solche Anfragen amüsieren. Manchmal müsse er lauthals lachen, was für Personen sich als Influencer ausgeben. Noch lustiger sei, wenn ein Account mehrere Zehntausend Follower habe, aber bei jedem Beitrag nur etwa 200 Likes. «Die sind dann wahrscheinlich gekauft», ist der Chef der Bar am Wasser überzeugt.

Bar am Wasser, Zürich
Hier wollen Influencer etwas gratis: Bar am Wasser.Bild: Bar am Wasser, Zürich

«Solche Anfragen kommen immer mehr vor. Seit der Corona-Pandemie hat der Anteil von Influencern, die etwas gratis wollen, massiv zugenommen», sagt er. Mittlerweile erteile er allen Influencern dieselbe Absage. «Wir schreiben ihnen, dass es nicht zu unserer Strategie gehört.» Doch nicht alle würden sich damit geschlagen geben. «Einige versuchen, mit uns zu diskutieren. Sie erzählen uns von ihren vielen Followern und der Reichweite und versuchen so, doch noch etwas herauszuholen», sagt Hany. Als Gastronom müsse man dann streng bleiben.

Denn: «Gewisse Menschen versuchen mit einem Brecheisen in eine Influencer-Karriere reinzurutschen», sagt er. Dirk Hany stört sich vor allem an all den Minderjährigen, welche sich als Influencer ausgeben und etwas gratis wollen. «Die sollen lieber zuerst eine Lehre abschliessen, statt die Zukunft auf ihre 3000 Follower zu setzen», sagt er. Gern gesehen seien einzig zahlende Gäste, die auf ihrem Instagram-Kanal etwas posten. «Quasi ein Influencer, der bezahlt», sagt Hany.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet um die Zahlung abzuschliessen)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
26 Stammbeiz-Floskeln, die du nur in der Schweiz hörst
1 / 12
26 Stammbeiz-Floskeln, die du nur in der Schweiz hörst
bild: watson/shutterstock
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Wie kann man Salat pauschal nicht mögen?» - Koch macht bei «Wein doch» mit
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
161 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
jbm-t-mtr
26.01.2023 13:55registriert Juli 2022
«Die sollen lieber zuerst eine Lehre abschliessen, statt die Zukunft auf ihre 3000 Follower zu setzen»

Amen to that, brother!
4916
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlaf
26.01.2023 13:59registriert Oktober 2019
So als Influencer lebt man auf Kosten anderer, schmarotzt und geht möglichst easy durchs Leben (dem Anschein nach).
Natürlich ist der Lebensstyl interessant für Nachahmer, alles umsonst und nicht viel dafür tun.
Man muss auch eine gewisse Dreistigkeit besitzen, um so durchs Leben zu gehen, oder eher einen Lebensabschnitt.
1905
Melden
Zum Kommentar
avatar
Simih
26.01.2023 18:40registriert Oktober 2019
Ein wahrer Influencer sollte gehen, nichts über sich sagen, bezahlen wie alle anderen auch, um danach einen hochwertigen Bericht geben zu können. Alles andere ist niveauloses Betteln irgendwelcher arbeitsunwilligen Typen.
762
Melden
Zum Kommentar
161
Graubündner Kantonalbank bestätigt erstmals 60-Millionen-Kredit an Signa-Gruppe

Der Präsident der Graubündner Kantonalbank (GKB), Peter Fanconi, hat am Freitag die Gerüchte um einen 60-Millionen-Franken-Kredit bestätigt. Das Geld ging an die Signa-Gruppe des gestrauchelten Immobilienmoguls René Benko.

Zur Story