«Ich begreife selber nicht, wie mir ein solcher Fehler unterlaufen konnte.» Werner Erni, 75, sitzt am Küchentisch seines Hauses in Schupfart, schüttelt immer wieder den Kopf, wie er vom tragischen Zwischenfall erzählt, ringt um Fassung.
Vor gut einer Woche wollte er einen Fuchs erlegen, der seit einiger Zeit im Gebiet Fingärt herumschleicht – und erschoss «Wuschel», die 13-jährige Katze der Familie Schlienger, die sich im eigenen Garten sonnte (wir berichteten).
«Ich war mir absolut sicher, dass es ein Fuchs ist», sagt Erni im Gespräch mit der Aargauer Zeitung. Weil er wenige Minuten vorher einen Anruf erhalten hatte, dass sich in der Nähe von Schliengers Haus ein Fuchs herumtreibe. Weil die Katze so nahe am Zaun lag, dass der Draht die Haare aufstellte und das Fell so etwas zerzaust wirkte. Weil die Katze ganz zusammengerollt da lag und Erni weder Gesicht noch Schwanz sah. Weil er in einer optimalen Position war, um einen sicheren Schuss abgeben zu können. Eine Verkettung von Umständen, die zum fatalen Schuss führten.
«Ich stehe zu meinem Fehler und es tut mir unendlich leid», sagt Erni. «Ich verstehe mich selbst nicht.» Nein, es gehe ihm nicht gut, sagt er.
Er könne seither kaum schlafen, habe immer das Bild der Katze vor Augen, wie sie durch die Wucht des Schusses bewegt wurde und er ihr Gesicht sah. «Mir wurde schlecht und ich brauchte ein, zwei Minuten, um mich zu fassen.» Dann ging er zum Haus, sah Rudolf Schlienger und sagte zu ihm: «Hau mir eine links und rechts.»
Vor dem Haus wartete er auf die Polizei, gab alles zu Protokoll. Erni ist klar, dass ihm eine Busse droht, klar, dass er das Jagdpatent verlieren könnte. Das sei derzeit sekundär, «das sollen die Fachleute entscheiden».
Er übernehme die Verantwortung, was immer sie bringe. Ob er, kann er das Patent behalten, überhaupt wieder jagen will, weiss er nicht. «Die Frage, ob ich nach dem Vorfall dazu mental noch in der Lage wäre, kann ich heute nicht beantworten.»
Bei Familie Schlienger wollte er sich noch gleichentags mündlich entschuldigen, doch «die Emotionen haben es nicht zugelassen», wie er es umschreibt.
Sprich: Familie Schlienger wollte nicht mit ihm reden. «Ich verstehe das voll und ganz», sagt Erni. In einem Brief hat er sich daraufhin erklärt und hofft, «dass ich irgend einmal eine Antwort bekomme, dass wir uns später einmal aussprechen können».
Dass nun im ganzen Dorf hinter seinem Rücken getuschelt wird, «muss ich akzeptieren. Was bleibt mir anderes übrig?» Gegen einen Vorwurf wehrt sich Erni, der seit gut 20 Jahren jagt, aber vehement: «Ich bin kein rücksichtsloser Jäger, ich nehme die Jagd sehr ernst.» Wenn er auf die Jagd gehe und und nur den kleinsten Zweifel an der Schussabgabe habe, «dann schiesse ich nicht».
Erni reisst sich nicht darum, kranken Wildtieren, die sich ins Wohngebiet vorwagen, nachzugehen und zu erlegen. «Aber das ist Teil unseres Auftrags und dient der Sicherheit.» Denn auch Haustiere können sich mit der Fuchsräude oder dem Fuchsbandwurm anstecken.
«Wir haben in Schupfart ein Problem mit kranken Füchsen», sagt Erni. Mehrfach habe er auch aus dem Gebiet Fingärt, wo die Schliengers wohnen, Anrufe und Hinweise von Anwohnern erhalten, die einen krank wirkenden Fuchs gesehen haben. Einer ging gar durch ein Katzentürchen in eine Wohnung.
Erni verstummt, blickt auf die az vor ihm. «Ich würde den Schuss gerne rückgängig machen. Leider geht das nicht.»
(aargauerzeitung.ch)