Nach massiver Kritik und dem Austritt aus der SVP gibt die Aargauer Regierungsrätin Franziska Roth ihr Amt per Ende Juli ab. Die 55-jährige Roth teilte am Mittwoch mit, sie sei nicht mehr in der Lage, die von den Wählern in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Sie ist seit Anfang 2017 im Amt.
«Die Umstände meiner bisherigen Amtszeit haben mich erkennen lassen, dass ich im ganzen System nicht so tätig werden kann, wie ich es mir ursprünglich vorgestellt habe», heisst es in einer persönlichen Erklärung der Regierungsrätin.
Der Rücktritt falle ihr aus einem Grund schwer: «Ich will das in mich gesetzte Vertrauen nicht enttäuschen». Gerade dieses Vertrauen habe ihr Kraft gegeben, «auch die dunklen, enttäuschenden Momente meiner kurzen Zeit als Regierungsrätin und Departementsvorsteherin zu überstehen».
Sie bitte daher um Verständnis, «wenn das in mich gesetzte Vertrauen nun gebietet, den Aargauerinnen und Aargauern durch meinen Rücktritt zu ermöglichen, eine neue Person ihres Vertrauens zu finden». Die Regierungsrätin hatte an der Sitzung des Kantonsparlaments am Dienstag nicht teilgenommen - aus «gesundheitlichen Gründen» wie es hiess.
Roth war im November 2016 im zweiten Wahlgang für die SVP in den fünf Mitglieder zählenden Regierungsrat gewählt worden. Damit eroberte die SVP erstmals einen zweiten Sitz in der Regierung. Roth setzte sich überraschend und deutlich gegen Nationalrätin Yvonne Feri (SP) und Grossrätin Maya Bally (BDP) durch.
Roth übernahm das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) von ihrer Vorgängerin Susanne Hochuli (Grüne). Bereits kurz nach ihrem Amtsbeginn zeigte sich, dass die frühere Bezirksrichterin von Brugg und politische Quereinsteigerin Mühe hatte, sich ins Regierungsamt einzuleben. Sie fasste nie richtig Fuss. Es kam in ihrem Departement wiederholt zu Abgängen von Führungsleuten.
Im Kantonsparlament hatten FDP, CVP und Grüne Anfang März die Regierungsrätin massiv kritisiert. Die Parteien bemängelten in einer Erklärung das «mangelnde Vertrauensverhältnis» und die «Geringschätzung» gegenüber den Politikern.
Die SVP, die bei Sachentscheiden die eigene Regierungsrätin auch schon im Regen stehen gelassen hatte, wehrte sich nicht für Roth. Zahlreiche SVP-Grossräte zeigten vielmehr Verständnis für die Standpauke im Parlament.
Im April gab Roth vor den Medien ihren Parteiaustritt bekannt. Sie machte klar, dass sie genug habe von «diffusen Vorwürfen» vonseiten der Parteileitung der SVP Aargau.
Sie habe sich deshalb entschlossen, die Partei zu verlassen und als parteilose Regierungsrätin ihr Amt weiterzuführen, sagte sie damals. Die SVP bleibe jedoch ihre politische Heimat.
Die kantonale SVP reagierte gereizt auf die Scheidung. Wie Roth das Regierungsamt - nun sogar ohne helfende Partei - weiterführen wolle, sei der SVP schleierhaft. Ein Rücktritt vom Amt wäre für den Kanton Aargau das Beste. Man sehe ein, das Leistungsvermögen von Roth falsch eingeschätzt zu haben.
Der Rücktritt kommt nun offenbar selbst für die vier Regierungskollegen überraschend. Der Regierungsrat zeige Verständnis und bedaure die Entwicklung, die zu diesem Entscheid geführt habe, sagte Landammann Urs Hofmann (SP) vor den Medien.
Der Regierungsrat habe erst am Mittwoch im Laufe einer Sitzung vom Rücktritt erfahren. Frau Roth sei krank und könne ihre Amtsgeschäfte nicht ausführen, hielt Hofmann fest. Regierungsrat und Baudirektor Stephan Attiger (FDP) wird vorerst das Gesundheitsdepartement führen; Hofmann übernimmt die Abteilung Militär und Bevölkerungsschutz.
Die Kantonalparteien sind nun gefordert. Die Ersatzwahl für den freien Sitz in der Exekutive findet zusammen mit den eidgenössischen Wahlen am 20. Oktober statt.
Die SVP wollte sich nicht zum Rücktritt von Roth äussern. Man habe bereits alles gesagt und werde die Ausgangslage in aller Ruhe analysieren, sagte Parteisekretär und Grossrat Pascal Furer auf Anfrage. (aeg/sda)
Mutig, aber auch vernünftig. Eigentlich hat dieses Debakel in erster Linie die SVP zu verantworten. Frau Roth war von Anfang an zum Verheizen vorgesehen, weil die Voraussetzungen für die Wahl eines SVPlers zum damaligen Zeitpunkt höchst unwahrscheinlich waren. Ein Trauerspiel à la SVP findet endlich ein Ende. Gewinner gibt es dabei leider keine! Vielen Dank für Nichts, SVP!