«Mama, Papa, ich ziehe in eine WG»: Der Satz symbolisiert im Leben vieler jungen Menschen einen wichtigen Schritt hin zur Selbstständigkeit. Gerade für Personen in Ausbildung sind Wohngemeinschaften eine ideale Wohnform.
In einer Lebensphase, in der sowohl privat als auch bezüglich Ausbildungs- und Berufsperspektive vieles noch nicht endgültig feststeht, bieten WGs viele Vorteile: Die Kosten einer Wohnung lassen sich aufteilen, auch für Leute, die nicht mit dem Partner oder der Partnerin zusammenleben (wollen). Wer für das Studium in eine andere Stadt zieht, wird in einer Wohngemeinschaft Verständnis finden, wenn er nach ein paar Jahren wieder auszieht.
Doch nun ist das Konzept Wohngemeinschaft infrage gestellt, wenn man den Gegnern der Mietrechtsänderung zur Untermiete glaubt. Diese kommt am 24. November zur Abstimmung. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung sieht einerseits strengere formale Anforderungen bei der Einholung der Zustimmung zur Untermiete durch den Vermieter vor. Andererseits sollen Untermietverhältnisse grundsätzlich auf zwei Jahre beschränkt werden. Mit Zustimmung des Vermieters bleiben allerdings auch längerfristige Untermieten möglich.
«Die Einschränkung der Flexibilität rund um die Untervermietung ist eine echte Gefahr für Wohngemeinschaften von Studierenden», sagt Nadège Widmer, Co-Präsidentin des Verbands der Schweizer Studierendenschaften (VSS), dem Dachverband der Studierenden an den Schweizer Unis, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und den ETHs.
Die zeitliche Begrenzung der Untermiete betreffe Studierende stark, da sie so häufig wie kaum eine Gruppe in Untermietverhältnissen lebe, insbesondere in WGs. Die Untervermietung sei angesichts der Wohnungsknappheit von entscheidender Bedeutung, sagt Widmer. Sie ermögliche eine Aufteilung und Senkung der Wohnkosten und biete den Studierenden, deren Wohnsituation sich durch Praktika, Austauschprogramme und die kurze Dauer der Studiengänge häufig veränderten, die notwendige Flexibilität.
Die grosse Mehrheit der WGs funktioniere nach dem Prinzip, dass eine Person als Mieter im Vertrag und die anderen Bewohner in einem Untermietvertrag stehen, erläutert Nadège Widmer. Das bedeute, dass die Mitbewohnerinnen oft wechseln könnten und Wohngemeinschaften häufig länger als zwei Jahre existierten. «Die Möglichkeit des Vermieters dies danach zu verbieten, bringt die Machtverhältnisse zwischen Mietenden und Vermietenden durcheinander», kritisiert sie.
Patricia von Falkenstein, Nationalrätin der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) aus Basel-Stadt, sitzt für die FDP-Fraktion in der Rechtskommission, welche die Mietrechtsänderung vorberaten hat. Sie weist das Argument des Studierendenverbands scharf zurück: «Es geht nicht darum, Wohngemeinschaften zu verbieten oder Studierende leichter aus ihren Wohnungen zu werfen.»
Ziel der Mietrechtsänderung sei einzig und alleine mehr Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen im Dreiecksverhältnis zwischen Vermietenden, Mietenden und Untermietenden: «Davon profitieren alle Beteiligten gleichermassen.»
Von Falkenstein ist überzeugt, dass die angestrebte Änderung nicht zu einem Rückgang der Anzahl von Wohngemeinschaften führt. Schon heute seien WGs nur mit Zustimmung der Vermieterseite möglich: «Weshalb sollten die Eigentümer, die bisher gut mit Wohngemeinschaften leben konnten, nun wegen einigen kleineren formellen Anpassungen im Mietrecht plötzlich unzählige WGs auf die Strasse stellen?»
Genau diese Befürchtung jedoch hegt Nadège Widmer vom Studierendenverband. Für Studierende sei es bereits heute nicht einfach, in den Städten bezahlbare Wohnungen zu finden. Andere Bewerbungen würden ihnen häufig vorgezogen: «Wir müssen leider davon ausgehen, dass diese neuen Möglichkeiten die Situation noch schwieriger machen werden.»
Sukkurs erhält sie von Sarah Brutschin. Die auf Mietrecht spezialisierte Anwältin ist Vorstandsmitglied beim Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz: «Bei der letzten grossen Mietrechtsrevision von 1990 hat der Gesetzgeber die Untermiete als Recht definiert, das den Mietenden grundsätzlich zusteht und von der Vermieterschaft nur unter gewissen Bedingungen verweigert werden darf.»
Eine verweigerte Zustimmung ohne ausreichende Begründung sei unter dem geltenden Recht nicht durchsetzbar. «Dass die Untermiete nun auf zwei Jahre befristet und nachher ohne Begründung verweigert werden kann, hebelt Sinn und Zweck der Untermiete aus», warnt Brutschin. (aargauerzeitung.ch)