Am 24. November stimmen wir gleich über zwei Vorlagen ab, die das Mietrecht betreffen. Eine davon will es Eigentümerinnen und Eigentümern von Immobilien erleichtern, der Mieterschaft bei Eigenbedarf zu kündigen. Wir erklären dir, wie das genau funktioniert – und wer weshalb dagegen ist.
31.10.2024, 19:4701.11.2024, 09:16

Die Schlüssel sollen schneller ihren Besitz wechseln können – das fordert die Vorlage.Bild: Shutterstock
Was will die Vorlage?
Die zweite Mietrecht-Vorlage – im konkreten Wortlaut: Änderung des Obligationenrechts (Mietrecht: Kündigung wegen Eigenbedarfs) – will, dass es Eigentümerinnen und Eigentümern, die ihre Wohnung oder ihr Haus vermietet haben, einfacher gemacht wird, diese wieder selbst zu bewohnen. Man nennt dies auch die Geltendmachung von Eigenbedarf.
Wie ist es denn heute?
Ziemlich kompliziert, um ehrlich zu sein (zumindest für Nicht-Juristinnen). Um die rechtliche Situation in ihrer Gesamtheit zu erfassen, sind zunächst folgende Punkte wichtig:
- Eine Vermieterin kann ein Mietverhältnis jederzeit kündigen – unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen und Terminen. Theoretisch muss sie die Kündigung nicht begründen.
- Verstösst eine Kündigung nicht gegen Treu und Glauben, ist sie gültig.
- Kündigt die Vermieterschaft, kann der Mieter aber die Kündigung anfechten und/oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen. Liegt von der Vermieterschaft kein Kündigungsgrund vor, dann sind seine Erfolgsaussichten höher.
- Kann der Mieter zeigen, dass die Kündigung gegen Treu und Glauben verstösst – man spricht dann oft auch von einer missbräuchlichen Kündigung –, kann diese aufgehoben werden.
- Eigenbedarf gehört zu den klassischen Kündigungsgründen eines Vermieters.
Will eine Vermieterin nun wegen Eigenbedarfs künden, kann respektive muss sie dafür einen sogenannten dringenden Eigenbedarf für sich, für nahe Verwandte oder verschwägerte Personen geltend machen. Gemäss Rechtssprechung muss die Vermieterin diese Dringlichkeit aber selber nachweisen können. Kann sie das, dann liegt in der Regel auch keine missbräuchliche Kündigung vor.
Was würde sich bei einer Annahme der Vorlage ändern?
Die Vorlage will, dass die Eigentümerschaft einen Eigenbedarf einfacher und schneller geltend machen kann. Deshalb sollen die Voraussetzungen dafür geändert werden.
Konkret würde es bei einer Annahme genügen, wenn ein «bedeutender und aktueller» Eigenbedarf gegeben ist – statt, wie zuvor, ein «dringender». Das ist, so der Bundesrat, einfacher nachzuweisen.
Was heisst das für die Praxis?
Die von Bundesrat und Parlament vorgeschlagene Vereinfachung beim Eigenbedarf spielt gemäss Bundesrat in folgenden drei Fällen eine Rolle:
- 1. Eigentumswechsel: Wer eine Immobilie neu erwirbt, darf bei Eigenbedarf schon heute auf einen gesetzlichen Termin und mit der gesetzlichen Frist kündigen. Und zwar auch dann, wenn im bestehenden Mietvertrag eine längere Kündigungsfrist abgemacht war.
«Wenn die Regeln für den Eigenbedarf wie vorgeschlagen gelockert werden, können Käuferinnen und Käufer diese Möglichkeit häufiger nutzen», schreibt der Bundesrat. - 2. Kündigung bei Rechtsstreit: Grundsätzlich gilt heute: Wenn sich Eigentümer und Mieterin gemeinsam in einem laufenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahren befinden, darf der Eigentümer nicht kündigen. Dasselbe gilt auch während drei Jahren nach einem Verfahren, bei dem eine Einigung erzielt wurde oder die Eigentümerin oder der Eigentümer unterlegen ist.
Dieser Kündigungsschutz entfällt jedoch, wenn der Eigentümer Eigenbedarf geltend machen kann. Bei einer Annahme der Änderung geht der Bundesrat deshalb davon aus, dass dies künftig häufiger der Fall sein würde.
- 3. Mieterstreckung: Wenn eine Kündigung für eine Mieterin zum Härtefall wird, kann sie laut Mietrecht eine sogenannte Mieterstreckung beantragen. Allerdings berücksichtigt das Gericht bei seiner Entscheidung den Eigenbedarf aufseiten des Vermieters. Neu müsste das Gericht dabei nicht mehr dessen Dringlichkeit, sondern nur noch dessen Bedeutung und Aktualität beurteilen.
Was sind die Argumente der Befürworter?
Bundesrat und Parlament wollen, dass ein vermietetes Wohn- oder Geschäftsobjekt künftig schneller selbst genutzt werden kann, insbesondere nach dem Kauf einer Liegenschaft. Und die Voraussetzung für Eigenbedarf – er muss dringend sein – sei heute streng.
Das Argument dabei: Weil Mieterinnen und Mieter die Kündigung anfechten und dabei geltend machen könnten, dass der Eigenbedarf nicht dringend sei, könne es zu langen Rechtsverfahren kommen. Dies gelte es zu vermeiden.
Die Interessen der Mieterinnen und Mieter seien weiterhin geschützt, schreibt der Bundesrat. «Wenn die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer früher kündigt, als es der bestehende Vertrag gestattet hätte, so haftet die bisherige Vermieterin oder der bisherige Vermieter.» Dieser Anspruch aufseiten der Mieter bleibe unverändert bestehen, was die Auswirkungen der Vorlage auf die Mieterschaft mildern würde.
Wer ist dagegen?

Eine Allianz u. a. aus SP, Grünen und Gewerkschaften ist gegen die Vorlage.screenshot: mietrechts-angriff-nein.ch
Gegen die Vorlage wurde das Referendum ergriffen, weshalb sie am 24. November vors Volk kommt. Zum Referendumskomitee gehören unter anderen der Konsumentenschutz, die Gewerkschaften, der Verband der Schweizer Studierendenschaften, diverse Seniorenvereinigungen sowie SP und Grüne.
Was sind die Argumente der Gegnerinnen und Gegner?
In den Augen der Gegnerschaft stellt die Vorlage – zusammen mit der ersten Mietvorlage zur Untermiete – ein Angriff auf das Mietrecht dar.

Grosse Verfechterin des Mietrechts: Jacqueline Badran an der Pressekonferenz des Nein-Komitees.Bild: keystone
Zunächst wird argumentiert, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs bereits heute möglich sei. Eine Schwächung des Kündigungsschutzes sei daher ungerechtfertigt und ein neues Gesetz unnötig.
Aus Sicht der Gegnerschaft sind die Vermietenden mit den bestehenden Gesetzen bereits heute am längeren Hebel – eine Annahme beider Vorlagen würde dieses Ungleichgewicht noch weiter verstärken. Eine Schwächung des Kündigungsschutzes greife zudem «tief ins Sicherheitsbedürfnis der Mietenden» ein. Familien, ältere Menschen oder einkommensschwächere Personen seien künftig noch weniger gut geschützt als jetzt schon.
Gegnerinnen und Gegner der Vorlage vermuten hinter der Vorlage ausserdem einen Vorwand für einfachere Mietzinserhöhungen: «Schon heute wird der Eigenbedarf vorgeschoben, um einfacher zu kündigen. Das wahre Motiv: Bisherige Mieterinnen und Mieter loswerden und anschliessend die Wohnung teurer neu vermieten.»
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