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FDP-Präsident Thierry Burkart geht: Warum schon jetzt – und was bleibt?

KEYPIX - Thierry Burkart, FDP-AG, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 3. Juni 2025 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Wirkt erleichtert: FDP-Präsident Thierry Burkart geht. Das Amt war verbunden mit viel Druck.Bild: keystone
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Der liberale Brandstifter geht: Weshalb schon jetzt – und was bleibt?

Nach vier Jahren ist Schluss: FDP-Präsident Thierry Burkart gibt sein Amt im Oktober ab, obschon es ihm gerade viel Freude mache. Unter seiner Ägide hat die Partei pointierter kommuniziert und dennoch viele Wahlen verloren. Eine Bilanz.
03.06.2025, 19:4903.06.2025, 21:02
Doris Kleck, Léonie Hagen, Michael Graber / ch media
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Er wollte ein Brandstifter sein. In seiner Antrittsrede als FDP-Parteipräsident betonte Thierry Burkart, dass die Schweiz wieder mehr «liberales Feuer» brauche. Alle müssten kämpfen, dass sich dieses Feuer in den Städten und auf dem Land vermehrt entfache. «Es lebe die FDP, es lebe die Schweiz», schloss Burkart an der Delegiertenversammlung im Oktober 2021. Stehende Ovationen.

Diese gab es auch vier Jahre später, im Fraktionszimmer der FDP am Dienstagnachmittag. So berichtet es Thierry Burkart. Er hatte seinen Parteikollegen soeben eröffnet, dass er sein Amt im Oktober niederlegt. Früher als erwartet.

Zu einem liberalen Flächenbrand ist es unter seiner Führung nicht gekommen. Besonders das Ergebnis bei den letzten eidgenössischen Wahlen habe ihn «enttäuscht», gestand er vor den Medien. Es war das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Liberalen. Nur hauchdünn lag die FDP vor der Mitte. Spätestens jetzt drehte sich vieles um die Frage, ob und wie lange die Freisinnigen ihren zweiten Bundesratssitz halten können. Ein Debakel für eine Partei, die sich stets als staatstragend definiert hat.

Burkart suchte das Heil in einem stramm bürgerlichen Kurs. Während seine Vorgängerin Petra Gössi mit grünen Anliegen flirtete, streckte sich Burkart nach rechts. Verordnete der Partei einen deutlich schärferen Migrationskurs, wollte das AKW-Verbot wieder kippen und schreckte nicht vor markigen Worten zurück. Immer öfter griff Burkart zum Flammenwerfer, um das liberale Feuer anzuheizen.

Kurz sah es danach aus, als ob der neue Kurs auch elektoral Früchte tragen würde. Doch die Zugewinne bei den kantonalen Wahlen im Aargau und in Schaffhausen im letzten Herbst erwiesen sich als Strohfeuer. Es folgten deutliche Niederlagen diesen Frühling in den Kantonen Wallis, Neuenburg und Solothurn. Besonders bitter: In Solothurn verlor die FDP auch einen Regierungssitz.

Der Wecker steht für den neuen Kommunikationsstil

Ideologisch scharf rechts, methodisch links. Burkart bediente sich beim Vorgehen bei den Sozialdemokraten. Mit gezielten, gut gesteuerten Kampagnen aus der Parteizentrale (etwa im Bereich Bildung). Und als der Bundesrat ankündigte, Steuervorteile in der 2. und 3. Säule zu streichen, lancierten die Liberalen eine Petition. Gegen die eigene Finanzministerin.

Mit Jonas Projer installierte er als Generalsekretär einen Mann, der mit dem verbalen Zweihänder arbeitet. Dem ehemaligen Journalisten schrieb Burkart ins Aufgabenheft, pointierter zu kommunizieren. Projer setzt um: «Bundesrat Jans, bitte aufwachen» titelt die FDP eine Medienmitteilung. Der ehemalige «Arena»-Moderator erfand auch den berühmten Wecker, mit dem Burkart durch die Schweiz tingelte – und den er auch am Dienstag in jedem Statement platzierte. Die FDP sei die Partei für jene Leute, die «am Morgen den Wecker stellen». Die Finanz- und Wirtschaftspartei ist jetzt auch noch eine Büezer-Partei.

Rücktrittsgerüchte nach den Wahlen

Bei aller Härte und Entschlossenheit: Burkart litt auch unter dem Amt. Der Vorsitz der FDP ist einer der anspruchsvollsten in Bundesbern. Die Erwartungen sind hoch, die Fallhöhe auch. Büsst die Partei bei den kommenden Wahlen 2027 erneut Anteile ein, dürfte der zweite Bundesratssitz weg sein.

Der Druck hinterliess Spuren. Bereits nach den verlorenen eidgenössischen Wahlen 2023 habe Burkart ziemlich ermattet gewirkt, hiess es. Im Dezember jenes Jahres kursierten in der Partei Gerüchte, dass er den Bettel hinwerfen könnte. Er blieb. Auf Kritik reagierte er oft dünnhäutig. Die NZZ, das Stammblatt der FDP, geisselte er öffentlich.

Der Streit in der Partei hat Tradition

Ein «Wir-Gefühl» brauche es nun, sagte Burkart beim Antritt. Auch bei seiner Rücktrittsankündigung beschwor er mehrfach den Zusammenhalt. Gleichzeitig ist seine Partei in einer wichtigen Frage zerrissen: Das Europadossier spaltet die FDP. Burkart gehört zu den Skeptikern der Abkommen mit der EU. Er sprach von «unterschiedlichen Auffassungen», aber es haue ihn nicht um, «wenn wir mal einer Frage nicht alle die gleiche Meinung haben».

Kritischer beurteilt Politikwissenschaftler Michael Hermann den Zustand der FDP. Burkart hinterlasse seiner Nachfolge eine Partei, die vor der Zerreissprobe stehe. Und die einiges zu verlieren hat: Burkart hatte angekündigt, dass die FDP auf einen ihrer beiden Bundesratssitze verzichten werde, falls sie bei den nächsten Wahlen von der Mitte überholt würde. Das sei eine Hypothek für seine Nachfolge, so Hermann: «Er wird diese Aussage schliesslich nicht mehr selbst verantworten.»

Streit in der Partei habe eine gewisse Tradition. Auch Burkart habe 2021 eine sichtbar zerstrittene FDP übernommen, so Hermann. Der Aargauer versprach, Ruhe und Klarheit in die Partei zu bringen.

An den eigenen Erwartungen gescheitert

«Daran gemessen, ist sein Leistungsausweis nicht berauschend», sagt Michael Hermann. «Burkart scheiterte vor allem an seinen eigenen Ansprüchen.» Auch, weil die Erwartungen an die Führungspersonen in der Partei sehr hoch seien und sich die Erosion nicht nachhaltig habe stoppen lassen. Ein Stück weit sei es für die Partei ein Rückzieher im ungünstigsten Moment, so Hermann: «Der Kapitän verlässt das Schiff im schwierigsten Gewässer.»

Burkart sieht das freilich ganz anders. Das Schiff sei auf Kurs und in einem sehr guten Zustand. «Der Kapitän geht mit gutem Gewissen und einem guten Gefühl von Bord», sagte Burkart. Derzeit habe er «keine Ambitionen auf einen Bundesratsjob», versicherte er am Dienstag. Er wolle wieder vermehrt «Sachpolitik» machen und die Parteipolitik seinen Nachfolgern überlassen. Der Brandstifter mag nicht mehr zündeln. (aargauerzeitung.ch)

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Manawydan
03.06.2025 20:13registriert Oktober 2022
Thierry Burkard hat während der letzten vier Jahre etwas in mir ausgelöst, dass ich zuvor nicht für möglich gehalten hätte: Dass ich Petra Gössi einmal vermissen würde. Ich hoffe, sein*e Nachfolger*in bringt die Partei wieder auf einen rationaleren und von dem der SVP klar unterscheidbaren Kurs.
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Onyx
03.06.2025 21:12registriert Dezember 2014
Ein liberaler Flammenwerfer? Wohl eher ein libertär-konservativer Brandstifter mit viel populistischem Einschlag!
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Mutzli
03.06.2025 20:31registriert Dezember 2016
Finde es sehr passend, dass als Paradebeispiel für Burkarts Kommunikation ein "berühmter Wecker" herhalten muss, mit dem Burkart durchs Land gezogen sei...und von dem ich, als täglicher Zeitungsleser, noch nie gehört habe
:-D
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