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Warum Basel als einzige Schweizer Grossstadt nach rechts kippen könnte

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Im roten Basler Rathaus arbeitet der Regierungspräsident.Bild: shutterstock
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Arroganz der Linken: Warum Basel als einzige Grossstadt nach rechts kippen könnte

Alle grossen Schweizer Städte werden von der SP und den Grünen regiert. In Basel jedoch liegt ein Machtwechsel in der Luft. Wieso? Die Basler haben nicht genug von linken Rezepten. Grund ist ein anderer.
20.11.2020, 07:3120.11.2020, 15:03
Francesco Benini / CH Media
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In Bern hält die Linke vier von fünf Sitzen in der Stadtregierung. In Genf ebenso. In Lausanne besetzen linke Parteien sechs von sieben Sitze in der Exekutive. In Zürich sind es sechs von neun. Im Kanton Basel-Stadt aber könnten die Bürgerlichen im zweiten Wahlgang am 29. November eine Mehrheit erringen. Der Regierungsrat könnte nach rechts kippen.

Warum ist das so? Warum schert die drittgrösste Schweizer Stadt aus? Sind die Baslerinnen und Basler linker Rezepte überdrüssig? Haben Sie genug davon, dass Auto-Parkplätze Velospuren weichen? Dass der genossenschaftliche Wohnungsbau gefördert wird und die Steuern vergleichsweise hoch bleiben, damit der Staat seine Leistungen ausbauen kann?

Höhere Steuern für Gutverdiener

Nein. In den kommunalen Abstimmungen entscheiden die Basler zuweilen noch linker, als es die bisherige Regierung wollte. Für einen strikten Mieterschutz. Für Verkehrsberuhigungen. Und Gutverdiener müssen ­– wie es die Jungsozialisten forderten – mehr Steuern zahlen, obwohl die Staatsrechnung tiefschwarz ist, seit Jahren.

Was ist also los im Stadtkanton? Wenn die Politik der Exekutive nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, wo liegt der Grund?

Die dominante SP ist selbstherrlich geworden. Und mit ihr die Grünen. Beiden Parteien unterlaufen haarsträubende Fehler. Und Exponenten beider Parteien meinen, dass man um die Unterstützung der Wahlberechtigten nicht kämpfen müsse. Man darf mit ihr rechnen, ja man fordert sie sogar ein.

Erster Akt des Trauerspiels: das Regierungspräsidium. Warum wurde es 2009 überhaupt geschaffen? Elmar Ledergerber beeindruckte die Basler. Der Zürcher Stadtpräsident repräsentierte seine Stadt geschliffen, und er wirkte mit seinen Vorschlägen in die nationale Politik hinein. So einen wie Ledergerber wollte man am Rheinknie auch. Dann besuchte Klaus Wowereit Basel. Wow, der Wowereit! Der damalige Bürgermeister von Berlin beeindruckte den Verfassungsrat schwer. Nach seinem Vortrag war klar: Basel braucht ein Präsidialdepartement.

Die Regierungsräte der SP besetzten dann aber doch lieber die Departemente, in denen es mehr zu entscheiden gibt. Sie überliessen das Regierungspräsidium den Grünen.

Vom Regierungspräsidium überfordert

Guy Morin war ein eher steifer Repräsentant. Vorschläge für die nationale Politik kamen von ihm keine. Mit Elisabeth Ackermann wurde es 2017 noch schlimmer. Die grüne Politikerin machte in ihren Auftritten einen ungelenken Eindruck. Und sie schaffte es, in einem ihrer wenigen Dossiers, der Kultur, ein Durcheinander anzurichten. Gleich mehrere Basler Museen rutschten in finanzielle und personelle Schwierigkeiten. Basel gibt viel auf den Ruf als Kulturstadt. Der Unmut über Ackermann wuchs.

ARCHIVBILD ZUR MELDUNG, DASS ELISABETH ACKERMANN NICHT ZUM ZWEITEN WAHLGANG FUER DEN REGIERUNGSRAT BASEL-STADT ANTRITT, AM DIENSTAG, 27. OKTOBER 2020 - Regierungspraesidentin Elisabeth Ackermann (BS)  ...
Stürzte ab: Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann.Bild: keystone

Am 25. Oktober wurde sie durchgereicht auf der Liste der Anwärter. Sieben Sitze gibt es in der baselstädtischen Regierung; Ackermann landete auf dem neunten Platz. Ein Debakel. Die Führungsgremien von SP und Grünen wirkten entgeistert. Seit 16 Jahren – dem Wechsel von Rechts zu Links – waren ihre Kandidaten mehr oder weniger im Paket gewählt geworden. Dass ein Bewerber von der Liste gestrichen wird, das war nicht vorgesehen.

Den Grünen war klar, dass sie Ackermann fallenlassen mussten. Aber sie hatten sich nicht vorbereitet für diesen Fall. Weit und breit gab es keinen Ersatz. Da sprang Heidi Mück in die Lücke. Sie gehört zur Splitterpartei Basta (Basels starke Alternative) und steht so weit links, dass es sogar Sozialdemokraten mulmig wird.

Mück findet, man könne darüber nachdenken, die Basler Pharmaindustrie zu verstaatlichen. Wenigstens einen Teil. Mück erklärt, dass das Justizdepartement für sie nicht geeignet sei, weil sie «ein schwieriges Verhältnis mit Polizisten» habe. Mück unterzeichnete einen Aufruf zum Boykott für Waren aus Israel.

Die SP will nicht zurückstehen mit Peinlichkeiten. Regierungsratskandidat Kaspar Sutter regt an, dass das Präsidialdepartement aufgewertet werden soll mit der Zuständigkeit für Umweltbelange – aber nur wenn Parteikollege Beat Jans Regierungspräsident werde, sonst nicht. Die SP bemühte sich umgehend um eine Verwedelung, aber das Lokalfernsehen hatte Sutter bei seiner Verirrung gefilmt. Wir Sozialdemokraten basteln uns die Regierung, wie sie uns passt, und die anderen Parteien sollen schauen, wo sie bleiben – so die Haltung des langjährigen Staatsbeamten.

Kaspar Sutter, Kandidat fuer die Regierung (neu), an einer Medienkonferenz der Gruenen Basel-Stadt und der SP Basel-Stadt zum Auftakt der gemeinsamen Kampagne zu den Regierungswahlen in Basel am Mittw ...
Anmassend: Regierungsratskandidat Kaspar Sutter (SP).Bild: keystone

Sutter verkündete auch bereits, welches Departement er selber übernehmen wolle, falls er gewählt wird. Das ist völlig unüblich und zeigt, wie anmassend die Basler SP geworden ist. Können die Bürgerlichen die Chance nutzen?

Die Juristin Stephanie Eymann von den Liberaldemokraten verfehlte im ersten Wahlgang den Sprung in die Regierung nur ganz knapp. Es wäre eine Überraschung, wenn sie es nun nicht schaffte. Der Freisinnige Baschi Dürr, amtierender Justiz- und Sicherheitsdirektor, bangt hingegen um seine Wiederwahl. Er gilt als eher distanziert und hat sich den Ruf erworben, dass er lange zuschaut, wenn es in seinem Departement Probleme gibt.

Dem Stadtkanton fehlt es an Dynamik

Profitieren könnte Esther Keller von den Grünliberalen. Schon im Kantonsparlament gibt die GLP den Ausschlag, ob Links oder Rechts obsiegen. Im Regierungsrat könnte bald Keller diese Rolle zukommen.

Die vormalige Journalistin und heutige selbständige Kommunikatorin trifft einen Nerv mit der Aussage, dass es Basel und seiner Regierung an Dynamik fehle. Dem Stadtkanton geht es nicht schlecht. Mit ihren Steuerabgaben füllen Novartis und Roche die Staatskasse; sie erzielte 2019 einen kolossalen Überschuss von 746 Millionen Franken. Die Regierung verwaltet den Erfolg und geht die Erschliessung vormaliger Industrieareale für neue Nutzungen wenig beherzt an. Die SP will mehr Geld ausgeben und fordert nun Gratis-Kitas für alle.

Was ist die Lehre aus Basel für die Bürgerlichen in anderen Schweizer Städten? Wie erringt man die Mehrheit in der Regierung oder kommt wenigstens nahe an einen Machtwechsel? Liberale, Freisinnige und Christlichdemokraten spannen in Basel nicht mehr mit der SVP zusammen. Das erhöht die Wahlchancen in der Mitte. Die Volkspartei ist im Grenzkanton nach internen Querelen ohnehin zurückgefallen.

Bürgerliche Ansätze haben es in den grossen Schweizer Städten schwer. Die Parteien zur Rechten müssen warten, bis die erfolgsverwöhnte Linke über ihre Arroganz stolpert. Wie in Basel.

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126 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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benn
20.11.2020 08:01registriert September 2019
Na ja solange in basel die pharma und in zürich die banken die finanziellen eskapaden der regierung funanzieren steht links gut da, und in bern verlässt man sich auf den finanzausgleich, da braucht es keine harten einschnitte und man kann gross links aufspielen!
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franzeen
20.11.2020 08:13registriert September 2018
Klingt mehr nach einem Problem von falschen Personen als falsche Parteien..
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Der Buchstabe I (Zusammenhang wie Duschvorhang)
20.11.2020 08:14registriert Januar 2020
"Liberale, Freisinnige und Christlichdemokraten spannen in Basel nicht mehr mit der SVP zusammen. Das erhöht die Wahlchancen in der Mitte."

Finde ich gut. Die Arroganz der grossen Aussenparteien geht mir schon lange auf den Sack.

Weniger Rassismus und weniger Utopiegeträume, dafür mehr Dialog und gesunder Menschenverstand!
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