Evi gegen Eva: Was für und gegen die SP-Kandidatinnen spricht
Erst Evi und dann Eva: Am Mittwochabend gab die Berner Regierungsrätin Evi Allemann ihre Bewerbung für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga bekannt. Die Basler Ständerätin Eva Herzog tat es ihr am Donnerstagmorgen gleich. Sie hatte die Medien nach Bern geladen – ein klares Indiz dafür, dass sie antreten würde.
Die Frist läuft noch bis zum 21. November. Es ist möglich, dass sich weitere Anwärterinnen melden werden (im Gespräch sind Elisabeth Baume-Schneider und Edith Graf-Litscher). Vielleicht stellt sogar die Zürcher SP eine Frau auf, um den «Sololäufer» Daniel Jositsch auszubremsen. Aber vieles deutet auf einen Zweikampf zwischen Evi und Eva hin.
Der Parteileitung wird ein Stein vom Herzen fallen. Zuvor hatten mehrere potenzielle und valable Kandidatinnen abgesagt. Jetzt stehen mindestens zwei Frauen zur Verfügung, denen man Bundesratsformat attestieren kann. Aber ansonsten hat sich die SP-Führung mit ihrer frühzeitigen Festlegung auf ein reines Frauenticket grandios verzockt.
Jositschs cleveres Kalkül
Es war blauäugig, die Männer auszuschliessen und Bewerbungen aus allen Landesteilen zuzulassen, obwohl bereits drei «Lateiner» im Bundesrat sitzen. Taktisch wäre es klüger gewesen, das Rennen offen zu lassen. Die Fraktion hätte immer noch ein reines Frauenticket beschliessen können. Jositsch hätte dieses Verdikt zwangsläufig akzeptieren müssen.
So aber kann sich der ehrgeizige Ständerat als Diskriminierungsopfer inszenieren. Es war ein cleveres Kalkül, denn Jositsch hat kaum etwas zu verlieren. Er ist für die SP viel zu wichtig, denn die Partei muss im nächsten Jahr den Verlust mehrerer Sitze in der kleinen Kammer befürchten. Und eine Chance bei der Wahl im Dezember hat er ohnehin nicht.
Kein Märtyrerbonus für die SP
Allenfalls kann er mit bürgerlichen «Proteststimmen» rechnen, doch das Parlament wird sich an die Vorgabe der SP halten, um der Partei knapp ein Jahr vor den Wahlen keinen «Märtyrerbonus» zu verschaffen. Damit könnte es am 7. Dezember zum Duell zwischen Evi Allemann und Eva Herzog kommen. Was spricht für und was gegen sie?
Evi Allemann
Alter: 44 Jahre
Ausbildung: Jus-Studium mit Lizenziat
Politik: 2003–2018 Nationalrätin
seit 2018 Vorsteherin der Direktion für Inneres und Justiz des Kantons Bern
Familie: ein Sohn (12) und eine Tochter (7), lebt in einer Patchwork-Familie
Pro
- Es gab noch nie eine Bundesrätin mit schulpflichtigen Kindern. Allemann würde dieses «Manko» beheben.
- Im Nationalrat war sie breit aufgestellt und käme auch für «unbeliebte» Departemente wie EJPD oder VBS infrage.
- Als Mitgründerin der Reformplattform neben Daniel Jositsch und Pascale Bruderer gehörte sie zum rechten SP-Flügel und ist damit auch für Bürgerliche wählbar.
Contra
- In ihrer langjährigen Politkarriere ist Allemann nie besonders aufgefallen.
- Sie sitzt seit vier Jahren nicht mehr im Nationalrat. Viele kennen sie nicht oder kaum.
- Am 7. Dezember ist der SVP-Sitz von Ueli Maurer zuerst an der Reihe. Schafft es Topfavorit Albert Rösti, wird die Bundesversammlung kaum nochmals jemanden aus dem Kanton Bern wählen. 2010 gab es zwar eine Berner «Doppelwahl» mit Sommaruga und Johann Schneider-Ammann, aber eine Wiederholung ist schwer vorstellbar.
Eva Herzog
Alter: 60 Jahre
Ausbildung: Studium der Geschichte, Wirtschaftswissenschaften und Spanisch, Dr. phil
Politik: 2005–2020 Vorsteherin des Finanzdepartements des Kantons Basel-Stadt
seit 2019 Ständerätin
Familie: zwei erwachsene Söhne, lebt in einer Beziehung
Pro
- Sie war schon als Basler Finanzdirektorin eine national bekannte Persönlichkeit und kann einen beachtlichen Leistungsausweis vorweisen.
- In Steuerfragen hatte sich Herzog mit der eigenen Partei angelegt. Mit ihrem Einsatz für Soziales und Gleichstellung kommt sie aber auch beim linken SP-Flügel gut an.
- Sie vertritt eine Region, die trotz ihrer Wirtschaftskraft (die Region Basel ist Hauptstandort der Pharmabranche) seit fast 50 Jahren nicht mehr im Bundesrat vertreten war.
Contra
- Am Weihnachtstag wird Eva Herzog 61 Jahre alt. Eine Verjüngung des Bundesrats wird es mit ihr nicht geben.
- Sie gilt als eher distanziert. Die Sympathien fliegen ihr nicht unbedingt zu.
- Bei den Bürgerlichen könnte es Vorbehalte gegen das rotgrüne Basel geben, das eine stärkere Bindung zu den Nachbarn in Deutschland und Frankreich hat als zum Rest der Schweiz.
Unter dem Strich spricht einiges für die Wahl von Eva Herzog. Es kommt dabei auch auf die SVP an. Am Freitag fällt ein Vorentscheid. Die Findungskommission wird der Fraktion ihren Wahlvorschlag unterbreiten. Bleibt Rösti im Rennen, ist er fast schon gewählt. Und Evi Allemann müsste als Bernerin ihre Ambitionen vermutlich begraben.
Das von den Medien gepushte Argument, es brauche eine junge Mutter im Bundesrat, muss man hinterfragen. So hinkt der Vergleich mit ausländischen Vorbildern wie Sanna Marin und Jacinda Ardern. Die Schweiz hat ein anderes System. Unsere Regierung besteht salopp formuliert aus sieben Chefinnen und Chefs, die auch noch Fachministerien leiten.
Entsprechend gross ist das Arbeitspensum. Natürlich gibt es Beispiele wie Moritz Leuenberger, der das «Tagesgeschäft» weitgehend seinem Generalsekretär Hans Weder überlassen hatte. Oder den «Home-Office-Bundesrat» Didier Burkhalter. Aber gerade Frauen klagen nicht zu Unrecht häufig, dass sie härter beurteilt würden als Männer.