Swisscom statt Steuerzahler: FDP präsentiert brisanten Armee-Vorschlag
Der Armee mehr Geld geben, indem man die Schuldenbremse torpediert? Wie es inzwischen selbst SVP-Ständerat Werner Salzmann erwägt – mit einer Sonderfinanzierung? Das will die FDP auf keinen Fall. Co-Präsident Benjamin Mühlemann: «Es ist erschreckend, dass inzwischen sogar in der SVP die Idee kursiert, die Schuldenbremse zu lockern.»
Oder eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,5 Prozentpunkte für die Armee, wie sie der Bundesrat erwägt? Auch das will die FDP unbedingt verhindern. «Es ist offenbar en vogue, dass man Geld für neue Vorhaben mit Steuererhöhungen aus dem Portemonnaie der Steuerzahler abholen will, wie bei der AHV und bei der Armee», sagt Co-Präsident Mühlemann. «Und das, noch bevor das Parlament seine Hausaufgaben beim Entlastungspaket gemacht hat.» Das verstehe die Bevölkerung nicht. «Sie würde heute eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in einer Abstimmung ablehnen.»
Dass die Armee mehr Geld braucht, ist allerdings in der FDP weitgehend unbestritten. «Wir müssen unsere Armee dringend verteidigungsfähig machen, brauchen eine Offensive zur Drohnenabwehr und generell zur Verteidigung gegen Angriffe aus der Luft», sagt FDP-Ständerat und Sicherheitspolitiker Josef Dittli. «Dafür reicht der ordentliche Budgetweg nicht aus. Es braucht nun kreative Finanzierungslösungen.»
Nur: Wie soll das gehen, ohne Steuererhöhung und ohne Lockerung der Schuldenbremse? Daran haben sich bürgerliche Sicherheitspolitiker bisher die Zähne ausgebissen. «Irgendwo muss es weh tun», sagt Ständerat Dittli. «Die Frage ist nur: Wo tut es mehr weh?»
Er hat einen kreativen Weg gesucht, der aus freisinniger Sicht weniger schmerzhaft ist. In seiner Motion «Sicherung strategischer Investitionen für die Armee bis 2035» skizziert Dittli ein Drei-Säulen-Prinzip. Mit ihm will er eine Finanzierungsreserve für strategische Investitionen für die Armee in Rüstung, Infrastruktur und Ausbildung erreichen – in der Höhe von 10 Milliarden Franken.
Dittli hat die Motion am Donnerstag eingereicht. Die FDP-Spitze unterstützt die Ideen des Ständerats, der betont, er präsentiere damit «eine Grundidee». Dittli: «Der Bundesrat soll sie prüfen und auch eigene Vorschläge einbringen.»
Dittlis Drei-Säulen-Prinzip sieht erstens einen Verkauf von Swisscom-Aktien vor. Zweitens soll ein Teil der jährlichen Gewinnausschüttungen der Nationalbank an den Bund für die Armee verwendet werden. Und drittens soll für diese Gelder ein zweckgebundener Fonds geschaffen werden.
1. Säule: Verkauf von Swisscom-Aktien
«Der Bundesrat soll den Verkauf von 17 Prozent der Swisscom Aktien prüfen», sagt Dittli. Der Bund hält heute mit 51 Prozent der Aktien die Mehrheit an der Swisscom. Private Anleger wie UBS, Blackrock, Norges Bank Investment Management und ZKB halten 31 Prozent und institutionelle Anleger 18 Prozent der Aktien.
Bei einer Marktkapitalisierung haben die Swisscom-Aktien heute einen Wert von total 29,4 Milliarden Franken. Die 51 Prozent der Aktien, die der Bund hält, entsprechen damit in etwa 15 Milliarden Franken. Dittli denkt daran, 17 Prozent oder ein Drittel der Swisscom-Aktien des Bundes zu verkaufen. «Das entspräche fünf Milliarden Franken», sagt er.
Wichtig ist dem Ständerat, dass der Bund mit 33,333 Prozent und einer Aktie weiterhin die Sperrminorität an der Swisscom behält. Das Unternehmen ist sicherheitsrelevant für die Kommunikation in der Schweiz und stellt auch die Grundversorgung im Land sicher. «Mit der Sperrminorität kann der Bund nach wie vor einen starken Einfluss geltend machen», betont Dittli. «Er behält das Veto-Recht bei den wichtigsten Entscheiden.»
2. Säule: Nationalbankgewinne an den Bund
Im Schnitt erhält der Bund zwischen 0,5 und einer Milliarde Franken Gewinnausschüttungen pro Jahr von der Nationalbank. Dittli denkt daran, davon 500 Millionen pro Jahr in einen zweckgebundenen Fonds für die Armee umzuleiten. Das entspräche fünf Milliarden in zehn Jahren.
3. Säule: Ein zweckgebundener Fonds
Um die Investitionen der Armee mit den Geldern der Swisscom-Aktien und der Nationalbankgewinne zu steuern, will Dittli einen zweckgebundenen Fonds oder ein Spezialkonto schaffen. Als Vorbild dafür hat er den Bahninfrastrukturfonds BIF oder den Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds NAV im Auge.
Über den Fonds sollen grosse Rüstungsvorhaben und Infrastrukturprogramme der Armee finanziert werden. «Dies entkoppelt die strategischen Investitionen von den jährlichen Budgetschwankungen und gewährleistet, dass die Schuldenbremse eingehalten wird», schreibt Dittli in der Begründung der Motion. «Die Ausgaben sind durch bestehendes Bundesvermögen oder laufende Einnahmen gedeckt.»
Dittlis kreativer Weg für «eine substanzielle Finanzierungsreserve» reiht sich in eine Vielzahl von Vorschlägen ein. Mitte-Ständerätin Marianne Binder will die gesetzlichen Grundlagen schaffen für die Errichtung eines befristeten, mit Fremdmitteln finanzierten Armeefonds. SVP-Ständerat Werner Salzmann schlägt eine Drei-Pfeiler-Lösung mit ordentlichem Armeebudget, Entlastungspaket und Sonderfinanzierung vor. Und auch die Allianz Sicherheit Schweiz arbeitet an einer Fondslösung für die Armee.
Der Weg, den die FDP einschlägt, ist brisant. Die Partei, die mit Finanzministerin Karin Keller-Sutter und Aussenminister Ignazio Cassis zwei Bundesratsmitglieder hat, stellt sich damit frontal gegen die Regierung. Diese will nämlich die Mehrwertsteuer für die Armee um 0,5 Prozentpunkte erhöhen. Das ist für die FDP ein No-go. Ob die FDP-Bundesratsmitglieder Dittlis Vorschlag kennen, ist unklar. Recherchen zeigen aber, dass zumindest Karin Keller-Sutters Umfeld informiert wurde. (aargauerzeitung.ch)
