Apple piesackt Twint-Nutzer – jetzt will sich die Schweizer Firma wehren
Das iPhone zücken, zweimal die Seitentaste antippen, ans Kartenterminal halten – fertig. Als so simpel preist der US-Konzern Apple seine Bezahltechnologie an. Der Haken: Die Funktion steht in der Schweiz nur Nutzern offen, die ihre Debit- oder Kreditkarte bei Apple Pay hinterlegt haben.
Anbieter anderer digitaler Brieftaschen oder auch Twint können nur kostenpflichtig darauf zugreifen. Erst dann schaltet Apple für sie den Zugang zur sogenannten NFC-Schnittstelle (Near Field Communication) frei. Aufgrund der Kosten lässt sich kein hiesiger Akteur darauf ein. Die Absicht des Technologieriesen ist durchsichtig: Die Kundschaft soll Apple Pay nutzen – oder Gebühren abliefern.
Vor einem Jahr hat die EU der Apple-Blockade einen Riegel geschoben. Zuvor war der Konzern noch weitergegangen. Er verlangte keine Gebühren, sondern verweigerte Dritten generell den NFC-Zugang. Die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, stellte klar: Apple schirme so seine eigene digitale Brieftasche «in unfairer Weise» ab. Das schade den Konsumenten und sei illegal.
Um einer Strafe zu entgehen, krebste Apple zurück und gibt seither seine NFC-Technologie kostenlos frei. Dieses Zugeständnis gilt allerdings nur für den EWR-Raum. In der Schweiz können Unternehmen wie Twint zwar seit Ende des letzten Jahres NFC-basierte Lösungen entwickeln. Doch sie müssen dafür eine Gebühr abliefern, weil Apple den Zugang an sein eigenes sogenanntes Secure-Element koppelt.
Twint kritisiert «Finte» von Apple
Das sorgt insbesondere beim Schweizer Vorzeigeunternehmen Twint für Frust. Ein Sprecher bezeichnet die Taktik des Silicon-Valley-Riesen als «Finte, um in der Schweiz bei Nutzung der NFC-Schnittstelle mitverdienen zu können». Besonders stossend sei, dass Apple Gebühren für eine Technologie verlange, die der Konzern gar nicht selbst entwickelt habe.
«Das ist etwa vergleichbar damit, wenn Apple von App-Entwicklern Gebühren für die Nutzung von Bluetooth oder das Scannen von QR-Codes verlangen würde», so der Sprecher. Insgesamt verschaffe sich Apple einen Wettbewerbsvorteil und verteuere das mobile Bezahlen hierzulande.
Twint prüft derzeit «rechtliche Möglichkeiten». Der Anbieter ist nicht allein: «Wir haben Kenntnis von anderen Unternehmen aus der Schweiz, die ebenfalls an einem Zugang interessiert sind.» Twint verspricht sich viel von der Technologie.
Man wisse, dass eine Mehrheit der Kundschaft dies begrüssen würde.
Weko soll aktiv werden
Hoffnung setzt Twint auf die Schweizer Wettbewerbskommission (Weko). «Es liegt unserer Ansicht nach an der Weko, die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen und den Zugang zur NFC-Schnittstelle von Apple-Geräten zu den gleichen Bedingungen wie in der EU auch in der Schweiz durchzusetzen.»
Dabei verweist Twint auf eine Antwort des Bundesrats zur Interpellation von FDP-Ständerat Damian Müller. Er hatte im September beklagt, dass der Schweizer Zahlungsverkehr «sich im Griff von US-Giganten» – sprich Apple – befinde. Dabei wollte Müller auch wissen, inwiefern ein solches Verhalten das Schweizer Kartellrecht verletze. Die Antwort der Regierung: Ja, es kann.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Während die EU spezifische Regeln für den Big-Tech-Sektor erlassen hat, gibt es in der Schweiz keine Bestimmung, dass Apple seinen Zugang kostenlos freigeben muss. «Inwiefern Kostenlosigkeit des Zugangs zu einer Schnittstelle, Technologie oder zu Daten gestützt auf das aktuelle Kartellgesetz durchgesetzt werden kann, muss in jedem Fall einzeln geprüft werden», schreibt die Weko auf Anfrage von CH Media.
Störmanöver und Boykotte
Arbeiten die Wettbewerbshüter aktuell daran, diesen Punkt unter die Lupe zu nehmen? Die Behörde hält sich bedeckt. Auf Anfrage heisst es, das Weko-Sekretariat überprüfe kontinuierlich die Wettbewerbs- und Marktverhältnisse in der Schweiz, so auch im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Öffentlich bestätigen muss die Weko nur, wenn sie eine Untersuchung eröffnet hat. Und das sei aktuell nicht der Fall.
Die Wettbewerbshüter betonen weiter, dass sie in der Vergangenheit immer wieder im Zahlungsverkehr aktiv geworden seien. 2018 stand bereits einmal ein Streitfall zwischen Apple und Twint im Fokus. Damals hatte Apple seine Geräte so programmiert, dass in der Nähe eines Bezahlterminals automatisch Apple Pay aufstartete – und so den Bezahlvorgang via Twint abwürgte.
Als die Weko eine Vorabklärung einleitete, verzichtete Apple auf das Störmanöver und unterdrückte bei Twint-Zahlungen fortan seine eigene Bezahllösung. Die Weko stellte daraufhin ihre Abklärung ein.
Doch die Wettbewerbshüter ermitteln auch in die andere Richtung. Ebenfalls 2018 eröffneten sie eine bis heute laufende Untersuchung gegen Schweizer Banken. Der Verdacht: Die Finanzinstitute, darunter einige Twint-Eigentümer, würden Apple Pay und Samsung Pay boykottieren, indem sie ihre Kreditkarten nicht freigeben. Damit wollten sie die Schweizer Lösung Twint bevorzugen. Mittlerweile haben die Banken damit aufgehört.
Die Episoden zeigen, wie hart der Kampf um die Vorherrschaft im digitalen Zahlungsverkehr geführt wird. Am Donnerstag erreicht die Debatte den Ständerat. Jedenfalls ist die Interpellation von FDP-Politiker Damian Müller traktandiert. Er warnte in seinem Vorstoss, die Schweiz werde zu einer Hochpreisinsel für mobiles Bezahlen und hänge zunehmend von US-Technologiekonzernen ab. Das könne nicht im wettbewerbspolitischen Interesse der Schweiz liegen.
Apple reagierte nicht auf eine Anfrage von CH Media. (aargauerzeitung.ch)
