Je näher der Wahltermin, desto schärfer der Tonfall in der Asylpolitik. Diese Faustregel gilt längst nicht mehr nur für die SVP. Jüngstes Beispiel: die Christlichdemokraten. Die Partei stellte gestern ein «weitgehendes Bargeldverbot» für Asylsuchende sowie eine allgemeine Arbeitspflicht ohne Entlöhnung zur Diskussion. Die Idee dahinter: Wenn Asylbewerber statt Bares nur noch Sachleistungen und Gutscheine erhalten, können sie ihren Familien in der Heimat keine Mittel aus Schweizer Staatskassen mehr überweisen.
Das bei der Arbeit verdiente Geld würde direkt in einen nicht näher umschriebenen «Fonds für das Flüchtlingswesen» fliessen. Ausgedacht hat sich die Vorschläge eine Gruppe von CVP-National- und Ständeräten, die in den staatspolitischen Kommissionen des Parlaments Asylpolitik betreibt: Sie schreiben von «rasch wirksamen Massnahmen, um der Situation im Inland Herr zu werden».
Die meisten CVP-Parlamentarier erfuhren erst gestern aus der «NZZ am Sonntag» vom Diskussionspapier. Nicht alle zeigten sich begeistert. Nationalrat Martin Candinas (CVP, Graubünden) bezeichnet die Stossrichtung der Forderungen als richtig, im Detail müsse man diese aber noch diskutieren. «Sonst wird es populistisch», sagt er. Fraglich sei vor allem, wer die Asylsuchenden beschäftigen wolle. Die Gemeinden etwa zeigten schon heute wenig Interesse an Migranten als Arbeitskräfte. Auch Nationalrat Christian Lohr (CVP, Thurgau) zweifelt, ob es genug Nachfrage gibt.
«Wir müssen aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, wir wollten diese Leute für billige Arbeit missbrauchen.» Der Forderungskatalog sei wohl auch ein Versuch, im Wahlkampf aufzutrumpfen. «Man will den Puls der Leute treffen.»
Der Obwaldner Nationalrat Karl Vogler (CSP) sagt: «Ich finde, man muss aufpassen, dass man im Hinblick auf die Wahlen nicht hyperventiliert und der SVP hinterherläuft.» Die Erfahrung zeige, dass Verschärfungen alleine selten etwas brächten. «Man sollte zuerst einmal die Asylgesetzrevision abwarten. Dann kann man schauen, wo es Handlungsbedarf gibt.»
Ständerat Urs Schwaller (CVP, Freiburg), einer der Autoren der kontroversen Vorschläge, weist die Kritik aus den eigenen Reihen zurück. «Wir versuchen einen Beitrag zu leisten, um die Attraktivität der Schweiz für Wirtschaftsflüchtlinge zu senken.» Einfach nichts zu tun, sei keine Lösung. Man wolle nicht den Umfang der Leistungen senken, sondern nur die Form der Auszahlung. Dass ein Asylsuchender arbeite, sei zumutbar. «Es kann nicht sein, dass jemand während Monaten und Jahren nichts tut.»
Fraglich ist, ob die Forderungen der CVP-Migrationspolitiker rechtlich umsetzbar sind. Stefan Schlegel, Jurist und Mitbegründer des aussenpolitischen Think Tanks Foraus, sagt, eine generelle Arbeitspflicht im Asylbereich stelle «sehr wahrscheinlich» einen Verstoss gegen die europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) dar. «Die EMRK verbietet Zwangsarbeit mit wenigen Ausnahmen. Erlaubt ist sie beim Militärdienst, bei Arbeit im Rahmen eines Freiheitsentzugs oder bei Katastropheneinsätzen.»
Wenn der Staat indes auf Arbeit von Asylbewerbern zurückgreife und dafür nichts bezahle, so verletze dies auch zahlreiche Verfassungsgrundsätze. Ebenfalls wenig Freude an den CVP-Vorschlägen hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Deren Sprecher Stefan Frey sagt: «Mir scheint, die Leute hinter diesen Forderungen lassen sich von der SVP wie eine Sau durchs Dorf treiben.»