Lange ist's her, dass Städte als «Ghettos» galten für Arme, Alte, Arbeitslose, Ausländer und andere A-Typen. Heute zieht es die Menschen in die urbanen Zentren. Corona hat diesen Trend gebremst, aber nicht gestoppt. Die Folgen sind auf dem Wohnungsmarkt spürbar. In den Städten sind die Mieten stark gestiegen und teilweise regelrecht explodiert.
Das hat auch mit renditegetriebenen Investoren zu tun. Ganze Überbauungen werden saniert oder abgerissen und neu gebaut. Danach werden sie zu wesentlich höheren Preisen neu ausgeschrieben. Das Nachsehen haben bisherige Mieterinnen und Mieter, die teilweise seit Jahrzehnten zu günstigen Konditionen dort gelebt haben und ausziehen mussten.
Beispiele sind der Brunaupark in Zürich und zwei Hochhäuser am Schorenweg in Basel. Im Stadtkanton sorgen die hohen Mieten seit Jahren für rote Köpfe. 2018 wurden gleich vier Mieterschutz-Initiativen angenommen. Und nun folgt am 28. November die nächste Auflage in Form einer weiteren Volksinitiative des Mieterinnen- und Mieterverbands.
Regierung und Grosser Rat beschlossen nach der Annahme der ersten Initiativen ein Gesetz, das einen Mietendeckel vorsieht. Er betrifft aber nur die günstigen Wohnungen, was etwa einem Drittel des Wohnraums in Basel-Stadt entspricht. Der Mieterinnen- und Mieterverband sprach von einem «Bschiss» und bekämpfte das Gesetz mit dem Referendum.
In der Abstimmung vor einem Jahr wurde das Gesetz angenommen, hauchdünn mit 56 Stimmen Vorsprung. Es tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und könnte dann schon überholt sein, falls die neue Initiative «Ja zum echten Wohnschutz» am übernächsten Sonntag angenommen wird. Sie wird ungeniert als «Durchsetzungsinitiative» bezeichnet.
Sie will mit wenigen Ausnahmen – unter anderem das Luxussegment – alle Basler Mietwohnungen «deckeln». Der Abbruch einer Liegenschaft soll nur bewilligt werden, wenn im Ersatzneubau mindestens 20 Prozent mehr Wohnraum entsteht, oder sogar 40 Prozent, wenn ökologische Vorgaben nicht erfüllt sind. Als Überwachungsorgan soll eine Wohnschutzkommission geschaffen werden.
Solche strengen Vorgaben können eine unerwünschte Kehrseite haben. Basel-Stadt will bis 2040 klimaneutral sein, als erster Kanton der Schweiz. Das bedingt enorme Investitionen im Immobilienbereich. Häuser müssen isoliert und Ölheizungen durch Wärmepumpen ersetzt werden, und aufs Dach gehört eine Solaranlage.
Für Linksgrün entsteht ein Dilemma, wie man es im Kanton Zürich erleben kann, wo ebenfalls am 28. November über ein neues Energiegesetz abgestimmt wird. Der Mieterinnen- und Mieterverband hat Stimmfreigabe zur Vorlage des grünen Baudirektors Martin Neukom beschlossen. Er fürchtet, dass energetische Sanierungen zu Leerkündigungen führen.
Die Gegner des Gesetzes reagierten begeistert und schüren im Abstimmungskampf die Angst vor Kündigungen. Worauf der Mieterverband einen Eiertanz hinlegte. Er wirbt auf seiner Website für das Energiegesetz, versteht dies gemäss NZZ aber nicht als Abstimmungsempfehlung. Am Problem, dass Klimaschutz etwas kostet, ändert dies nichts.
Die Basler Initianten betonen, sie seien nicht gegen ökologische Sanierungen. Als Vorbild dient ihnen die Stadt Genf, wo seit 25 Jahren ein gesetzlicher Mietendeckel existiert. Die Bilanz ist gelinde gesagt durchzogen. Im ohnehin teuren Genf sind die Mieten stärker gestiegen als in der übrigen Schweiz, weil lange zu wenig neuer Wohnraum entstand.
Auch bei den Sanierungen happert es. Die Besitzer hätten zu wenig Anreize, ihre Immobilien im Schuss zu halten, klagt der Genfer Hauseigentümerverband. Viele Häuser würden verlottern. Für die Linken hingegen sind die hohen Mieten eine Folge des knappen Baulandes. Ohne das Mieterschutz-Gesetz wären sie noch stärker gestiegen.
Der Basler Hauseigentümerverband warnt, die Wohnschutz-Initiative führe quasi zu einer Verstaatlichung des Wohnungsmarktes. Auch die mehrheitlich rotgrüne Regierung lehnt sie ab, dennoch ist ein Ja absehbar, nicht nur wegen den hohen Mieten. Beim baselstädtischen Stimmvolk geniessen selbst Volksbegehren von Linksaussen hohe Sympathiewerte.
Vor zwei Jahren stimmte es einer vom Regierungsrat ebenfalls bekämpften Juso-Initiative für eine Reichensteuer zu. Dabei nagt der Halbkanton keinesfalls am Hungertuch. Er schwimmt vielmehr regelrecht im Geld, dank den Pharmariesen und ihren Steuern. 2020 erwirtschaftete Basel-Stadt trotz Coronakrise einen Überschuss von 300 Millionen Franken.
Hinzu kommt die legendär-verschwiegene Philanthropie («Me git, aber me sait nyt») des Basler «Daigs». Dies ermöglicht Basel gerade im kulturellen Bereich ein Angebot, von dem Städte ähnlicher Grösse nicht einmal träumen können. Was wiederum die Attraktivität erhöht und die Wohnkosten nach oben treibt. So beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz.
Langsam aber sicher nervt mich die Ausrede vom ach so teuren Umbau. Hier fehlt es -entschuldigung- einfach an echtem Willen eine wirklich nachhaltige Lösung für alle zu finden.