Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust geht derzeit davon aus, dass die Entgleisung von zwei Zügen am Freitag im Kanton Bern auf starke Windböen zurückgeht. Das sagte der Bereichsleiter Bahnen und Schiffe am Samstagmittag im Schweizer Radio SRF.
Christoph Kupper verwies im Radio darauf, dass es in der Schweiz schon mehrfach zu windbedingten Entgleisungen kam. So hob ein Sturm im Jahr 2018 bei Lenk im Simmental BE einen Wagen der Montreux-Oberland-Bahn (MOB) aus den Schienen. 2007 entgleiste wegen einer Bö bei Wasserauen AI die Appenzeller Bahn.
1996 blies ein starker Föhn einen Zug der Wengernalpbahn im Berner Oberland von der Strecke. In allen Fällen verletzten sich Personen mittelschwer oder leicht.
In Lüscherz BE und Büren zum Hof BE, wo am Freitag bei zwei Entgleisungen fünfzehn Menschen verletzt wurden, laufen aber die Ermittlungen noch. Kupper sagte am Samstag in einem Interview mit der Online-Ausgabe der Zeitung «20 Minuten», zuerst müssten jetzt die Fahrdaten und die meteorologischen Daten ausgewertet werden.
Wie die Berner Kantonspolizei am Freitagabend mitteilte, untersuchen Fachleute der Sust in Büren zum Hof den Unfallhergang. In einer ersten Phase würden Fahrdaten und meteorologische Daten ausgewertet, sagt Kupper. Schon heute sei es so, dass die Bahnunternehmen bei Sturm eine Risikobeurteilung machen müssten.
Dass bei zunehmenden Wetterextremen das Risiko für solche Unfälle steige, sei ein «realistisches Szenario». «Wir haben diese Frage erst kürzlich mit der Aufsichtsbehörde, dem Bundesamt für Verkehr, erörtert. Hier sind wir daran, die Grundlagen zu erarbeiten», so Kupper. Neue Vorschriften für ein Fahrverbot bei starken Winden seien «zu prüfen».
Auf die Frage, ob Schmalspurbahnen anfälliger sind für solche windbedingten Entgleisungen, sagt Kupper: «Der Unterschied zwischen 1435 Millimeter und 1000 Millimeter Spurbreite kann durchaus einen Einfluss haben.» 1.4 Meter Spurbreite ist die Normalspur. Die beiden entgleisten Züge der Aare Seeland Mobil (asm) im Berner Seeland und des Regionalverkehrs Bern-Solothurn bei Büren zum Hof haben eine Spurweite von einem Meter.
Züge seien zwar tonnenschwer, sagt Kupper weiter, doch sie böten dem Wind auch eine grosse Angriffsfläche. «Entscheidend ist, wie der Wind genau auf den Zug trifft.» Starke Windböen seien auch schwer vorauszusagen, weil sie örtlich ganz unterschiedlich sein könnten.
Auch am Tag nach den Entgleisungen waren die beiden Bahnstrecken an den Unfallorten unterbrochen. Der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) teilte am Samstag mit, zwischen Jegenstorf BE und Lohn-Lüterkofen SO fahre bis zum 3. April kein Zug. Es geht um einen Abschnitt der Bahnstrecke Bern-Solothurn.
Bei Lüscherz BE ist die Biel-Täuffelen-Ins-Bahn betroffen. An beiden Orten verkehren Bahnersatzbusse.
Das Internetportal blick.ch veröffentlichte am Samstag ein Interview mit einer Passagierin des in Büren zum Hof entgleisten Zugs. Die 14-jährige Anna G. sagt im Video, sie habe plötzlich starken Wind bemerkt und dann einen Schlag gespürt. Das sei wohl der Wagen vor dem Ihrigen gewesen, der entgleist und an ihrem Wagen vorbeigeflitzt sei.
Sie habe Panik bekommen und Schutz gesucht bei einer anwesenden Frau, berichtete Anna G. Diese habe sie beruhigen können. Die Passagiere im Zug hätten sofort Angehörige oder Freunde angerufen. Etwa zwei Stunden lang seien die Passagiere ihres Wagens im Zug geblieben, weil die Rettungskräfte zuerst den Verletzten hätten helfen müssen.
Nach dem Aussteigen seien die unverletzten Passagiere ins Dorf marschiert. Viele Anwohner hätten den Zugpassagieren warme Getränke angeboten. (saw/sda)