Nach dem Unwetter vom Montagabend in Brienz BE sind sechs Häuser einsturzgefährdet. 30 weitere sind beschädigt. Derweil wird im Schadensgebiet mit Hochdruck an provisorischen Schutzmassnahmen gearbeitet, denn es drohen weitere Regenfälle.
Gemeinderatspräsident Peter Zumbrunn rechnet damit, dass erneut Wasser, Schutt und Geröll den Mühlebach herunterkommen werden. Dieser hatte am Montag den historischen Ortsteil Aenderdorf überflutet.
Meteorologen gingen fürs Wochenende allerdings nicht mit einer solchen Super-Gewitterzelle wie am Montagabend aus, sagte der Gemeinderatspräsident. Wegen der unsicheren Wetterlage wurde die verkleinerte «rote Zone» aus Sicherheitsgründen wieder auf die ursprüngliche Fläche ausgedehnt. Leute, die im Verlauf der Woche wieder in ihre Häuser zurück konnten, wurden am Freitag erneut evakuiert. Mit weiteren Evakuierungen rechnet Zumbrunn nicht, wie er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.
Trotzdem herrscht für die Räumungsequippen Zeitdruck, weil sie das Gerinne des Mühlebachs vor den angekündigten Regenfällen möglichst frei bekommen wollen. Das Wasser sollte optimalerweise geradewegs in den Brienzersee ablaufen können.
Seit Dienstag wurden entlang des Bachs und an weiteren Stellen mit dem angeschwemmten Geröll provisorische Schutzdämme aufgeschüttet. Sie sollen die Häuser vor weiteren Schäden bewahren. Mit Blick auf die Wetterprognosen für die kommenden Stunden und Tage sagte Zumbrunn: «Wir sind gerüstet».
Was an Geröll, Holz und Abfall abtransportiert wird, landet in provisorischen Deponien. Die Räumungsequipen wurden angewiesen, persönliche Gegenstände mit Erinnerungswert, die beim Räumen gefunden werden, der Gemeinde abzugeben. Dort können sie dann von den Betroffenen geholt werden.
Mit Hochdruck wird auch am Geschiebesammler am Mühlebach oberhalb des Dorfes gearbeitet. Dort liegen geschätzte 12'000 bis 15'000 Kubikmeter Geröll. Es soll so viel Geschiebe wie irgendwie möglich ausgeräumt werden.
Der Sammler wurde auf seine Stabilität überprüft und für sicher befunden. Auch das Trinkwasserreservoir oberhalb des Dorfes sei in Ordnung und das Wasser unverseucht, führte Zumbrunn aus.
Die Räumungsequipen kämpfen mit diversen Herausforderungen, etwa mit grossen, verkeilten Felsbrocken, die zuerst gesprengt werden müssen, bevor man sie bewegen kann. Dazu kommt, dass der historische Dorfteil von Brienz eng ist. Es können daher nicht unbegrenzt viele Lastwagen und Baumaschinen vom und zum Schuttkegel fahren. Sonst kommt es zu Staus.
Der Schutt im überfluteten Ortsteil Aenderdorf liegt rund fünf Meter hoch. Baufachleute haben in den letzten Tagen 36 Liegenschaften in Augenschein genommen.
An sechs Häusern hängt ein Zettel mit einem roten Kreuz. Das bedeutet: Betreten absolut verboten. Diese Häuser sind einsturzgefährdet. Die übrigen 30 sind mehr oder weniger beschädigt worden. Personenschäden gab es glücklicherweise keine grösseren. Zwei Personen wurden leicht bis mittelschwer verletzt.
Ob die Häuser am Bach je wieder aufgebaut werden können, ist noch völlig offen. Das werde ein langer und wohl schmerzhafter Prozess werden, sagte Zumbrunn.
Der historische Ortsteil Aenderdorf sei nahe am Bach entstanden, weil es dort früher Mühleräder und eine Sägerei gegeben habe, berichtete Zumbrunn. «Unsere Vorfahren bauten nahe an den Bach, weil er ihre Lebensgrundlage war». Aus dem Schutt ragt unter anderem ein Holzhaus mit Baujahr 1776.
Am Montag hatte ein Unwetter das Dorf im Berner Oberland schwer getroffen. Rund 70 Personen wurden evakuiert. Erste konnten im Verlauf der Woche wieder in ihre Häuser zurück.
Bereits 2005 wurde Brienz von einem Unwetter stark betroffen. Damals brachte der Glyssibach Tod und Zerstörung. Seither wurden umfangreiche Schutzmassnahmen realisiert. Vor wenigen Jahren wurde der Geschiebesammler am Mühlebach realisiert. (dab/sda)