Anhaltende Niederschläge haben in der Schweiz zu einer angespannten Lawinen- und Hochwassersituation geführt. Der Greifensee im Kanton Zürich und der Bielersee haben die Hochwassergrenze geknackt: In Biel werden Sandsäcke bereitgestellt, beim Greifensee gilt Gefahrenstufe 3 (erheblich).
Die Behörden gaben für Hochwasser- und Lawinengefahr teilweise die zweithöchste Warnstufe heraus. Im Wallis wurden rund ein Dutzend Strassen unterbrochen. Im Kanton Genf wurden zwei Brücken gesperrt.
Seit Sonntag kamen lokal bis zu 100 Liter Regen pro Quadratmeter zusammen, wie der Wetterdienst Meteonews schrieb. Die Niederschläge auf die bereits feuchten Böden und die intensive Schneeschmelze liessen die Wasserstände vieler Gewässer ansteigen. Die Höchstpegel werden vielerorts für Donnerstag erwartet.
Seit Sonntag kamen im Norden lokal bis knapp 100 Liter Niederschlag zusammen. Bei einer hohen Schneefallgrenze von teils über 2000 m sind die #Pegel der Bäche, Flüsse und Seen deutlich angestiegen, zudem ist die #Lawinengefahr teils gross. Liveticker: https://t.co/msHWRwS3qO (rp) pic.twitter.com/4xWW5r6Kas
— MeteoNews Schweiz (@MeteoNewsAG) December 12, 2023
Angespannt war die Hochwassersituation insbesondere in der Westschweiz, im Wallis, am Alpennordhang, im Berner Oberland und in Graubünden. Die zweithöchste Stufe der Lawinengefahr wurde zum Beispiel in den Glarner sowie den Innerschweizer Alpen, im Berner Oberland und im Wallis ausgerufen.
Wegen der starken Regenfälle und des hohen Pegels des Sarnersees hat die Zentralbahn (ZB) ihren Betrieb einschränken müssen. Ein Teil der Züge fällt aus und wird durch Busse ersetzt. Nach Angaben eines Sprechers der Zentralbahn steht das Trassee teilweise unter Wasser. Es könne deswegen zwischen Sarnen und Giswil nur ein Gleis befahren werden.
Im Kanton Zürich hat der Greifensee am Mittwochmorgen die Hochwasser-Grenze überschritten: Sein Pegel lag um 7.40 Uhr bei 436,05 Metern über Meer, also 5 Zentimeter über der Alarmgrenze.
Mit dem Überschreiten des Alarmwertes gilt rund um den Greifensee neu die Gefahrenstufe 3 (erheblich). Auch die Sihl und die Limmat führen wegen des Dauerregens aktuell sehr viel Wasser.
Der Bielersee ist am frühen Morgen an mehreren Stellen über die Ufer getreten. Die Behörden aktivierten ihre Notfallpläne und ordneten die Schliessung mehrerer Uferwege an. Sie richteten zudem eine Hotline ein und stellen Sandsäcke bereit.
Das Regionale Führungsorgan (RFO) Biel/Bienne Regio betreibt ab 8 Uhr morgens eine Hotline für die Bevölkerung, wie das RFO mitteilte. Bei den Feuerwehrmagazinen in Nidau und Ligerz könnten zudem Sandsäcke bezogen werden. Sie sind für Anwohnerinnen und Anwohner vorgesehen, deren Häuser vom Wasser bedroht werden.
Gemäss dem Regulierdienst des Kantons Bern wird der Pegel des Bielersees weiter steigen. Die Lage sei derzeit aber nicht mit den Hochwasserereignissen früherer Jahre vergleichbar, hält das RFO fest. Um 7 Uhr morgens erreichte der Bielersee einen Pegelstand von 430,39 Meter über Meer. Das sind 4 Zentimeter über der Hochwassergrenze.
Die Aare in Bern geht weiterhin hoch. Die am Dienstag installierten Hochwasserschutzmassnahmen bleiben bestehen.
Das hat Schutz und Rettung Bern am Mittwochvormittag mitgeteilt. Die Organisation bittet die Bevölkerung, die Installationen zu respektieren und nicht daran herumzuhantieren.
Sämtliche Uferwege sind gesperrt. Die Behörden warnen, sich vom Aareufer fernzuhalten. Der Abfluss der Aare stieg von Sonntag bis Dienstag stark an. Danach flachte die Kurve ab. Am Mittwoch betrug der Abfluss 422 Kubikmeter pro Sekunde. Im Rekordjahr 1999 lag dieser Wert bei 613 Kubikmeter pro Sekunde. Davon ist man in Bern also noch weit entfernt.
Der Thunersee lag am Mittwochvormittag noch rund 15 Zentimeter unter der Hochwassergrenze. Zur Zeit des Hochwassers im Bielersee lag der Pegel im Thunersee noch 21 Zentimeter unter der Hochwassermarke von 558,30 Meter über Meer. Die Pegelstände des Brienzer-, Neuenburger- und Murtensees lagen derweil noch über einen Meter unter deren Hochwassergrenzen.
Der kantonale Regulierdienst hat am Montagabend den Hochwasserentlastungsstollen in Thun in Betrieb genommen. Derzeit ist die Lage nicht mit den Hochwasser-Ereignissen der Jahre 1999, 2005, 2007 und 2021 vergleichbar.
Die von den Wetterdiensten prognostizierten Niederschläge und die warmen Temperaturen sind eingetreten. Die Nullgradgrenze bleibe hoch, deshalb komme viel Schmelzwasser dazu. Das hydrologische System sei vollständig gesättigt.
Die Böden würden schon lange kein Wasser mehr aufnehmen, hiess es weiter. Deshalb gehe der Kanton davon aus, dass die Pegel der Berner Seen und Flüsse auch am Mittwoch noch ansteigen werden. Der Regulierdienst beurteile die Lage als angespannt.
Herausfordernd seien die Dosierung des Stollendurchflusses in Thun und die Einhaltung der Murgenthalerbedingung bei der Regulierung des Bielersees.
Bei der Gebäudeversicherung Bern (GVB) sind bislang im Zusammenhang mit dem Hochwasser rund 50 Schadensmeldungen eingegangen – Tendenz steigend. Die Schadensumme bezifferte die GVB am Mittwochnachmittag mit rund einer Million Franken.
Betroffen sei das gesamte Kantonsgebiet, heisst es in einer Mitteilung des Unternehmens vom Mittwoch. Die Feuerwehren im Kanton stehen laut GVB «tatkräftig im Einsatz» bei überfluteten Kellern und Garagen.
Da der Bielersee und andere Gewässer derzeit noch überlaufen, rechnet die GVB mit weiteren Schadensmeldungen. Das Unternehmen registriert in diesen Tagen nach eigenen Angaben auch eine steigende Nachfrage nach Beratungen zum Thema Naturgefahren.
In mehreren Regionen des Kantons Waadt wurden die Feuerwehr, der Zivilschutz, die Waadtländer Polizei und das Umweltamt präventiv mobilisiert, um den Wasserstand der Flüsse und Seen zu überwachen.
Angespannt war die Lage insbesondere im der Region Orbe am Jura-Südfuss und in der Vallée de Joux. In Orbe standen mehrere Brücken unter Beobachtung. Der Damm wurde punktuell mit Sandsäcken verstärkt. Der Fluss trat nicht über die Ufer. Auch bei der Arve und der Rhone in Genf herrschte grosse Gefahr: Die Brücken Val d'Arve und Acacias wurden am Dienstagabend laut Genfer Kantonspolizei gesperrt. Laut Alertswiss könnten noch weitere Brücken in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gesperrt werden. Die Behörden rieten der Bevölkerung, sich von den Flüssen fern zu halten.
Auch bei der Arve in Genf herrschte grosse Gefahr. Lokal wurden Vorsichtsmassnahmen wegen steigender Gewässer getroffen.
Der Rhein bei Basel wurde wegen Hochwassers für Schiffe bis Donnerstag gesperrt. Der Rheinpegel überschritt am Dienstagmorgen an der Messstation Rheinhalle die Hochwassermarke IIa von 820 Zentimetern, wie der Pegelstandanzeige auf der Website der Schweizerischen Rheinhäfen zu entnehmen war. Das hatte die Sperrung der Schifffahrt zwischen Rheinfelden AG und der Schleuse Kembs in Frankreich zur Folge.
Gemäss Prognosen des Bafu dürfte sich die Hochwassersituation nur langsam entspannen. Erst auf den Freitag wird mit einem Rückgang des Pegels unter die Hochwassermarken gerechnet.
Im Wallis ist die Lage nach den anhaltenden Niederschläge der letzten Tage kritisch. Es kam zu mehreren Erdrutschen und Steinschlägen. Der Kanton rief die «besondere Lage» aus.
Die Lage sei im gesamten Kantonsgebiet derzeit kritisch, insbesondere in Bezug auf das Strassennetz, teilte das kantonale Führungsstab am Dienstag mit. «Die Situation ist überall gefährlich», warnte der Vorsteher des Departements für Sicherheit und Institutionen, Frédéric Favre, an einer Medienkonferenz in Sitten.
Die Lage sei im gesamten Kantonsgebiet derzeit kritisch, insbesondere in Bezug auf das Strassennetz, teilte das kantonale Führungsstab am Dienstag mit. «Die Situation ist überall gefährlich», warnte der Vorsteher des Departements für Sicherheit und Institutionen, Frédéric Favre, an einer Medienkonferenz in Sitten.
Mehrere Strassenabschnitte waren wegen Felsstürzen, Erdrutschen oder Steinschlägen gesperrt. Der kantonale Führungsstab empfahl daher, mit erhöhter Vorsicht auf den Strassen zu fahren und die Fahrten auf das Nötigste zu beschränken. Ausserdem rieten die Behörden, sich von Wasserläufen fernzuhalten, Waldstrassen und von Bäumen gesäumte Wege zu meiden, bei Überschwemmungen Keller und Tiefgaragen fernzubleiben und nicht mit dem Auto oder Velo auf überschwemmten Strassen zu fahren.
Die Lage im Wallis könnte sich laut den Behörden in den Abendstunden und in der Nacht weiter verschlechtern. Der Staatsrat hat deshalb beschlossen, die «besondere Lage» auszurufen und die Koordination an Favre zu delegieren, um im Bedarfsfall rasch handeln zu können.
Ziel sei es, «jede Verschlechterung, die irgendwo auftreten könnte, zu planen und zu antizipieren», unterstrich Marie Claude Noth-Ecoeur, Chefin des kantonalen Führungsorgans, die von einer «angespannten Situation» sprach. Der gesamte Katalog der Naturkatastrophen - Erdrutsche, Überschwemmungen von Wasserläufen, Steinschläge, Murgänge, Rutschungen oder auch Lawinen - sei möglich, sagte der Walliser Kantonsingenieur Vincent Pellissier.
Nach einem Erdrutsch ist die Kantonsstrasse Frutigen – Adelboden wieder gesperrt. Eine Umleitung auf einer schmalen Strasse gibt es nur für einheimische Fahrzeuglenker und für absolut notwendige Fahrten.
Der Erdrutsch ging im Gebiet Tregel bei Achseten nieder, wie das Regionale Führungsorgan Gehrihorn am Dienstag mitteilte. Geologen werden die Lage im Gelände begutachten. Dann wollen die Behörden über das weitere Vorgehen befinden.
Auch in den kommenden Tagen ist laut verschiedenen Wetterdiensten mit weiteren Niederschlägen zu rechnen, insbesondere am Alpennordhang. Bereits im November regnete es sehr viel: In den meisten Gebieten der Schweiz fiel vom 1. bis am 25. Tag des Monats fast täglich Niederschlag. In der Westschweiz sowie im zentralen und östlichen Mittelland regnete es bereits bis zur Monatsmitte zum Teil doppelt so viel wie sonst während des ganzen Monats November.
(jaw/rbu/sda)
Kann mich nicht an soviel Niederschlag erinnern in dieser Periode (Okt - Dez) wie dieses Jahr.
Praktisch kein Tag ohne Niederschlag in Luzern seit Wochen.
...grad beim Lesen des Artikels vom Zug aus fotografiert...