Die Geiselnahme in einem Regionalzug zwischen Yverdon und Sainte-Croix endete in der Nacht auf Freitag tödlich: Der 32-jährige Geiselnehmer wurde bei einem Polizeiangriff getötet. Alle Geiseln konnten befreit werden. Einsätze der Polizei mit Todesfolge für den Täter sind in der Schweiz eher selten, wie eine Übersicht über die bekannten Fälle seit dem Jahr 2000 zeigt:
Ein 22-jähriger Arbeitsloser schiesst in Chur mit seinem Sturmgewehr von seiner Wohnung aus auf ein Hotel sowie auf Polizeibeamte. Während fast zehn Stunden hält der Mann rund 70 Polizisten in Schach und gibt insgesamt 35 Schüsse ab. Bei Versuchen der Polizei, die Wohnung des Mannes zu stürmen oder zu sichern, werden zwei Grenadiere schwer verletzt und ein Polizeihund getötet. Auf Befehl des Bündner Polizei-Kommandanten Markus Reinhardt erschiesst ein Polizei-Scharfschütze den Amokschützen aus 54 Metern Distanz, als dieser mit seinem Gewehr auf den Balkon tritt. In der durchgeladenen Waffe befanden sich noch 15 Schuss Munition.
Bei einer Fahrzeugkontrolle stoppt die Waadtländer Polizei gegen 21.30 Uhr ein Auto. Der 46-jährige Fahrer, ein Schweizer aus Bex, steigt aus und eröffnet sofort das Feuer. Es kommt zu einem Schusswechsel, bei dem ein 29-jähriger Polizist tödlich getroffen wird. Ein weiterer Polizist wird schwer verletzt. Auch der Autolenker stirbt bei der Schiesserei. Der Vorfall veranlasst die Waadtländer Polizei zur Einführung von «Mann-Stopp-Munition» (Deformations-Munition).
Die Polizei wird von einem Bewohner eines Mehrfamilienhauses alarmiert. Er meldet, dass ein anderer Mieter bei der Wohnung über ihm die Türe aufgebrochen habe. Fünf Polizisten treffen beim Mietshaus ein, wo sie im Treppenhaus auf einen 27-jährigen Kongolesen treffen, der mit einem Küchenmesser auf sie zurennt. Nach der Aufforderung «Stopp Polizei» eröffnet ein Polizist das Feuer. Der Kongolese stirbt trotz sofortiger Rettungsversuche noch vor Ort. Der Tod des Mannes, der seit seinem fünften Lebensjahr in der Schweiz wohnhaft war, löst Proteste gegen Polizeigewalt aus. Nach vier Jahren Strafuntersuchung wird der Polizist freigesprochen.
In der Tessiner Grenzgemeinde Brissago wird die Polizei kurz vor 2.00 Uhr wegen eines Streits zwischen mehreren Personen alarmiert. Mehrere Polizisten begleiten zwei Asylsuchende in ein Gebäude, worauf plötzlich ein dritter Asylsuchender auf die beiden Asylbewerber einstürmt. Dieser, ein 38-jähriger Mann aus Sri Lanka, fuchtelt mit zwei Messern herum. Einer der Polizisten gibt darauf einen Schuss auf den Angreifer ab, der durch die Kugel tödlich verletzt wird. Die anderen Beteiligten werden nicht verletzt. Laut Matteo Cocchi, dem Kommandanten der Tessiner Kantonspolizei, ist es beim nächtlichen Einsatz «um Menschenleben gegangen». Es habe «für den Polizisten keine andere Handlungsmöglichkeit in dieser Situation gegeben».
Nachdem ein polizeilich bereits bekannter 36-jähriger Schweizer aus einer psychiatrischen Institution entwichen ist, spürt ihn eine Polizeipatrouille in einer Liegenschaft am Kuhnweg im Schönberg/Bitzius-Quartier auf. Die Polizisten können den Mann ansprechen, doch dann kommt es zu einer für sie «akut bedrohlichen Situation», wie die Kantonspolizei später mitteilt. Die Beamten machen von der Dienstwaffe Gebrauch, der Mann wird schwer verletzt und stirbt trotz rascher Rettungsmassnahmen nach dem Transport ins Spital. Spätere Untersuchungen zeigen, dass der Getötete eine Schusswaffe behändigt hat.
Gegen 16 Uhr wird die Polizei alarmiert, weil sich ein Mann in einer Wohnung eines Mehrfamilienhauses auffällig verhalte und drohe, sich etwas anzutun. Die Polizisten müssen davon ausgehen, dass der Mann bewaffnet ist, weshalb zusätzlich die Sondereinheit Enzian aufgeboten wird. Den Einsatzkräften gelingt es nicht, mit dem 44-jährigen Schweizer Kontakt aufzunehmen, und sie entschliessen sich, in die Wohnung vorzudringen. Dabei kommt es nach Polizeiangaben zu einer «akuten Bedrohungssituation»: Nachdem die Polizisten die Tür aufgebrochen haben, sehen sie sich dem Mann gegenüber, der mit erhobener Waffe im Raum steht. Einer der Beamten feuert insgesamt fünf Schüsse ab, von denen einer den Mann tödlich verletzt.
Nach einer Meldung über ein Gewaltdelikt rücken zwei St. Galler Stadtpolizisten am Mittag zu einem Haus an der Speicherstrasse aus. Sie treffen auf einen 22-jährigen Schweizer, der auf dem regungslosen Körper einer Frau kniet, die in einer Blutlache liegt. Der Mann, der wenige Stunden zuvor aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden ist, schlägt ihren Kopf immer wieder auf den harten Boden. Die Beamten ziehen ihre Dienstwaffen und fordern ihn auf, vom Opfer abzulassen. Dieser steht auf, verschwindet in der Küche und kehrt mit einem massiven Metallkochtopf zurück, mit dem er erneut auf den Kopf der Frau einschlägt. Nun schiessen die Polizisten auf den Mann, der von zehn Schüssen getroffen wird und noch am Tatort stirbt. Die 46-jährige Frau erliegt im Spital ihren Verletzungen.
Ein 68-jähriger, mit einem Messer bewaffneter Schweizer aus Suhr droht mit Suizid, weshalb um 22.15 Uhr eine Polizeipatrouille aufgeboten wird. Als die vier Beamten in der Nähe des Wohnhauses eintreffen, kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Mann mit seinem Messer einen Polizisten angreift. Dieser gibt fünf Schüsse auf den Mann ab. Der 68-Jährige stirbt trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmassnahmen. Die 37-jährige Partnerin wird gegenüber den Beamten «ausfällig»; diese verhaften sie. Sowohl der Getötete wie seine Partnerin waren schon vor diesem Einsatz polizeibekannt.
Ein SBB-Mitarbeiter meldet der Polizei in Morges um 18 Uhr , dass eine «aufgeregte und verstörte» Person auf den Gleisen umherlaufe, «um zu beten». Zwei Polizeipatrouillen treffen ein, um die Situation zu sichern. Der Mann, ein 37-jähriger Schweizer aus Zürich, hat ein Messer und geht auf die Polizisten zu, die zunächst zurückweichen und ihn auffordern, die Waffe fallen zu lassen. Als der Mann weiter auf die Beamten zugeht, schiesst einer von ihnen zweimal auf ihn. Der Getroffene geht zu Boden, steht wieder auf und geht erneut auf den Polizisten zu. Dieser schiesst ein drittes Mal, worauf der Mann liegen bleibt. Er stirbt trotz Reanimationsmassnahmen. Der Tod des Zürchers führt zu Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus, da das Opfer dunkelhäutig war. Den Polizisten wird zudem vorgeworfen, sie hätten zu spät Erste Hilfe gelistet.
Am 31. März spätabends wird der Schweizer Impfchef Christoph Berger im Zürcher Umland von einem 38-jährigen deutschen Staatsbürger entführt. Noch in derselben Nacht lässt dieser Berger frei. Die Polizei nimmt Ermittlungen auf und kommt dem Entführer auf die Spur. Sie stellt fest, dass er über Schusswaffen verfügt und zieht deshalb Spezialisten der Interventionseinheit bei. Am 7. April kurz vor 20 Uhr schlägt diese zu, doch der 38-Jährige zieht unvermittelt eine Schusswaffe. Er erschiesst seine Begleiterin und feuert danach auf die Beamten. Im Schusswechsel wird er tödlich getroffen. Er und seine Begleiterin sterben noch vor Ort.
Der folgende Polizeieinsatz gehört an sich nicht auf diese Liste, denn der Täter brachte sich selber die Verletzungen bei, an denen er starb – er wurde nicht durch die Polizei getötet. Wir erinnern hier dennoch daran, da er Parallelen mit der Geiselnahme von Yverdon aufweist:
Ein 27-jähriger Schweizer schüttet gegen 14.20 Uhr kurz vor dem Bahnhof Salez auf der Strecke zwischen Buchs und Sennwald eine brennbare Flüssigkeit aus und setzt sie in Brand. Danach attackiert er Zugreisende mit einem Messer, mit dem er sich auch selbst Verletzungen zufügt. Zwei Frauen im Alter von 17 und 34 Jahren erliegen ihren schweren Verletzungen, weitere Personen werden zum Teil schwer verletzt. Auch der Täter stirbt an seinen Verbrennungen und Stichwunden. Die Ermittlungen zeigen, dass der bisher nicht polizeibekannte Schweizer offenbar Frauen hasste.
(dhr)