Schweiz
Blaulicht

Terrorgefahr: Der Schweiz fehlen Tausende Polizisten 

Auf zum Einsatz: Polizisten wollen auf den Strassen präsenter sein.
Auf zum Einsatz: Polizisten wollen auf den Strassen präsenter sein.Bild: KEYSTONE

Terrorgefahr: Der Schweiz fehlen Tausende Polizisten 

Der Verband der Polizeibeamten will wegen drohender Anschläge das Personal massiv aufstocken.  
15.03.2015, 09:5015.03.2015, 12:53
Yannick Nock / schweiz am sonntag
Mehr «Schweiz»
Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Die Terror-Anschläge in Paris und Kopenhagen haben sich ins Gedächtnis vieler Schweizer Polizisten gebrannt. «Die Brutalität und Respektlosigkeit, mit denen die Extremisten vorgehen, ist erschütternd», sagt Max Hofmann, Generalsekretär des 25'000 Mitglieder starken Polizeibeamten-Verbandes. Seit Paris sei klar, dass man es mit einem neuen Tätertyp zu tun habe, der Terroranschläge mit Kriegswaffen verübe. «Polizisten sind eine der deklarierten Zielscheiben von Terroristen geworden», sagt er.  

Hofmann setzt deshalb auf mehr Polizei-Präsenz. «Wir müssen uns zeigen.» Das würde Terroristen abschrecken und die Bevölkerung besser schützen. Doch dafür braucht es mehr Personal. «Sicherheit gibt es nicht umsonst», sagt er. «Uns fehlen mehrere 1000 Polizisten.» Dabei verweist Hofmann auf eine Empfehlung der UNO, die für demokratische Länder 300 Polizisten pro 100'000 Einwohner vorsieht. 

«Wer weiss, ob eine erhöhte Polizeipräsenz in Paris die Extremisten hätte aufhalten können?»
Max Hofmann

Das würde hierzulande bei 8 Millionen Einwohnern 24'000 Polizisten bedeuten, zurzeit sind es 17'700. Demnach benötigt die Schweiz über 6000 neue Polizisten. «Wer weiss, ob eine erhöhte Polizeipräsenz in Paris die Extremisten hätte aufhalten können?», sagt Hofmann.  

Erst am Freitag verkündete die Terrormiliz Islamischer Staat weitere Anschläge in Europa. Das beunruhigt die Polizeikorps. Landesgrenzen seien für Extremisten kein Hindernis mehr, sagt Hofmann, denn die Propaganda im Netz erreiche auch Menschen in der Schweiz. Gemäss Nachrichtendienst des Bundes sind in den letzten Jahren 65 Personen aus der Schweiz in den «Heiligen Krieg» nach Syrien, den Irak und Afghanistan gezogen. 16 sind zurückgekehrt.  

Polizeidirektor fordert BÜPF

Präsident der kantonalen Polizeidirektoren: Hans-Jürg Käser.
Präsident der kantonalen Polizeidirektoren: Hans-Jürg Käser.Bild: KEYSTONE

Ein ähnliches Bild zeigt sich in fast allen Ländern Europas. Deutsche Politiker fordern deshalb eine Aufrüstung der Polizei zur Terrorabwehr. Dazu zählen Waffen, die auf längere Distanz schiessen können, bessere schusssichere Westen und gepanzerte Fahrzeuge. Für Hans-Jürg Käser, Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), ist das aber der falsche Weg. Er war diese Woche mit Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in Brüssel. Im Zentrum der Gespräche standen neben dem Migrationsdruck weitere Massnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Entscheidend seien nicht die Waffen der Polizisten, sondern die richtigen Hinweise, sagt Käser.  

Er setzt deshalb auf einen starken Nachrichtendienst und die Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Die Strafverfolgungsbehörden würden so mehr Kompetenzen für die Überwachung mutmasslicher Straftäter erhalten. «Wir brauchen verlässliche Informationen über Terrorzellen», sagt Käser.  

Für die Aufstockung des Polizeipersonals hat Käser ein offenes Ohr – wenn auch in geringerem Ausmass. Die KKJPD hatte bereits vor vier Jahren einen Mangel von rund 1500 Polizisten festgestellt. Noch immer fehlten schweizweit 1300 Gesetzeshüter, sagt er. «Die Korps sind nach wie vor überlastet und viele von ihnen laufen am Limit.»  

Bis zu 120'000 Franken Kosten pro Polizist

Schon länger fordert der Verband der Polizeibeamten mehr Personal. Durch die Anschläge in Europa hat sich die Situation nun weiter verschärft. Kleinere Erfolge können die Korps dennoch aufweisen. So stieg die Zahl der Gesetzeshüter im vergangenen Jahr um 400 auf derzeit 17'700 (siehe Tabelle). Allein der Aargau schuf 39 neue Stellen. In Genf – einem Kanton mit besonders vielen Straftaten pro Einwohner – waren es 57 neue Polizisten. Spitzenreiter sind aber das Tessin (59), Zürich (68) und Waadt (76). Fast alle Kantone engagierten zusätzliches Polizeipersonal. Lediglich Schwyz, Uri und Luzern haben ihren Bestand leicht abgebaut.  

Schweiz

Die Entwicklung ist abhängig von der Prioritätensetzung der Kantone und den Ausgaben. Eine Polizeistelle kostet im Jahr durchschnittlich zwischen 100'000 und 120'000 Franken. Weitere Komponenten kommen hinzu. So haben viele Polizeikorps Mühe, junge Menschen für den Job zu begeistern. Kampagnen wie zuletzt in Zürich sollen dem entgegenwirken. Auch das Höchstalter wurde bereits nach oben geschraubt. Zudem diskutieren einige Kantone, Ausländer in die Korps aufzunehmen.  

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Adonis
15.03.2015 11:12registriert Februar 2014
Es scheint so, dass wir in eine Art latenten Kriegszustand eintreten. Mal schauen, ob die Rechnung der Terroristen aufgeht und wir uns zu Tode schützen müssen, bis wir unter der finanziellen Schutzlasten zusammenbrechen. Schade das uns die Hooligans und andere Idi.... zusätzliche Kosten verursachen.
00
Melden
Zum Kommentar
4
Hausbrand in Nidfurn GL von Selbstmörder gelegt

Der Hausbrand in Nidfurn GL von letzter Woche ist nach neuen Erkenntnissen der Polizei vom tot aufgefunden Hausbewohner gelegt worden. Wie die Kantonspolizei Glarus am Donnerstag mitteilte, erschoss sich der 48-Jährige unmittelbar nach der Brandlegung.

Zur Story