Das Gerücht verbreitete sich in der letzten Woche der Sommersession: Der Bundesrat habe sich zu einer geheimen Besprechung getroffen. Weil selbst Parteipräsidenten nicht in Erfahrung bringen konnten, was das Thema dieser Zusammenkunft war, wurden Vermutungen herumgereicht: Ein Mitglied der Landesregierung habe seinen Rücktritt angekündigt. Die Nationalbank habe den Bundesrat über die Zinserhöhung vorinformiert. Die Regierung habe die Sicherheitslage des Landes erörtert.
Keine der Annahmen war richtig. Fakt ist: Die Bundesrätinnen und Bundesräte trafen sich am Dienstag, 14. Juni. Das ist ungewöhnlich. Während der Sessionen des Parlaments finden die Regierungssitzungen jeweils am Freitag statt. Was war also los am Dienstag vor eineinhalb Wochen?
Anträge gab es keine, und es wurde kein Protokoll geführt. Hauptthema war die Europapolitik des Bundesrats. Es sollte zu einem offenen Meinungsaustausch kommen, drei Tage vor der Europaklausur. Ein Bundesbeamter sagt, der Bundesrat wolle sich zusammenraufen. An dem Treffen sei auch erörtert worden, wie die Regierung funktioniere. Man müsse sich das vielleicht wie eine «Paartherapie» vorstellen.
Zum Paartherapeuten geht man erst, wenn eine Beziehung in Schwierigkeiten steckt. Der Bundesrat wurde in den vergangenen Wochen scharf kritisiert, von Bundesparlamentariern und von den Medien. Die Regierung wirkte überrumpelt von der russischen Invasion in der Ukraine. Es gab eine Medienkonferenz, an der nicht klar wurde, ob der Bundesrat etwas zu kommunizieren hatte - und wenn ja, was? Die Regierung lehnte die Übernahme der Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab, nur um ihr wenige Tage später zuzustimmen.
Verteidigungsministerin Viola Amherd machte alles noch schlimmer, indem sie auf einen sicherheitspolitischen Bericht von November 2021 verwies: Darin sei die Gefahr erwähnt, die von Russland ausgehe. Ihr Department sei «keineswegs überrascht.» Geistige Vorarbeit leistete es aber keine: Im Bundesrat hatte sich niemand Gedanken darüber gemacht, was Wladimir Putins Angriffskrieg für die Neutralität der Schweiz bedeuten könnte.
Fehlende Strategie in wichtigen Fragen, zu viel Einzelkämpfertum und zu wenig Teamgeist, ständige Indiskretionen und Intrigen, Profilierungsbemühungen einzelner Mitglieder im Hinblick auf nahende Wahlen - die Liste der Vorhaltungen an den Bundesrat ist lang.
Nun fand er, dass es Zeit sei für eine Massnahme zur Teambildung. Also traf man sich im ungezwungen Rahmen, jeder konnte frei von der Leber weg sprechen - und es wurde Kaffee und Kuchen serviert. Auf die Verköstigung weist Bundesratssprecher André Simonazzi hin; im Übrigen ist er wie gewohnt wortkarg: Es habe sich nicht um eine ausserordentliche Sitzung des Bundesrats gehandelt, betont er, sondern um ein «informelles Treffen» - über das es nichts zu berichten gebe.
Was hat es gebracht? Den Entscheid der Europaklausur, wonach die Sondierungsgespräche mit der EU-Kommission über ein neues Abkommen intensiviert werden sollen, teilte der Bundesrat drei Tage später ohne Dissonanzen mit. Das lag aber auch daran, dass die Landesregierung keine Medienkonferenz abhielt, sondern nur eine Mitteilung verschickte.
Ein erfahrener Nationalrat findet es gut, dass sich der Bundesrat in einem neuen Format getroffen hat: Das zeige ein Bewusstsein dafür, dass die Regierung sich verbessern müsse. Ein Treffen ohne Traktandenliste könne vielleicht dazu führen, dass die Mitglieder des Bundesrats künftig ein wenig kollegialer miteinander umgingen.
Ein Ständerat ist hingegen skeptisch: Er weist darauf hin, dass mehrere Bundesräte schon lange im Amt seien. Das mache es schwer, eine neue Gruppendynamik herbeizuführen. «Sie wollen den eigenen Laden im Griff haben, solange sie noch im Amt sind. Ob die Regierung als Ganzes gut dasteht oder nicht, ist hingegen zweitrangig.» Und es gebe im Bundesrat persönliche Unverträglichkeiten, die Anstrengungen für eine grössere Geschlossenheit des Gremiums immer wieder zunichtemachten.
Wie ist es zum ausserordentlichen Bundesratstreffen vom 14. Juni gekommen? Jemand sagt, dass die Initiative von Bundespräsident Ignazio Cassis ausgegangen sei. Ihn habe die Kritik an der Regierung beschäftigt, und er wollte einen Beitrag dazu leisten, dass die Exekutive aus ihrem Formtief herausfinde. Cassis' Mediensprecher Michael Steiner will nichts zum Thema sagen.
Wie geht es nun weiter nach dem klärenden Austausch bei Kaffee und Kuchen? Wird der Bundesrat seine Massnahmen zur Teambildung intensivieren? Schreiten die Mitglieder der Regierung bald blossen Fusses über glühende Kohlen? Dazu werde es nicht kommen, sagt ein Verwaltungsangestellter. «Es genügt, wenn sich der Bundesrat am Europadossier die Finger verbrennt.» (bzbasel.ch)
Übernehmt endlich mal die Verantwortung dafür, denn dafür seid Ihr schliesslich von uns gewählt worden.
Nicht alle, aber einige. Ich hoffe, dass die nächsten Wahlen auch in den Bundesrat frischen Wind bringen. Dafür müsste aber mindestens Cassis zurücktreten oder abgewählt werden damit die GLP einzug nehmen kann. Bei den SVP'lern würde es wohl nicht besser, wenn man andere SVP'ler wählt.