Schweiz
Bundesrat

Bundesrat Beat Jans will Pflegemangel mit Geflüchteten lösen

Flüchtlinge sollen Pflegemangel lösen – darauf schwört Asylminister Jans

Im Gesundheitswesen mangelt es an Personal, und Zuwanderer sind oft ohne Arbeit. Der Kanton Bern bildet Geflüchtete deshalb zu Pflegekräften aus. Bundesrat Beat Jans hofft auf Nachahmer.
03.09.2025, 10:2103.09.2025, 12:00
Julian Spörri / ch media
Mehr «Schweiz»

Nein, zufällig verirrt sich niemand in diesen Flecken des Landes. Dichte Wälder verstecken das Dorf Bellelay im Berner Jura. ÖV-Verbindungen, um in die 30 Kilometer entfernten Delsberg und Biel zu gelangen, gibt es bestenfalls stündlich. Und das traditionsreiche Kloster beherbergt längst keine Mönche mehr, sondern Flüchtlinge.

Le conseiller federal Beat Jans, centre-droite, prend la parole a cote des conseillers d'Etat bernois Christoph Ammann, Pierre Alain Schnegg, et de la conseillere d'Etat bernoise Christine H ...
Bundesrat Beat Jans besuchte das Ausbildungszentrum Bellelay und traf Mitglieder des Berner Regierungsrates.Bild: keystone

Gerade deshalb kommt Bellelay eine nationale Ausstrahlung zu, findet Asylminister Beat Jans (SP). Denn bei der Einrichtung handelt es sich um ein Ausbildungszentrum, das Geflüchtete fit für den Pflegeberuf macht – in 20 Monaten. «Der Kanton Bern geht mit diesem Projekt, das gezielt auf das Prinzip ‹Integration von Anfang an› setzt, neue Wege», sagte Jans am Dienstag vor Ort. Er wünscht sich, dass Bellelay dem Bund und den Kantonen als «Vorbild» dient. Die Erfahrungen des Projekts fliessen zudem in die Ausarbeitung der neuen Asylstrategie ein.

Integrationsbemühungen gibt es zwar im ganzen Land. Neu in Bellelay ist, dass die Teilnehmenden eine standardisierte Ausbildung mit vier Modulen durchlaufen, bis sie das national anerkannte Pflegehelfer-Diplom des Schweizerischen Roten Kreuzes in den Händen halten. Zur Ausbildung gehören auch Sprachkurse (auf Französisch) und Praktika.

Eine Geflüchtete erklärt ihre Motivation

Seit der Eröffnung vor 16 Monaten hat das Zentrum 100 Personen aufgenommen: Manche kamen direkt vom Bundesasylzentrum, andere haben den Status als vorläufig Aufgenommene oder sind anerkannte Flüchtlinge. Die ersten schliessen die Ausbildung bald ab. Bei Andrea-Frida Mayala (39) aus der Demokratischen Republik Kongo ist es nächsten Frühling so weit. Im Unterschied zu den meisten anderen Teilnehmenden lebt sie nicht in den Zimmern mit vier bis sechs Betten im ehemaligen Kloster, das noch bis 2021 eine psychiatrische Klinik war. Vielmehr hat Mayala schon eine eigene Wohnung. Sie hat klare Vorstellungen für die Zukunft.« Ich will in der Pflege arbeiten und finanziell unabhängig sein», sagt die Kongolesin.

Andrea-Frida Mayala (39). Sie ist aus der Dominikanischen Republik Kongo geflüchtet.
Andrea-Frida Mayala (39).Bild: Anthony Anex

Mayala kam vor zweieinhalb Jahren in die Schweiz. In ihrem Heimatland hat sie nie im Pflegebereich gearbeitet. Das Praktika im Altersheim habe sie aber schnell überzeugt, zumal es in diesem Bereich viele Jobs gebe. Stichwort: Fachkräftemangel.

Gemäss der aktuellsten Ausgabe des Jobradars, welche die Arbeitsmarkt-Forschungsfirma X28 quartalsweise veröffentlicht, gibt es derzeit im Pflegebereich 14'166 offene Stellen. Das Bevölkerungswachstum und die Alterung führen dazu, dass sich die Situation weiter zu verschärfen droht.

Beat Jans: So spart der Bund Geld

Gleichzeitig liegt Potenzial brach: Bei den Menschen, die 2017 in die Schweiz flüchteten und vorläufig aufgenommen oder als Flüchtlinge anerkannt wurden, hat nach sieben Jahren nur die Hälfte eine Arbeit. Das zeigt die Statistik des Staatssekretariats für Migration. Bei später angekommenen Flüchtlingen dürften die Zahlen besser ausfallen, was mitunter den Anstrengungen in den letzten Jahren zu verdanken ist.

Das Ausbildungszentrum in Bellelay reiht sich in diese Entwicklung ein: Mit ihm – sowie einem zweiten eröffneten Zentrum in Ringgenberg bei Interlaken – wolle man die Integration verbessern und «den Personalmangel im Gesundheitswesen lindern», so der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP). Er hat das Projekt initiiert und kündigte am Dienstag an, das Modell auch auf andere Berufe ausdehnen zu wollen.

Des lits superposes sont photographies dans un dortoir apres une visite d'une classe du centre interregional de perfectionnement (CIP) et d'un echange avec des refugies forme aux metiers du  ...
So sieht eines der Zimmer im Kloster von Bellelay aus. Es bietet Platz für vier Personen.Bild: keystone

Nur wenige Stunden zuvor hatte sich seine Partei in Bundesbern ebenfalls die Zuwanderung vorgeknöpft. Sie macht diese für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich und fordert eine höhere Kostenbeteiligung von Zuwanderern sowie eingeschränkte Leistungen für Asylbewerbende.

Angriffige Rhetorik in Bundesbern, Optimismus in Bellelay: Der Kontrast könnte grösser nicht sein. Doch was ist mit den Kosten des Pionierprojekts? Während der Kanton Bern keine Zahlen liefern konnte, betonte Bundesrat Jans: «Die Rechnung geht für den Bund definitiv auf.» Dies, weil die Kantone Integrationspauschalen pro Person ausbezahlt erhalten. Wenn jemand eine Arbeit findet, werden diese hinfällig – und der Bund spart.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
China feiert Militärparade mit Putin und Kim Jong-un
1 / 27
China feiert Militärparade mit Putin und Kim Jong-un

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat die grosse Parade zum Ende der japanischen Besatzung vor 80 Jahren eröffnet.

quelle: keystone / mahesh kumar
Auf Facebook teilenAuf X teilen
US-Angriff auf Schmugglerboot vor Venezuela
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
55 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Mr. Proper
03.09.2025 10:53registriert Dezember 2021
Eigentlich eine gute Sache, aber traurig, das es im Pflegeberuf so weit gekommen ist. Viele gut Ausgebildete verlassen den Job. Jetzt werden einfach neue Leute mit noch tieferem Lohn verheizt.
533
Melden
Zum Kommentar
avatar
zimo
03.09.2025 10:42registriert November 2021
die Rechnung geht vilt. für den Bund auf, aber ich habe bedenken. Ich habe über 10 Jahre als Dipl. gearbeitet und diese "Schnellbleiche" hat nicht nur Vorteile. va in der Langzeitpflege sind Sprach-und Kulturunterschiede nicht immer förderlich. Unsere Seniorinnen brauchen zt. eine einfühlsame Betreuung, als Dipl. mit mehrheitlich SRK hatte ich oft mehr zu tun, weil Symptome einfach auch nicht erkannt wurden. Teilweise kann dies Lebensgefährlich sein, ich könnte da einige Bsp. erzählen. Grundsätzlich ist die Idee gut, aber mMn sollte die Ausbildung ein wenig mehr Fundament haben
5811
Melden
Zum Kommentar
avatar
Fanfj
03.09.2025 10:58registriert Dezember 2020
Eigentlich eine gute Idee aber etwas möchte ich sagen. Pflegehelfer und Pflegeassistenten sind wichtig auch bei uns im Spital aber den grossen Mangel gibt es bei Dipl. Pflegefachpersonen. Und die Sprache kann ein Hinderniss sein vorallem in der Pflege. Ich habe in der Langzeit und im Akutbereich gearbeitet und kenne die Bereiche.
Natürlich sollen Geflüchtete Arbeit haben aber der SRK-Kurs ist (und ja denn habe ich absolviert) eher Augenwischerei. Lieber Intensiv Deutsch/Französich/Ital Unterricht und danach FaGe oder Dipl. ausbilden.
395
Melden
Zum Kommentar
55
A14 ist wegen eines Unfalls gesperrt
Wegen eines schweren Unfalls staut es sich am Mittwochnachmittag auf der A14 zwischen Zug und Luzern.
Die A14 ist zwischen der Verzweigung Rotsee und Buchrain wegen eines Unfalls gesperrt, meldet der TCS. Autofahrerinnen und -fahrern wird empfohlen, von Basel Richtung Schwyz via A2 und A4, von Luzern Richtung Zürich via A2 und A1 zu fahren. Die Wartezeit beträgt rund 45 Minuten.
Zur Story