
Die «Arena» über Femizide in der Schweiz (v. l. n. r.): Barbara Steinemann, Frank Urbaniok, Sandro Brotz, Silvia Vetsch und Tamara Funiciello. Bild: screenshot srf
Review
Die Schweiz muss Femizide verhindern – darin waren sich in der SRF-«Arena» alle einig. Doch wie viel ist der Schutz von Frauen wert?
30.08.2025, 04:3530.08.2025, 17:07
«Ni una menos» stand auf dem T-Shirt von SP-Nationalrätin Tamara Funiciello: Nicht eine weniger. Für einmal konnten sich alle «Arena»-Gäste auf einen feministischen Slogan einigen. Mit der Einigkeit war es in der «Arena» zu Femiziden aber schnell vorbei. Denn wer dachte, zu Frauenmorden gäbe es keine zwei Meinungen, wurde in dieser Sendung eines Besseren belehrt.
23 Femizide zählt die Rechercheplattform Stop Femizid für dieses Jahr in der Schweiz bereits – ein Höchstwert. In der «Arena» diskutierten darum zwei Politikerinnen aus den Polparteien, eine Frauenhausleiterin und ein forensischer Psychiater über die Frage: Was läuft schief? Und was muss geschehen?
Bei Moderator Sandro Brotz im Studio 8 zu Gast waren:
- Tamara Funiciello, Nationalrätin SP/BE
- Barbara Steinemann, Nationalrätin SVP/ZH
- Silvia Vetsch, Geschäftsleiterin Frauenhaus St.Gallen
- Frank Urbaniok, Professor für Forensische Psychiatrie
Ausserdem im Studio war:
- Manuel Niederhäuser, Leiter Bedrohungs- und Risikomanagement Kantonspolizei St.Gallen
«Femizid» – was taugt der Begriff?
Bevor die Diskussion richtig startete, bedurfte es zunächst einer Begriffsklärung. Was ist eigentlich ein Femizid? Brotz erklärte: Wenn ein Mann eine Frau tötet, weil sie eine Frau ist. So definierte die Soziologin Diana Russell Frauenmorde vor fast 50 Jahren. Heute ist der Begriff international in Gebrauch – Regierungen, Politikerinnen, Forscher nutzen ihn. In der Kriminalstatistik der Schweiz erscheint er allerdings nicht.
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann kritisierte den Begriff «Femizid». Er sei unscharf. Steinemann machte ein Beispiel: Wären die zwei Morde an Frauen, die die «Parkhausmörderin» in den 90er-Jahren aus Frauenhass verübt hatte, ebenfalls Femizide? Würden Femizide separat erfasst, könnte dies ausserdem den Eindruck erwecken, dass die Ermordung einer Frau schlimmer sei als die eines Mannes oder eines Kindes, fügte die SVP-Politikerin hinzu. Das widerspreche dem Gleichstellungsgebot im Strafrecht.
Tamara Funiciello von der SP stimmte zwar zu, dass die Bezeichnung «Femizid» in der öffentlichen Diskussion schwammig verwendet werde. Und stellte klar:
«Nicht jeder Mord an einer Frau ist ein Femizid.»
Tamara Funiciello, SP
Was den Begriff aber wichtig mache, sei, dass er den strukturellen Ursachen eines Mordes an einer Frau Sichtbarkeit verleihe, argumentierte Funiciello. Werde eine Frau – meist von einem Partner oder Ex-Partner – ermordet, stehe dahinter eine ganze Ideologie. Darin gehe es um den Willen nach Kontrolle über Frauen durch Männer, so Funiciello. Bei einem Femizid reiche dieser Kontrollwunsch so weit, dass der Mann darüber entscheiden wolle, ob die Frau leben dürfe oder nicht. Femizide seien die «Spitze der Gewaltpyramide», sagte die SP-Nationalrätin.
SP-Funiciello: «Gewalt gegen Frauen fängt nicht beim Femizid an»
Video: srf
SVP-Nationalrätin und Urbaniok sehen Migrationsproblem
Somit war die Diskussion über die Ursachen des Anstiegs von Femiziden eröffnet. Für den forensischen Psychiater Frank Urbaniok sind das einerseits eine aggressive gesellschaftliche Stimmung und andererseits überproportionale Kriminalität bei Menschen mit Migrationshintergrund «aus bestimmten Regionen».
Urbaniok, der bis 2018 Chefarzt des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes im Justizvollzugsamt des Kantons Zürich war, war nicht von ungefähr neben der SVP-Exponentin Steinemann platziert. In seinem kürzlich publizierten und umstrittenen Buch «Schattenseiten der Migration» hatte er Kriminalstatistiken nach Herkunft nachgerechnet und die Abschaffung des individuellen Asylrechts gefordert.
Spätestens mit einer provokativen Frage von Brotz waren die Lager geklärt: «Haben wir ein Ausländer- oder ein Männerproblem?»
Die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann war von Ersterem überzeugt. Sie verwies dafür unter anderem auf den hohen Anteil von Migrantinnen in Frauenhäusern. Es gebe sicherlich auch Schweizerinnen, die Partnerschaftsgewalt erleben würden – nur würden sich diese «bevor etwas passiert» wohl aus der gewaltvollen Beziehung lösen, mutmasste sie. Von Frauenhausleiterin Silvia Vetsch erntete sie mit dieser Aussage Kopfschütteln.
SVP-Steinemann: «Schweizer Frauen ziehen sich früher aus einer Beziehung heraus»
Video: srf
Und Gegenrede: Vetsch kennt als Leiterin des Frauenhauses St.Gallen die Situation jener Frauen, die häusliche Gewalt erleben und akut gefährdet sind. Dass häusliche Gewalt primär in migrantischen Familien stattfinde – oder in muslimischen, wie Steinemann und Urbaniok implizierten –, greife zu kurz, so Vetsch.
«Das ist kein Migrationsproblem. Das ist ein Problem von patriarchalen Strukturen.»
Silvia Vetsch, Leiterin Frauenhaus St.Gallen
Es sei tatsächlich so, dass mehr migrantische Personen im Frauenhaus Schutz suchen würden, so Vetsch. Diese Frauen hätten oft keine anderen Ausweichmöglichkeiten, während Schweizerinnen öfter bei Freunden oder Familie unterkommen könnten. In der Opferberatung, auf die nicht zwingend eine Anzeige bei der Polizei oder ein Aufenthalt im Frauenhaus folgt, sei das Bild ein anderes, erklärte Vetsch, die selbst 13 Jahre lang bei der Opferhilfe tätig war. Dort sei ein Querschnitt der Gesellschaft vertreten.
Frauenhausleiterin erklärt, warum es mehr Migrantinnen im Frauenhaus gibt:
Video: srf
Wie viel darf es kosten?
Was müsste sich ändern, damit in der Schweiz weniger Männer Frauen töten? Und wie viel darf das kosten? Auch in dieser Frage zeigten sich erhebliche Differenzen: Frauenhausleiterin Silvia Vetsch und SP-Nationalrätin Tamara Funiciello wiesen auf die Überbelegung und Unterfinanzierung der Frauenhäuser und anderer Opferhilfsangebote hin.
SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann forderte hingegen schwerere Strafen für Täter. So müssten auch weniger Ressourcen in den Opferschutz gesteckt werden, argumentierte sie. Als sie vorrechnete, wie teuer Frauenhäuser die öffentliche Hand zu stehen kommen, wurde Funiciello hässig. Gehe es im Parlament um Landwirtschaft oder Militär, würden schnell grosse Beträge fliessen, so Funiciello. Dass hingegen ein Frauenhaus als zu teuer gelte, zeige, welche Priorität die Sicherheit von Frauen im Parteiprogramm der SVP geniesse, verschaffte Funiciello ihrem Ärger Luft. Und betonte:
«Damit die Zahlen abnehmen, braucht es Ressourcen.»
Tamara Funiciello, SP
Funiciello konnte an diesem Abend für eine neue Initiative ihrer Partei werben: Die SP hatte am Freitag angekündigt, ein Volksbegehren gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu lancieren. 500 Millionen Franken soll der Bund laut der Initiative jährlich für Massnahmen zahlen.
Hier wird Funiciello hässig: «Ich glaube, ich höre nicht richtig, Frau Steinemann!»
Video: srf
Könnte das spanische Modell Abhilfe schaffen, das die Zahl der Femizide dort deutlich verringert hat – mit einer nationalen Datenbank, einem elektronischen Monitoring von potenziellen Gefährdern, spezialisierten Gerichten und umfassender Prävention?
Obwohl die Kosten beim Schutz von Menschenleben keine Rolle spielen sollten, seien diese Massnahmen dann doch sehr teuer, antwortete Steinemann. Und sie könnten zu einer Überwachungsstruktur führen, warnte sie mit Blick auf das elektronische Monitoring in Spanien.
SVP-Steinemann: «Menschenleben können nicht zu teuer sein, aber …»
Video: srf
Das Schlusswort hatte Frauenhausleiterin Silvia Vetsch. Sie nutzte es, um auf jene aufmerksam zu machen, die bei häuslicher Gewalt immer mitleiden, aber oft vergessen gehen würden: die Kinder.
«Das ist eine Katastrophe.»
Silvia Vetsch, Leiterin Frauenhaus St.Gallen
Da war er wieder, der kurze Moment der Einigkeit, mit der der Abend begonnen hatte.
Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung.
Betroffene können sich bei den kantonalen Opferhilfestellen melden, die auf der Website der Opferhilfe Schweiz zu finden sind. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und anonym. Sollten sich Frauen zu Hause nicht mehr sicher fühlen, finden sie in Frauenhäusern eine sichere Unterkunft. Weitere Unterstützung bietet das Frauen-Nottelefon. Betroffene Männer können sich an die Anlaufstelle Zwüschehalt oder an das Männerbüro Zürich wenden.
Bei Straftaten im Ausland können Schweizer Staatsangehörige die Helpline des EDA kontaktieren: +41 800 24 7 365.
Bei einem Brand in Höri ZH sind am Sonntagabend eine Halle und eine Scheune zerstört worden.
Die Bewohner eines nahegelegenen Wohnhauses blieben unverletzt, wie die Kantonspolizei Zürich in einer Mitteilung in der Nacht auf Montag schrieb.
Die die Migranten aus ihren Ländern mitbringen...
Wieso will man den Elefanten im Raum nicht ansprechen?
Was hat man davon, dass man die Hauptursache der vielen Femizide bei uns ausblendet?
Diese aggressive Art der Menschen aus bestimmten Regionen vergiftet das Klima hier. Beobachtbar im öffentlichen Raum. Nein, nicht die Norweger oder die Holländer, auch nicht die Spanier.
Ich hätte gerne gehört, dass Frank Urbaniok das Kind beim Namen nennt. Dann hätten wir Schnappatmung bei der SP. Es wird sich genau nichts ändern.
Die Kriminalstatistiken zeigen ein eindeutiges Bild, vor allem wenn man die Anzahl ins Verhältnis setzt. Schade, werden Doppelbürger nicht separat erfasst. Das würde das Bild vermutlich dann nochmal verdeutlichen.