Selten wurde für die Departementsverteilung schon so lange im Voraus öffentlich lobbyiert. Nun haben FDP und SVP erhalten, was sie wollten: Das Finanz- und das Energiedepartement. Die SP-Spitze zeigt sich erzürnt. SP-Bundesrat Alain Berset wählt eine andere Strategie.
Stefan Bühler / ch media
«Im Interesse des Landes»: Bundespräsident Ignazio Cassis stellte es vor den Medien so dar, als hätte der Bundesrat in einer zweistündigen Sitzung gerade die bestmögliche Lösung entwickelt. Nach seiner Version erfolgte die Verteilung der Departemente angesichts der «geopolitischen Instabilität» unter der Prämisse, sowohl «innenpolitisch als auch aussenpolitisch grösstmögliche Kontinuität» zu gewährleisten. Sicher ist: Der Entscheid fiel im Konsens, es gab keine Abstimmung.

Hat erhalten, was sie wollte: Neo-Finanzministerin Karin Keller-Sutter.Bild: keystone
Allerdings entspricht diese bundesrätliche Lösung exakt jener Variante, wie sie bürgerliche Spitzenpolitiker längst als gegeben bezeichnet haben: Albert Rösti, der neue SVP-Bundesrat, übernimmt das Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement (Uvek). FDP-Magistratin Karin Keller-Sutter wechselt vom Justiz- ins Finanzdepartement (EFD). Und Elisabeth Baume-Schneider von der SP erhält das Justizdepartement. Die andern vier Regierungsmitglieder behalten ihre Departemente.
Der Wunsch Keller-Sutters in die Finanzen zu wechseln, wurde schon seit Wochen ventiliert. Und die SVP erhob noch vor Röstis Wahl unverhohlen Anspruch auf das Uvek, mit offensichtlicher Billigung der FDP.
In den letzten Tagen waren es dann SP-Kreise, die weitere Wechsel ins Spiel brachten. Demnach liebäugelte Berset wie Keller-Sutter mit dem EFD, in Frage wäre für ihn auch ein Tausch mit Cassis zwischen Innen- und Aussendepartement gekommen. Als Variable stand Viola Amherds Wechsel vom Verteidigungsdepartement ins Uvek im Raum.
Da stellt sich nun die Frage: Welche Rolle spielten Berset und die Mitte-Bundesrätin bei der Bundesratssitzung am Donnerstag?
Wechseln oder bloss eine Grundsatzdebatte: Was wollte Berset wirklich?
Fragt man bei Bersets Co-Parteipräsident, Cédric Wermuth, nach, ist der Fall klar: «Das war eine Machtdemonstration der Vierermehrheit von SVP und FDP. Die Kollegialität wurde sicher nicht gestärkt, das erfüllt mich mit Sorge.»

Wenig begeistert: SP-Co-Präsident Cédric Wermuth.Bild: keystone
In der Tat liessen sich die Ereignisse der letzten 24 Stunden als krachende Niederlage für SP-Bundesrat Berset interpretieren: Bei seiner Wahl zum Bundespräsidenten erhielt er am Mittwoch 140 Stimmen, eine Schlappe. Nun hat das Regierungskollegium sowohl die Anciennität – er ist der Dienstälteste – als auch zwei Wünsche übergangen.
Bereits sehen ihn im Parlament viele auf Abschiedstour: Der Freiburger werde nach dem Präsidialjahr zurücktreten. Wermuth hingegen betont: «Ich bin sicher, dass wir in einem Jahr bei der Gesamterneuerung des Bundesrats für die SP zwei Namen zur Wahl empfehlen werden: Elisabeth Baume-Schneider und Alain Berset.» Dieser werde «auf jeden Fall» länger im Amt bleiben. Zufrieden ist Wermuth mit der Zuteilung des Justizdepartements an Baume-Schneider: «Sie wird eine sozialere Migrationspolitik machen, als wir das zuletzt gesehen haben.»
Doch wie stark war Bersets Wunsch auf einen Wechsel wirklich? War er tatsächlich bereit, das für die Gewerkschaften wichtige Innendepartement, die Gesundheits- und Sozialpolitik, in bürgerliche Hände geben?
Nicht um jeden Preis, ist nun, nach der Departementsrochade, zu hören. Wichtiger, so heisst es, sei ihm eine vertiefte, inhaltliche Diskussion über die künftige Ausübung der Departementsführung im Kreis des Bundesrats mit den neuen Mitgliedern gewesen. Diese habe er erhalten. Berset habe sich am Donnerstagabend deshalb zufrieden gezeigt.
Amherd will bleiben – angeblich wegen des Kriegs in der Ukraine
Das mag der Gesichtswahrung dienen, vielleicht stimmt es aber auch. Als Routinier hatte Berset sicher schon länger realisiert, dass seine Wechselabsichten kaum realistisch sind. Dafür hätte es mehr Bewegung gebraucht im Kollegium, namentlich auch von Viola Amherd.

Bleibt, wo sie ist: Verteidigungsministerin Viola Amherd.Bild: keystone
Als Bisherige hätte sie gute Chancen gehabt, das Uvek zu übernehmen und Rösti, den Neuling, ins Verteidigungsdepartement zu delegieren. Sie sei von vielen Seiten gedrängt worden, heisst es. Auch aus ihrer Partei. Denn das Uvek, das den Service public verantwortet, ist für die in den Bergkantonen starke Mitte-Partei von grosser Bedeutung. Doch Amherd soll sich auf den Standpunkt gestellt haben, in der Ukraine herrsche Krieg – da könne sie das Verteidigungsdepartement nicht verlassen.
So kam Rösti zum Handkuss. Ihm obliegt es nun, die Energiekrise zu bewältigen, die Klimapolitik zu steuern – und für die Zukunft der SRG die Weichen zu stellen. Die Erwartungen seiner Partei sind gross: «Die Strom-Mangellage zeigt, dass die Energiestrategie 2050 gescheitert ist», sagt Fraktionschef Thomas Aeschi, «wir erwarten von Albert Rösti deshalb eine neue Strategie.» Das brauche aber Einarbeitungszeit und eine seriöse Lagebeurteilung, «das lässt sich nicht von heute auf morgen umsetzen.»
Interessant wird sein, wie viel Support der SVP-Bundesrat von der FDP erhält. Diese bezeichnete die Departementsrochade als vielversprechend. (aargauerzeitung.ch)
Wärst du gerne Bundesrat? Wenn du von diesen Privilegien gehört hast, vermutlich schon
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