Die Corona-Leaks-Affäre rund um Bundesrat Alain Berset, seinen ehemaligen Kommunikationschef Peter Lauener und das Medienhaus Ringier hat bei allen beteiligten Parteien Staub aufgewirbelt. Und auch bezüglich Datenschutz bei E-Mails wirft der Fall Fragen auf – er zeigt nämlich auf, wie einfach die Staatsanwaltschaft in der Schweiz auf private Mails zugreifen kann und wie machtlos Betroffene demgegenüber sind. Denn grundsätzlich können die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz auf alle Mails auf einheimischen Servern ohne richterliche Genehmigung zugreifen, sofern ein Strafverfahren läuft.
Der oder die Betroffene hat dann theoretisch das Recht, nachträglich eine Siegelung der Dateien zu beantragen – was aber in der Praxis wegen zweierlei Punkten fragwürdig ist: Einerseits ergibt eine nachträgliche Siegelung nur bedingt Sinn, weil die Staatsanwälte bis zum Inkrafttreten dieser schon auf das Privatmaterial zugreifen können, andererseits werden Betroffene teils gar nicht oder sehr spät informiert, wie die «NZZ am Sonntag» unter Bezug auf eigene Recherchen berichtet.
So konnte auch im Fall Berset/Lauener der eingesetzte Sonderermittler Peter Marti während Monaten beinahe den gesamten Mailverkehr von Berset-Mediensprecher Lauener untersuchen, weil er ihn der Indiskretion verdächtigte, ohne dass dieser davon erfuhr. Sowohl Bund als auch die Swisscom übergaben Marti bereitwillig grosse Mengen an persönlichen Daten von Peter Lauener, sogar mehr als sie eigentlich gesetzlich hätten liefern müssen, wie die WOZ und Tamedia-Zeitungen berichteten.
Für den Rechtsanwalt und Strafrechtsspezialisten Niklaus Oberholzer, der bis 2019 Richter am Bundesgericht war, eine befremdliche Sachlage: «Dass die Staatsanwälte E-Mails ohne Bewilligung durch ein Gericht lesen können, lässt sich aus meiner Sicht nicht begründen. Da stimmt etwas Grundsätzliches nicht», sagt er gegenüber der «NZZ am Sonntag».
Auch, dass die Betroffenen teils nicht über die Untersuchung der Mails informiert werden, findet Oberholzer falsch: «Wenn das so ist, läuft etwas schief», sagt er im Interview mit der Zeitung.
Aus Datenschutzsicht ist allerdings eine Verbesserung in Sicht. Das Parlament hat kürzlich eine revidierte Strafprozessordung verabschiedet, die vorsieht, dass betroffene Personen zwingend auf das Siegelungsrecht hingewiesen werden müssen, wenn Staatsanwälte Kundendaten erhalten.
Auch die Swisscom will sich künftig sensibler im Umgang mit den Kundendaten zeigen. Als Inhaberin der E-Mail-Konten ihrer Kunden könnte sie nämlich ebenfalls die Siegelung beantragen, wenn Staatsanwälte Zugriff darauf erhalten möchten. Genau das wolle man in Zukunft in den jeweiligen Fällen auch prüfen, wie ein Sprecher der Telekomfirma der NZZ sagte. (con)