In den letzten Tagen wollten die Schlagzeilen um Bundespräsident Alain Berset nicht abreissen. Der SP-Politiker steht aufgrund der Corona-Leaks in der Kritik, einige Stimmen fordern seinen Rücktritt.
Beim Volk hat die Affäre um seinen ehemaligen Kommunikationschef Peter Lauener allerdings kaum Auswirkungen auf Bersets Beliebtheit. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage der «NZZ am Sonntag» gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Sotomo. Im Sympathie-Ranking der sieben Bundesräte landet Berset auf Rang drei, nur Parteikollegin Elisabeth Baume-Schneider und Viola Amherd (Mitte) schneiden besser ab.
Das erstaunliche dabei: Nur 30 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Berset nichts von Laueners Austausch mit RInger wussten, 41 denken das Gegenteil. Dass er dennoch zu den beliebteren Bundesratsmitgliedern gehört, liegt wohl daran, dass viele die Hauptschuld der Corona-Leaks nicht bei ihm sehen: Eine Mehrheit gibt diese Lauener, dann folgen die Person, welche die Mails den Medien leakte, und die Medien, welche die Affäre skandalisiert hätten.
Berset landete, noch hinter Ringier-CEO Marc Walder, an fünfter und letzter Stelle. Wohl auch aus diesem Grund lehnt mit 64 Prozent ein Grossteil der Befragten einen Rücktritt Bersets ab.
Bei Sotomo erklärt man sich diese Zahlen damit, dass die Bevölkerung die Corona-Leaks nicht als Skandal sehe, sondern als Affäre, bei der sich Medien und Politik gegenseitig hochschaukeln. Michael Hermann, Mitautor der Studie, sieht zudem Parallelen zu Donald Trump: «Man sieht hier, was wir in den USA im Zusammenhang mit dem Ex-Präsidenten seit längerem beobachten können: Die Fakten treten in den Hintergrund», sagt er gegenüber der NZZ am Sonntag.
Bei der Wahrnehmung gehe es nicht darum, ob jemand die Wahrheit sage, sondern ob es glaubwürdig wirke – dies sei bei Berset dank seines souveränen Auftretens der Fall.
Eine andere Meinung zur Causa Berset hat hingegen Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg. Er halte die Geschichte im Moment für eine der grössten staatspolitischen Krisen des Landes, sagte Sigg im Interview mit der «NZZ am Sonntag». Die Bevorzugung eines einzelnen Mediums würde er sogar als eine Art Korruption bezeichnen, ein Tauschgeschäft: «Es fliessen Informationen, dafür gibt es wohlwollende Berichterstattung», sagte Sigg.
Und diese habe dann möglicherweise auch die Entscheidungen des Bundesrates beeinflusst. Denn wenn etwas auf der Titelseite des Blick stehe, dann könne das Gremium ja fast nichts anders entscheiden. Etwas vom Schlimmsten an der Geschichte sei, dass nun der Eindruck der Kungelei von Politik und Medien entstehe. Das schwäche die Medien und die Demokratie.
Für Sigg ist es plausibel, dass Berset von den Indiskretionen nichts gewusst hat. Doch das spiele gar keine Rolle. Denn ein Bundesrat als Vorgesetzter müsse im Bild sein, was sein Pressechef mache und wie er arbeite. Und wenn er das nicht gewusst habe, dann sei das eben auch sein Problem.
Zwar dürfe man nicht vergessen, dass Berset das Land durch die Corona-Krise geführt habe. Doch für Sigg ist auch klar, dass der Gesundheitsminister auch wegen dieser positiven Berichterstattung in den Ringier-Medien während der ganzen Pandemie so gut da stand. Nun sei der Schaden angerichtet und diese Affäre werde ihm sicher mehr schaden als alle anderen vorher.
(dab)
Ogi war aber auch kein SVPler, wie es heute typisch ist. Dazumal war man noch anständiger, zurückhaltender, kompromissbereiter und umgänglicher…
Ein Opfer ist ganz sicher zu beklagen: die politische Kultur.