Schweiz
Coronavirus

Notrecht: Das Covid-19-Gesetz kommt ins Parlament

Die Strassensperren an der Grenze zu Frankreich werden entfernt an der Hueningerstrasse in Basel, am Freitag, 12. Juni 2020. Die Schweiz oeffnet am Montag, 15. Juni ihre Grenzen gegenueber den EU- und ...
Strassensperren wie hier an der Grenze zu Frankreich in Basel waren ein sichtbarer Ausdruck des Notrechts.Bild: keystone

Ein «Ermächtigungsgesetz»? Die Covid-19-Vorlage kommt ins Parlament

Der Bundesrat will das Corona-Notrecht in ein ordentliches Gesetz überführen. Diese Woche stimmt das Parlament darüber ab. Corona-Skeptiker wollen das Referendum ergreifen.
08.09.2020, 13:3709.09.2020, 09:35
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Vor einem halben Jahr hatte der Bundesrat die ausserordentliche Lage beschlossen und die Schweiz in den Stillstand versetzt. Die Frühjahrssession der eidgenössischen Räte wurde jäh abgebrochen. Nach zwei Sessionen in der BernExpo kehrt das Parlament diese Woche in das mit Plexiglasscheiben «aufgerüstete» Bundeshaus zurück.

Die wohl wichtigste Vorlage der Herbstsession ist das Covid-19-Gesetz. Mit ihm will der Bundesrat das Corona-Notrecht in die ordentliche Gesetzgebung überführen, bevor es Ende September automatisch abläuft. Am Mittwoch berät der Nationalrat das Gesetz, tags darauf ist der Ständerat am Zug. Nach Sessionsende soll es sofort in Kraft treten.

Roger Nordmann, SP-VD, und seine Ratskolleginen, haengen ihre Schutzmasken an den Plexiglas Scheiben auf, am ersten Tag der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 7. September 2020 im Na ...
Mit Plexiglas und Masken: So arbeitet das Parlament in der Herbstsession.Bild: keystone

Worum geht es?

Am 19. Juni erklärte der Bundesrat die ausserordentliche Lage für beendet. Gleichentags schickte er den Entwurf des Covid-19-Gesetzes in die Vernehmlassung. Der Bundesrat will sich damit vom Parlament die Befugnis geben lassen, aus seiner Sicht weiterhin notwendige Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fortzuführen oder anzupassen.

Konkret betrifft dies etwa Grenzkontrollen, eine Ausfuhrkontrolle für Schutzausrüstung, die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern oder den Schutz besonders gefährdeter Personen. Bei weiteren Massnahmen sah der Entwurf eine Anhörung der Kantone vor. Auch Finanzhilfen für Medien und Kulturschaffende und der Erwerbsersatz wurden aufgenommen.

Bundeskanzler Walter Thurnherr sprach bei der Vorstellung des Gesetzes von einem «ziemlichen Sammelsurium» an Massnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Corona-Epidemie stünden und nicht im Herbst automatisch ausser Kraft treten sollten. Es seien «klar begrenzte Befugnisse für einen klar begrenzten Zeitraum», betonte Thurnherr.

Was waren die Reaktionen?

Trotz den Zusicherungen des Bundeskanzlers wurde das Gesetz in der Vernehmlassung ziemlich zerzaust. Das Covid-19-Gesetz räume dem Bundesrat immer noch viel zu viel Macht ein, wurde vor allem bemängelt. Kritiker sprachen von einem «Ermächtigungsgesetz» und verwendeten damit einen historisch extrem belasteten Begriff aus der Nazizeit. Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen fluteten gar die Bundeskanzlei mit tausenden Eingaben.

Heftige Kritik kam auch von SVP, SP und FDP, die über die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments verfügen. Der Bundesrat musste deshalb das Gesetz erheblich abändern. Er will vor allem die Kantone stärker einbeziehen. Auch Branchenverbände, Sozialpartner, Parteien und weitere interessierte Kreise sollen «wenn immer möglich» eingebunden werden.

Die Kantone hatten das Gesetz mehrheitlich begrüsst. Sie verlangen aber mehr Spielraum für eigene Entscheide, weil nicht alle Regionen gleich stark vom Virus betroffen seien. Verkürzt wurde auch der Zeithorizont. Das Covid-19-Gesetz soll bis Ende 2021 befristet sein statt wie vom Bundesrat ursprünglich geplant bis Ende 2022.

Was ist zu erwarten?

Trotz zahlreicher Änderungsanträge vor allem von linker Seite dürften National- und Ständerat das Gesetz durchwinken. Das Parlament würde damit seinem bisherigen Muster in der Coronakrise treu bleiben. Obwohl Politiker und Parteien teilweise harte Kritik äusserten, segneten sie die Massnahmen des Bundesrats letztlich klar ab.

Kritiker sehen darin einen Ausdruck der Überforderung. «Das Parlament zeigt grosse Mühe, in einer schwierigen Zeit seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen und den Bundesrat demokratisch zu kontrollieren. Es wäre aber wichtig, dass es hier Verantwortung übernimmt», sagte der Basler Staatsrechtler Markus Schefer der «Sonntagszeitung».

Gibt es Widerstand?

Ein Plakat fotografiert neben die Schweizerische Bundesverfassung auf dem Bundesplatz waehrend einer Demonstration gegen Massnahmen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Samstag, 27. Juni ...
Protest gegen das Covid-Gesetz Ende Juni in Bern.Bild: keystone

Die Bundesverwaltung wurde während der Vernehmlassung mit mehr als 1000 Stellungnahmen im Umfang von über 9000 Seiten eingedeckt. Der grösste Teil stammte von Privatpersonen und war inhaltlich weitgehend identisch. Auch Mitglieder von National- und Ständerat wurden mit einer orchestrierten E-Mail-Aktion überflutet.

Dahinter stecken «Corona-Skeptiker», die die Notmassnahmen des Bundesrats aus verschiedenen Gründen ablehnen. Eine Gruppierung namens «Freunde der Verfassung» will das Referendum ergreifen. Das «Netzwerk Impfentscheid» will laut den Tamedia-Zeitungen eine Beteiligung prüfen. Es befürchtet einen Impfzwang.

Davon aber ist im Covid-19-Gesetz keine Rede. Die Grundlage für ein Impfobligatorium wäre das Epidemiegesetz, das 2013 vom Stimmvolk angenommen wurde, nachdem Impfgegner das Referendum ergriffen hatten. Ein ähnliches Szenario ist bei einer Volksabstimmung über das Covid-19-Gesetz absehbar. Sie würde frühestens im März 2021 stattfinden, nachdem das Gesetz fast seine halbe «Lebensdauer» hinter sich hätte.

Mit Material von Keystone-SDA

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quelle: keystone / peter schneider
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Bundesrats-PK 19.06.2020
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65 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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ch.vogel
08.09.2020 13:55registriert Mai 2014
Wenn die Kantone es mit den Massnahmen nicht gebacken kriegen, wird sofort ausgerufen, dass doch bitte sofort der Bund wieder übernehmen soll (Contact Tracing, einheitliche Massnahmen, etc...).

Und wenns aber dann drum geht, diese Befugnisse/Möglicheiten in einem *BEFRISTETEN* Gesetz umzusetzen ists auch wieder nicht recht und es wird mit permanentem Verlust der persönlichen Freiheit argumentiert...

Einfach nur 🤦‍♂️
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Ironiker
08.09.2020 14:19registriert Juli 2018
Politiker sind Machtmenschen. Man merkte, dass es den Räten gar nicht passte, dass der Bundesrat eigenmächtig entscheiden konnte.

Wäre das allerdings nicht so gewesen, würden links und rechts noch heute darüber debattieren, ob und welche Massnahmen ergriffen werden sollen.

Bei unserem politischen System können irgendwie alle mitreden. Ich finde das super. Aber dadurch ist es auch etwas träge. Und Trägheit vermag es in einer Krisenzeit halt einfach nicht leiden.

Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Schweizer trotzt Pannen im BAG, die Arbeit des Bundesrates rückblickend als gut einstufen!
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P. Meier
08.09.2020 14:17registriert März 2017
Heute am Radio gab es ein interessantes Interview mit den Präsidenten des National- und Ständerats. Da scheint im Hintergrund recht viel Austausch zwischen dem Parlament und dem Bundesrat erfolgt sein, ohne dass dies gross bekannt wurde. Was mir bei den Corona-Skeptikern etwas fehlt, sind Personen, welche für Massnahmen (oder aufgehobene Massnahmen) mit ihrem Namen hinstehen würden. Es wird gefordert und keine Lösungen präsentiert. Falls etwas negative Auswirkungen hat, wird das grossartig angeprangert, aber selbst würde nie die Verantwortung übernommen.
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