Vor einem halben Jahr hatte der Bundesrat die ausserordentliche Lage beschlossen und die Schweiz in den Stillstand versetzt. Die Frühjahrssession der eidgenössischen Räte wurde jäh abgebrochen. Nach zwei Sessionen in der BernExpo kehrt das Parlament diese Woche in das mit Plexiglasscheiben «aufgerüstete» Bundeshaus zurück.
Die wohl wichtigste Vorlage der Herbstsession ist das Covid-19-Gesetz. Mit ihm will der Bundesrat das Corona-Notrecht in die ordentliche Gesetzgebung überführen, bevor es Ende September automatisch abläuft. Am Mittwoch berät der Nationalrat das Gesetz, tags darauf ist der Ständerat am Zug. Nach Sessionsende soll es sofort in Kraft treten.
Am 19. Juni erklärte der Bundesrat die ausserordentliche Lage für beendet. Gleichentags schickte er den Entwurf des Covid-19-Gesetzes in die Vernehmlassung. Der Bundesrat will sich damit vom Parlament die Befugnis geben lassen, aus seiner Sicht weiterhin notwendige Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie fortzuführen oder anzupassen.
Konkret betrifft dies etwa Grenzkontrollen, eine Ausfuhrkontrolle für Schutzausrüstung, die Versorgung mit wichtigen medizinischen Gütern oder den Schutz besonders gefährdeter Personen. Bei weiteren Massnahmen sah der Entwurf eine Anhörung der Kantone vor. Auch Finanzhilfen für Medien und Kulturschaffende und der Erwerbsersatz wurden aufgenommen.
Bundeskanzler Walter Thurnherr sprach bei der Vorstellung des Gesetzes von einem «ziemlichen Sammelsurium» an Massnahmen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Corona-Epidemie stünden und nicht im Herbst automatisch ausser Kraft treten sollten. Es seien «klar begrenzte Befugnisse für einen klar begrenzten Zeitraum», betonte Thurnherr.
Trotz den Zusicherungen des Bundeskanzlers wurde das Gesetz in der Vernehmlassung ziemlich zerzaust. Das Covid-19-Gesetz räume dem Bundesrat immer noch viel zu viel Macht ein, wurde vor allem bemängelt. Kritiker sprachen von einem «Ermächtigungsgesetz» und verwendeten damit einen historisch extrem belasteten Begriff aus der Nazizeit. Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen fluteten gar die Bundeskanzlei mit tausenden Eingaben.
Heftige Kritik kam auch von SVP, SP und FDP, die über die Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments verfügen. Der Bundesrat musste deshalb das Gesetz erheblich abändern. Er will vor allem die Kantone stärker einbeziehen. Auch Branchenverbände, Sozialpartner, Parteien und weitere interessierte Kreise sollen «wenn immer möglich» eingebunden werden.
Die Kantone hatten das Gesetz mehrheitlich begrüsst. Sie verlangen aber mehr Spielraum für eigene Entscheide, weil nicht alle Regionen gleich stark vom Virus betroffen seien. Verkürzt wurde auch der Zeithorizont. Das Covid-19-Gesetz soll bis Ende 2021 befristet sein statt wie vom Bundesrat ursprünglich geplant bis Ende 2022.
Trotz zahlreicher Änderungsanträge vor allem von linker Seite dürften National- und Ständerat das Gesetz durchwinken. Das Parlament würde damit seinem bisherigen Muster in der Coronakrise treu bleiben. Obwohl Politiker und Parteien teilweise harte Kritik äusserten, segneten sie die Massnahmen des Bundesrats letztlich klar ab.
Kritiker sehen darin einen Ausdruck der Überforderung. «Das Parlament zeigt grosse Mühe, in einer schwierigen Zeit seine Aufgaben wirksam wahrzunehmen und den Bundesrat demokratisch zu kontrollieren. Es wäre aber wichtig, dass es hier Verantwortung übernimmt», sagte der Basler Staatsrechtler Markus Schefer der «Sonntagszeitung».
Die Bundesverwaltung wurde während der Vernehmlassung mit mehr als 1000 Stellungnahmen im Umfang von über 9000 Seiten eingedeckt. Der grösste Teil stammte von Privatpersonen und war inhaltlich weitgehend identisch. Auch Mitglieder von National- und Ständerat wurden mit einer orchestrierten E-Mail-Aktion überflutet.
Dahinter stecken «Corona-Skeptiker», die die Notmassnahmen des Bundesrats aus verschiedenen Gründen ablehnen. Eine Gruppierung namens «Freunde der Verfassung» will das Referendum ergreifen. Das «Netzwerk Impfentscheid» will laut den Tamedia-Zeitungen eine Beteiligung prüfen. Es befürchtet einen Impfzwang.
Davon aber ist im Covid-19-Gesetz keine Rede. Die Grundlage für ein Impfobligatorium wäre das Epidemiegesetz, das 2013 vom Stimmvolk angenommen wurde, nachdem Impfgegner das Referendum ergriffen hatten. Ein ähnliches Szenario ist bei einer Volksabstimmung über das Covid-19-Gesetz absehbar. Sie würde frühestens im März 2021 stattfinden, nachdem das Gesetz fast seine halbe «Lebensdauer» hinter sich hätte.
Mit Material von Keystone-SDA
Und wenns aber dann drum geht, diese Befugnisse/Möglicheiten in einem *BEFRISTETEN* Gesetz umzusetzen ists auch wieder nicht recht und es wird mit permanentem Verlust der persönlichen Freiheit argumentiert...
Einfach nur 🤦♂️
Wäre das allerdings nicht so gewesen, würden links und rechts noch heute darüber debattieren, ob und welche Massnahmen ergriffen werden sollen.
Bei unserem politischen System können irgendwie alle mitreden. Ich finde das super. Aber dadurch ist es auch etwas träge. Und Trägheit vermag es in einer Krisenzeit halt einfach nicht leiden.
Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Schweizer trotzt Pannen im BAG, die Arbeit des Bundesrates rückblickend als gut einstufen!