Die Lust auf Openair und Party ist nach einem Jahr Corona-Zwangspause gigantisch. Umso mehr, als das T-Shirt-Wetter so richtig Bock auf Konzerte macht. Den Musikfestivals läuft aber die Zeit davon. Bis circa März müssen sie wissen, ob und unter welchen Bedingungen diesen Sommer Grossevents stattfinden können. Denn je länger die Veranstalter zuwarten, desto grösser ist bei einer Absage der finanzielle Schaden. Nun will der Bundesrat frühestens am 19. März über erste Lockerungen im Kulturbereich entscheiden. Noch ist völlig offen, wie diese aussehen könnten.
Was bedeutet das für die Festivals? Bei den Kulturschaffenden ist die Stimmung gedämpft. Ob mit Künstlerinnen, Bookern oder Organisatoren: watson hat mit mehreren Brancheninsidern gesprochen. «Es ist eine Illusion, dass diesen Sommer grosse Festivals stattfinden», heisst es unisono. Zitieren lassen will sich allerdings niemand mit Namen. Zu fragil ist die Situation momentan. «Einige Bands haben Auftritte bereits abgesagt. So bricht der internationale Tournee-Plan auseinander», illustriert ein Manager ein weiteres Problem.
Ein Fünkchen Hoffnung bleibt. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Ankündigung der Briten, ab Ende Juni alle Corona-Massnahmen aufzuheben und auch Konzerte zu erlauben. «Nur eines ist sicher: Wir werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit wir das Festival durchführen können – wenn wir rechtzeitig grünes Licht vom Bund erhalten», sagt Lena Fischer vom Gurtenfestival, das Mitte Juli stattfinden soll.
Christoph Bill, Präsident des Branchenverbands Schweizer Konzert-, Show- und Festivalveranstalter (SMPA) und Leiter des Heitere Open Air in Zofingen AG, hofft, dass zumindest ab Mitte Juni erste Konzerte steigen können. «Wir verlangen vom Bund keine schnellen Öffnungen, sondern einen Plan. Wir müssen wissen, mit welchen Öffnungsszenarien wir rechnen können.»
Für Anlässe, die wie das Openair Gampel im Spätsommer angesetzt sind, sieht es etwas besser aus. Bis Mitte August dürften (Stand Februar) ausreichend Menschen geimpft sein. Wenn die Corona-Mutanten nicht für neue Probleme sorgen.
Im Wallis plant man fix, das Festival durchzuführen: «Wir sehen Impfungen in Kombination mit Schnelltests vor», sagt Gampel-Organisator Roman Pfammatter zum Blick. Mit Ausnahme von engen Bereichen wie vor der Bühne könnte zudem auf Masken verzichtet werden.
Weniger euphorisch ist Philippe Cornu. Der Berner ist Vorstandsmitglied der European Festival Association und organisiert das Seaside Festival in Spiez BE. Dieses gehört mit 10'000 Besuchern/Tag zu den mittelgrossen Schweizer Openairs und steigt Anfang September. «Wir geben die Hoffnung nicht auf. Aber derzeit bleibt uns nichts anderes übrig, als auf klare Vorgaben des Bundes zu warten», sagt Cornu, der ein alter Hase im Musikbusiness ist.
Branchenkenner gehen davon aus, dass es erneut einen «intimen Sommer» mit kleineren Gigs gibt. Sei es in den Quartieren oder auf dem Land. So wie etwa bei den Konzerten am Blausee im Kandertal, als im September 2020 an sechs Abenden je 1000 Besucher Patent Ochsner zujubelten.
So oder so sollten sich Musik-Liebhaber das Jahr 2022 bereits dick in der Agenda anstreichen. «Wenn uns das Virus in Ruhe lässt, werden 2022 so viele Konzerte wie noch nie steigen. Jede Band wird auf Tournee sein», so Cornu weiter. Dann gelte es, die viele ausgefallenen Konzerte nachzuholen.
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