Kurz vor der Einfahrt in den Gotthardtunnel in Göschenen steht ein Polizist mit Warngilet auf der Fahrbahn. Er stoppt die Autofahrer, nur jene mit einem Tessiner- oder Italienkontrollschild lässt er vorbeifahren. Auch wer zum Waren- oder Berufsverkehr gehört, darf weiterfahren. Alle anderen müssen beim Kontrollplatz ausfahren.
Dort wartet bereits eine Handvoll Polizisten, ebenfalls in gelben und orangen Leuchtwesten gekleidet. Sie sind mit Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionsmitteln ausgestattet und suchen das Gespräch mit den Autofahrern. Sie reden ihnen ins Gewissen und verteilen Flyer.
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«Es ist nicht der richtige Zeitpunkt für einen Besuch im Tessin. Restaurants, Hotels und Campingplätze sind geschlossen. Bitte bleiben Sie zu Hause», steht darauf geschrieben. Die kantonalen Behörden empfehlen den ausserkantonalen Gästen «dringendst», während der Osterferien und «bis auf weiteres» sich weder im Tessin aufzuhalten noch durch den Kanton zu fahren oder Freizeit- und Sportaktivitäten auszuüben.
Damit wollen die Polizisten die Reisenden während der Ostertage zum Umkehren animieren – ob sie das dann tatsächlich tun, ist den Fahrern überlassen.
Die Kontrollen sind eine Sensibilisierungsaktion der Kantonspolizeien Uri und Tessin. Vor dem San Bernardinotunnel sieht es gleich aus; dort ist die Bündner Polizei im Einsatz. Kontrollen vom Tessin her gibt es keine.
An der Medienkonferenz vom Dienstag appelliert Gustav Planzer, Mediensprecher der Kantonspolizei Uri, an die Eigenverantwortung der Bevölkerung. Er hoffe weiterhin auf grosse Solidarität – bis jetzt habe die Verkehrsbelastung im Vergleich zum Vorjahr um fast 90 Prozent abgenommen.
Heisst konkret: In der Woche vor Palmsonntag fuhren letztes Jahr 55'391 Autos auf der A2 Richtung Süden. Heuer waren es nur noch 6144 Fahrzeuge. Während der Osterwoche befanden sich 2019 62'073 Autos auf dem Abschnitt. Dieses Jahr erwartet die Kantonspolizei Uri von Donnerstag bis Montag aufgrund der Coronanotlage schätzungsweise 6500 Autos.
Während der Festtage heisst das Motto nicht mehr nur «Bleiben Sie zu Hause», sondern «Wenn Sie das Tessin lieben, bleiben Sie jetzt zu Hause». Dies betont auch Marco Guscio von der Tessiner Kantonspolizei. Er spricht gezielt die «Freunde aus der Deutschschweiz und der Romandie» an – nur so könne man dem Tessin helfen. «Wir leben zwar vom Tourismus, aber nicht jetzt», sagt Guscio und ergänzt: «Gerade vor wenigen Minuten hat das Tessin den 200. Toten aufgrund des Coronavirus verzeichnet.»
Die Empfehlungen gelten auch für Personen mit Tessiner Zweitwohnsitz. Planzer erklärt: «Jede weitere Person, die sich im Tessin aufhält, belastet die Infrastruktur zusätzlich. Und die Belastung im Gesundheitswesen ist jetzt schon enorm hoch.» Eine Strassensperrung oder ein Verbot gibt es aber nicht, dafür fehlen die gesetzlichen Grundlagen.
«Wir haben dies nochmals abgeklärt», sagt Planzer. Der Bund sei davon überzeugt, dass der Appell an die Bevölkerung, auch über die Festtage zu Hause zu bleiben, das richtige Vorgehen sei. Der Kantonspolizei sind somit die Hände gebunden.
Im Anschluss an die Medienkonferenz versichert Planzer, die Polizei tue ihr Bestes, damit die Situation im Tessin nicht noch weiter verschärft werde. Kontrolliert wird während acht Stunden pro Tag – dann, wenn erfahrungsgemäss am meisten Fahrer auf der Strasse sind. Wie viele Personen die Beamten tatsächlich dazu bewegen können, ihre Entscheidung zu überdenken und umzukehren, kann der Mediensprecher nicht einschätzen. Sicher sei jedoch: «Jede Person, die es sich aufgrund unserer Kontrollen anders überlegt, ist ein Gewinn.»