Im Coronafrühling 2020 herrschte im Verteidigungsdepartement (VBS) und der Armeeapotheke die Stufe «rot», wie es im Beschaffungsprotokoll rückblickend heisst. Der Grenzverkehr zu Italien, Österreich und Deutschland war eingeschränkt worden, am 16. März rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» aus und beschloss den Lockdown. Gleichzeitig wurden die Reserven an Schutzmasken knapp. Die Bestände reichten noch vier Wochen.
Vor diesem Hintergrund bestellte die Armeeapotheke Mitte März bei der Zuger Emix Trading AG – die beiden Jungunternehmer sind mittlerweile Millionäre – 400'000 Stück der «Atemschutzmaske FFP2 Chemi-Pharma». Preis pro Stück: 9.90 Franken. In der Woche darauf schlug der Bund nochmals zu und bestellte vom gleichen Typ weitere 250'000 FFP2-Masken für je 8.50 Franken. Gesamtkosten: 6.085 Millionen Franken.
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Daneben kaufte der Bund damals nochmals 110'000 FFP2-Masken des Typs Yuenfong bei den gewieften Zürcher Jungunternehmern. Für diese verlangten sie 9.50 Franken pro Stück. Kostenpunkt nochmals über eine Million Franken.
Diese Preise zu Lasten der öffentlichen Hand sorgten für harsche Kritik. Nun zeigt sich, dass die beiden gelieferten Masken-Typen der Emix auch wenig Schutz boten – und das VBS bereits im April davon wusste.
Dies belegen zwei Prüfberichte, die CH Media vorliegen. Die ägyptischen «Chemi Pharma»-Masken waren nicht nur mutmasslich gefälscht, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Im Test im Labor Spiez, den Oberfeldarzt Andreas Stettbacher am 24. April 2020 durchführen liess, fiel eine von vier dieser Masken durch. Sie wies einen sogenannten Gesamt-Fit-Faktor von durchschnittlich 4.6 auf – nötig wäre mindestens ein Wert von 13 gewesen. Ihr Schutz war also klar ungenügend. Eine weitere Maske wurde wegen offensichtlicher Leckage gar nicht mehr für die Bewertung berücksichtigt.
Noch schlechter schnitten die Yuenfong-Masken der Emix ab. Das Labor Spiez testete sie vier Tage zuvor, am 20. April 2020. Sie erreichten beim besagten Gesamt-Fit-Faktor die miserablen Werte zwischen 1.6 und 4.1. Wiederum hätte der genügende Wert bei 13 gelegen. Die Tester stellten weiter fest, dass alle Masken «leckten», weil sie zu gross geschnitten waren. Bei den ägyptischen Masken hatten die Experten bemerkt, dass diese auf der Nase leicht rutschten.
Die Tests im April 2020 sind brisant, weil das VBS die Masken des Typs «Chemi-Pharma» erst am 9. Juli 2020 zurückrief – also mehr als zwei Monate nachdem die eigenen Prüfungen Qualitätsmängel festgestellt hatten.
Bis im Juli waren somit 30'000 «Chemi-Pharma»-Masken in den Kantonen im Einsatz. Dort tauchten Unstimmigkeiten auf. Das Kantonsspital Waadt, das selbst bei der Emix Masken beschafft hatte, schickte die Lieferung wegen fehlender Rückverfolgbarkeit noch auf der Rampe zurück.
Der Kanton Zug hatte beim Bund 20'000 Yuenfong-Masken bezogen und in der Verwaltung, an Schulen, in Gerichten und Gefängnissen abgegeben. In Eigenregie stoppte der kantonale Krisenstab im Herbst 2020 den Einsatz der Masken, nachdem erste Fragen aufgetaucht waren. «Rückblickend denke ich, war dieses Vorgehen vernünftig», sagt Urs Marti, Leiter der Stabsstelle Notorganisation.
Anders beim VBS: Es reagierte erst mit einem Rückruf, als das Labor des Universitätsspitals Genf dem Bund gemeldet hatte, es gebe mit verschiedenen Maskentypen ein Schimmelproblem – darunter mit «Chemi-Pharma». Kein Handlungsbedarf erkannte der Bund beim Typ Yuenfong. Das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz sah dies wie der Kanton Zug anders und wies die Bezüger am 23. Dezember 2020 an, sie wegen Mängeln «auszusortieren».
Bei der Bundesanwaltschaft (BA) ist Strafanzeige gegen unbekannt im VBS beziehungsweise gegen verschiedene damals leitende Personen im Departement von Bundesrätin Viola Amherd eingegangen. Die Vorwürfe lauten unter anderem: Die damaligen Verantwortlichen hätten wahrheitswidrige Aussagen über Preise und Qualität verbreitet. Zudem sei der Rückruf der mangelhaften Emix-Masken zu spät erfolgt und der Kaufpreis hätte zurückgefordert werden müssen.
Auf Anfrage von CH Media erklärt die Bundesanwaltschaft, im Mai 2021 sei ein Strafverfahren «im Kontext der Maskenbeschaffung durch das VBS» eröffnet worden. Dieses ist derzeit noch hängig. Bisher war erst bekannt, dass die BA ein Verfahren geprüft hatte. Ebenfalls ermittelt die Zürcher Staatsanwaltschaft III für Wirtschaftskriminalität seit Anfang 2021 in einem Strafverfahren gegen die Emix Trading.
Derweil beugt sich die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats über die Maskenbeschaffung der Armeeapotheke. Sie fokussiert auf «den konkreten Ablauf der Maskenbeschaffung durch die Armeeapotheke und die Qualitätskontrolle der Masken», wie es im kürzlich erschienenen Jahresbericht heisst. Die Ergebnisse dieser Untersuchung will sie im ersten Quartal dieses Jahres vorlegen, sagt Nicolo Paganini, Präsident der zuständigen Subkommission in der GPK.
Das VBS erklärt auf Anfrage, die Prüfberichte hätten «von der Nutzung nicht abgeraten». In Anbetracht der kritischen Mangellage im Frühling 2020 habe sich die Armeeapotheke damals entschieden, das Produkt anzunehmen und einzusetzen. «Die Masken wurden als gebrauchstauglich eingestuft», sagt Armeesprecher Stefan Hofer.
Dies erstaunt, hatte doch das Labor Spiez die Yuenfong-Masken – sowie eine von vier «Chemi-Pharma»-Masken - als klar ungenügend eingestuft. Wie konnte sie das VBS als «tauglich» bezeichnen? Der Grund liegt beim Testverfahren. Das Labor Spiez hatte vor Covid-19 nie Atemschutz- oder Hygienemasken getestet und war dafür nicht akkreditiert. Deshalb entwickelte es ein «behelfsmässiges Ad-hoc-Verfahren». Damit habe man «offensichtliche Qualitätsmängel» feststellen wollen, hält das VBS fest. «Diese Plausibilitätsprüfungen haben keine Aussagekraft bezüglich einer Normerfüllung.»
Zu den Passproblemen bei beiden Masken-Typen sagt das VBS: «Gerade zu diesem frühen Beschaffungszeitpunkt waren praktisch nur Atemschutzmasken verfügbar, die auf asiatische Kopfformen konzipiert waren und daher bei europäischen Kopfformen eine eingeschränkte Passform aufwiesen.» Und bei den Yuenfong-Masken, die im Test miserabel abgeschnitten hatten, verweist das VBS auf ein sogenanntes CPA-Zertifikat aus Deutschland vom 11. April 2020. Tatsächlich hatte die Maske diesen Test bestanden. Unerwähnt bleibt, dass dieser Standard im Zuge der Corona-Notsituation stark heruntergeschraubt worden war und etwa keine Leckage-Tests beinhaltete.
Beide besagten Emix-Masken verfügen laut Emix über eine Prüfung des TÜV Rheinland Shanghai beziehungsweise des TÜV Nord. Die Emix schreibt auf Anfrage: «Die von Emix gelieferten Atemschutzmasken, einschliesslich Yuenfong und Chemipharma, waren in Ordnung, wie auch TÜV-Berichte sowie das VBS als Kunde bestätigen. Anderslautende Vorwürfe sind haltlos und können widerlegt werden.»
Schadenfreude sei keine Zier.
Allein, bei schnösligen Masken-Jungmillionären
kann ich mich selbiger doch kaum erwehren.
In diesem Sinne: Haw haw! Und viel Erfolg an die Ermittler der Bundesanwaltschaft. Macht sich im CV sicher noch fresh, dudes!
PS: Gerne auch nachforschen, wer für die beiden Jungs den Türöffner und mit wessen Kapital die beiden Unternehmer gespielt haben. Da ist noch einiges äusserst unsauber in Sachen Krisengewinnler, die mangelnden Anstand durch umso mehr Gier zu substituieren suchen.
In die eigene Tasche wirtschaften…