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Coronavirus

Coronavirus: Politiker fordern Ausrufung der ausserordentlichen Lage

Politiker fordern Ausrufung der ausserordentlichen Lage: «Die Situation ist gegeben»

Das neue Omikron-Virus dürfte nach den Festtagen für hohe Fallzahlen sorgen. Medizinethiker sind nervös und schlagen Alarm. Auch aus der Politik werden Forderungen laut, die ausserordentliche Lage auszurufen. Doch es gibt Vorbehalte.
23.12.2021, 09:35
Nina Fargahi, Chiara Stäheli / ch media
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Kurz vor Weihnachten wütet die neue Virusvariante Omikron auch in der Schweiz und treibt die Fallzahlen in die Höhe. In der zweiten Januarwoche könnte es zu 25000 Ansteckungen pro Tag kommen. Das zeigt eines der Szenarien der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes.

In einer Lagebeurteilung vom Montag präsentierten die Experten neue Zahlen, die auf der erhöhten Übertragbarkeit von Omikron basieren. In Südafrika, Grossbritannien und Dänemark verdoppelten sich die Omikron-Fallzahlen jeweils innert kürzester Zeit, so die Wissenschafter.

Gleichzeitig haben hierzulande nur 18.8 Prozent die Boosterimpfung erhalten. Das Weihnachtsfest könnte noch glimpflich verlaufen. Patrick Mathys vom BAG bezeichnet diese Tage als «Ruhe vor dem Sturm». Die Frage ist aber: Was passiert, wenn der Sturm losgeht?

Politiker und Staatsrechtler rufen nach Massnahmen

Der Solothurner FDP-Nationalrat Kurt Fluri schlägt Alarm:

Kurt Fluri, FDP-SO, spricht zur Grossen Kammer, an der Sondersession des Nationalrats, am Dienstag, 4. Mai 2021 in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Kurt Fluri: «Der Bundesrat muss fähig sein, situativ und schnell reagieren und entscheiden zu können.»Bild: keystone
«Die Situation ist gegeben, die ausserordentliche Lage auszurufen; sie wäre aus staatspolitischer Sicht gerechtfertigt.»

Omikron verbreite sich dermassen schnell, dass dem Bundesrat wohl keine Zeit bleibe, um Vernehmlassungen in den Kantonen durchzuführen. «Der Bundesrat muss fähig sein, situativ und schnell reagieren und entscheiden zu können, wenn sich die Lage weiter verschlimmert.» Es sei ähnlich wie in der ersten Welle, und wenn die Fallzahlen und Hospitalisierungen weiterhin steigen, dann könnte es noch dramatischer werden.

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Der Schweizer Staatsrechtler René Rhinow sagt im Interview: «Ich gehe davon aus, dass die Voraussetzungen für die ausserordentliche Lage erfüllt wären, jedenfalls angesichts der drohenden Entwicklung.» Ein anderer prominenter Staatsrechtler, Rainer J. Schweizer, sagte gegenüber dem «Blick»: «Wenn ich sehe, dass die Intensivstationen zahlreicher Spitäler schon wieder voll sind und wir mehr Todesfälle zu beklagen haben als bei anderen Wellen, dann ist es eindeutig: Wir befinden uns wieder in der ausserordentlichen Lage.»

Zahl der Hospitalisierungen ist Gradmesser für Massnahmen

Am Mittwoch haben Medizinethiker einen Appell mit hoher Dringlichkeit veröffentlicht. Sie warnen vor Triagen in den Spitälern. «Wir sind erneut in einer sehr kritischen Phase», schreiben sie. Die neue Virusvariante könne zu einem plötzlichen und starken Wiederanstieg der Fallzahlen und Spitaleinweisungen führen. «Ein zu langes Zögern hat fatale Folgen», so die Medizinethiker an die Adresse der Behörden.

Auch FDP-Nationalrat Philippe Nantermod zeigt sich besorgt. Die Zahl der Hospitalisierungen sei ausschlaggebend.

«Die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen zum Schutz der Ungeimpften müssen jetzt strikt umgesetzt werden.»

Denn vor allem Ungeimpfte hätten schwere Verläufe. Nicht nur, so die Medizinethiker: «Durch die hohen Ansteckungsraten erkranken auch geimpfte, medizinisch vulnerable Personen, wieder schwer an Covid.»

Kritische Infrastruktur soll sich auf Notfall vorbereiten

Ausserdem werden aufgrund der erwarteten Neuinfektionen auch viele arbeitstätige Personen erkranken, die dann wegen Isolation oder Quarantäne ausfallen. Es stellt sich die Frage, ob die sogenannte «kritische Infrastruktur» noch ausreichend betrieben werden kann. Ohne Pflegende, Busfahrer, Lokführerinnen, Müllmänner und AKW-Mitarbeitende – also ohne all die systemrelevanten Arbeitstätigen – dürfte der Alltag in der Schweiz rasch zusammenbrechen.

Beim Bund sei man darauf vorbereitet, betont Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung beim BAG. Nach zwei Jahren Pandemie gehe er davon aus, dass die betroffenen Betriebe Vorkehrungen getroffen und eine Planung für die Aufrechterhaltung des Betriebs im Notfall ausgearbeitet hätten.

Mathys zeigt sich verhalten optimistisch: «Die erwarteten hohen Fallzahlen können eine Herausforderung werden, aber ich glaube nicht, dass wir in eine Situation kommen, wo dann nichts mehr funktioniert.»

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187 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Patho
23.12.2021 09:51registriert März 2017
Nicht die Ungeimpften müssen geschützt werden, sondern die Unmündigen, die Notfälle (Krebs, Unfall, etc.) und das Gesundheitspersonal!
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mrmikech
23.12.2021 09:46registriert Juni 2016
"Ohne Pflegende, Busfahrer, Lokführerinnen, Müllmänner und AKW-Mitarbeitende – also ohne all die systemrelevanten Arbeitstätigen – dürfte der Alltag in der Schweiz rasch zusammenbrechen."

Danke an alle die sich impfen lassen haben. Leider haben nicht alle das herz auf dem rechten fleck...
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Gulli
23.12.2021 10:01registriert September 2015
Es kann nicht so schlimm sein in Grossbritanien, denn schliesslich kommen von da über die Weihnachtstage tausende Skitouristen in die Schweiz. Nach Frankreich und Österreich dürfen sie nicht mehr, also empfangen wir sie mit offenen Armen. Business first in den SVP Hochburgen im Berner Oberland.
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