Australien ist unser Grippebarometer. Und diesen Sommer hat das Influenzavirus dort gewütet. Da besteht das Risiko, dass die Grippe auf ihrer Welttournee diesen Winter auch bei uns heftig ausfallen könnte. Sicher ist das nicht. «In Australien war die Grippewelle diesen Sommer zwar relativ stark, aber nicht überwältigend», sagt Professor Huldrych Günthard, Infektiologe am Universitätsspital Zürich.
Zuvor hat die Grippe in Australien wie auch in der Schweiz geruht. Im Frühjahr 2020 hat es während der ersten Welle in der Schweiz zwar noch Influenza gegeben, doch wurde die Verbreitung durch den Lockdown sofort unterbunden. Im Winter 21/22 gab es praktisch keine Influenzafälle. Dies, weil sich wegen der vielen Lockdowns weltweit das Virus global kaum mehr verbreiten konnte. Und weil durch den für die Schweiz spezifischen zweiten Lockdown während der zweiten Welle Influenza keine Chance hatte. «Das zeigt eindrücklich, wie stark die Masken und andere Massnahmen wirken», sagt Günthard. Auch im letzten Winter wäre es wohl zu einer Grippewelle gekommen, wenn diese nicht mit den Coronamassnahmen gestoppt worden wäre.
Solche Schutzmassnahmen sind in den nächsten Monaten nicht zu erwarten, was die Grippewelle beschleunigen könnte. Möglich ist auch, dass die Influenzaviren leichteres Spiel haben, weil wir weniger Kontakte hatten und unser Immunsystem nicht gegen die Grippe trainiert wurde über die letzten zwei Jahre. Der fehlende natürliche Grippebooster führt zu einer schwächeren Influenzaimmunität in der Bevölkerung. Das ist insbesondere bei kleineren Kindern der Fall, die noch nie mit einem Influenzavirus Kontakt hatten, sagt Günthard.
Deshalb erwartet der Infektiologe eine Grippewelle, er kann aber nicht sagen, in welchem Ausmass. Das bestätigt auch Domenica Flury, Oberärztin an der Klinik für Infektiologie am Kantonsspital St.Gallen:
Möglich ist jedenfalls, dass es wegen der Grippe zu einer hohen Belastung des Gesundheitswesens kommen könnte. Denn die Betten seien generell einfach zu knapp in den Spitälern, sagt Günthard. Erschwert wird die Situation zudem, weil Coronaviren, aber auch andere respiratorische Viren stark kursieren. «Das Gemisch von Influenza-, Corona-, Adeno- und Rhinoviren wird zu einer grösseren Krankheitslast führen, wenn wir uns in kälteren Tagen nun wieder in die Innenräume zurückziehen», sagt Günthard.
Zu schaffen mache bei grösserer Krankheitslast der schweizweite Mangel an Fachpersonal, insbesondere in der spezialisierten Pflege, erklärt Domenica Flury. «Wenn zusätzlich viele Mitarbeitende gleichzeitig krankheitsbedingt ausfallen – sei es wegen Grippe, Covid oder wegen einer anderen Erkrankung –, dann stellt das immer eine zusätzliche Herausforderung dar.» Vom Fachpersonal hänge ab, wie viele Betten zur Verfügung gestellt werden können.
Das sieht auch die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin so. Zusammen mit dem Ärztinnen- und Ärzteverband FMH und der Spitalorganisation H+ geht sie davon aus, dass die zunehmende Anzahl an Hospitalisierungen bei gleichzeitigem Personalmangel in den Wintermonaten die Gesundheitsversorgung in einem kritischen Ausmass belasten wird.
Speziell vorbereiten auf die Grippewelle werden sich die beiden Spitäler nicht, beide haben da genug Erfahrungen.
Weniger Sorgen macht sich Günthard wegen der Flurona, eine Wortkombination aus dem englischen Begriff für Grippe, Flu, und Corona. Gemeint ist damit die gleichzeitige Doppelinfektion von Corona und Influenza. Studien zeigen, dass der zweite Erreger in seinem Wirken geschwächt wird, wenn schon der erste Erreger eine Zelle attackiert und dadurch Gegenmassnahmen des Immunsystems eingeleitet werden. Wegen des Interferons in den Zellen, hervorgerufen durch den ersten Erreger, könne der zweite Erreger, egal ob Sars-CoV-2 oder Influenza, abgewiesen oder sogar zerstört werden, erklärt der Infektiologe. Günthard hält solche Fluronafälle dementsprechend für sehr selten.
Um einen wirklich schädlichen Effekt bei einer Doppelinfektion zu haben, müssten die Infektionen praktisch zeitgleich stattfinden, bevor eine Abwehr der Zellen gestartet wird. Eine wohl seltene Konstellation. Auch im australischen Grippesommer sei nicht von solchen Doppeleffekten berichtet worden.
In der Theorie ist der Doppeleffekt nicht ungefährlich: Es gebe Studien aus dem Labor, die zeigten, dass ein Doppeleffekt neue Viruspartikel kreiere. In der Hülle der Zellen entwickelten sich dann Komponenten von Corona- und Grippeviren. Und im Labor habe es dann Hinweise gegeben, dass solche «gemischten» Virushüllen das Potenzial haben könnten, eine breitere Auswahl von Zellen befallen zu können. «Von klinischer Relevanz sind wir da aber noch weit weg», sagt der Zürcher Infektiologe. Ein Problem wegen solcher seltener Doppeleffekte für die Bevölkerung erwartet er nicht.
Die Grippewelle wird kommen und Günthard hält deshalb vier Massnahmen für entscheidend. Erstens die Grippeimpfung an die von der Impfkommission Ekif dafür vorgesehen Personen. Zweitens die zweite Covid-Auffrischimpfung. Mit welchem Impfstoff sei nicht entscheidend. Es lohne sich nicht, auf den adaptierten BA.5-Impfstoff zu warten.
Drittens sollten sich Risikopersonen bei Grippe- und Coronasymptomen testen lassen, damit sie im schlechten Fall so schnell wie möglich das Covid-Medikament Paxlovid oder Alternativen erhalten. Viertens sollten sich jene weiterhin schützen, die zu einer Risikogruppe gehören. Zum Beispiel im Flugzeug eine Maske tragen oder überall dort, wo man den Abstand nicht einhalten könne. «Ich mache das auch, obwohl ich keine Angst für mich habe, da ich geboostert und keine Hochrisikoperson bin», sagt Günthard. Damit will er die Virenwelle, ob durch Corona oder Grippe, nicht vergrössern und auch im Job nicht ausfallen.
Im Moment ist die Grippeviren-Aktivität in der Schweiz noch gering. Etwas aktiver sind die Influenzaviren in Deutschland und Schottland. Seit Mitte Oktober läuft die Grippeimpfkampagne. Diese zielt auf über 65-Jährige, Risikopersonen und das Gesundheitspersonal. Am Universitätsspital Zürich und dem Kantonsspital St.Gallen wird dem Personal die Grippeimpfung kostenlos angeboten. Für die Allgemeinbevölkerung sind die Hausärzte für die Grippeimpfung zuständig. Eine Aussage zur Nachfrage kann aufgrund der Kürze der Kampagne noch nicht gemacht werden.
Der Arzt darf auch anstatt 20k im Moned 15k verdienen. Deswegen hat er nicht weniger Essen auf dem Tisch. Die 5 Pflegekärfte sind aber um die je 1k mehr im Monat wesentlich erfreuter.