Wir erinnern uns: Vor ziemlich genau einer Woche preschte die Junge GLP mit dem Vorschlag vor, anstatt einer richtigen Impfpflicht, eine Art «Impfpflicht light» einzuführen. Ihre Idee kennt man bereits in Ländern wie Portugal oder Spanien: Der Staat verschickt allen Bürgerinnen und Bürgern einen Brief, in dem er sie zu einem Impftermin einlädt. So soll einerseits die «Impf-Faulheit» bekämpft werden, andererseits sollen sich Ungeimpfte mit ihren Ängsten und Befürchtungen einer Fachperson stellen können.
Die Idee drehte in dieser Woche weitere Runden und kam auch beim Aargauer Nationalrat und SP-Co-Präsident Cédric Wermuth an. Er schlug im Rahmen der aktuellen Covid-19-Gesetzesänderung vor, genau diesen Mechanismus einzuführen. Sein Vorschlag wurde vom «Blick» aufgenommen und boulevardesk mit «SP-Wermuth will Ungeimpfte aufbieten» verbreitet. Aus dem Vorstoss wurde aber nichts: Am Donnerstagmorgen zog Wermuth den Antrag zurück.
Was ist da geschehen und wieso ist es trotzdem eine gute Nachricht aus Sicht von Wermuth und der Jungen GLP?
Schauen wir an, was der SP-Co-Präsident genau wollte: Sein Antrag forderte die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, mit der Kantone und Bund die Impfdaten von «noch nicht geimpften Personen zwecks Information und Einladung zur Impfberatung» verwenden dürfen. Wermuth strickte den Antrag weiter und wollte gar die Krankenkassendaten anzapfen – jedoch nur, soweit der Eidgenössische Datenschützer seinen Segen dazu gibt.
Die Idee klang gut, doch Wermuth merkte nach Rücksprache mit Bersets Mitarbeitenden, dass der «technische und administrative Aufwand dafür zu gross» sei. Berset fand das gut, er musste aber auf Wermuths Votum eine zentrale Frage beantworten:
Die Antwort des Bundesrates lieferte dann Wermuth und der Jungen GLP den Grund zur Hoffnung: «Trotzdem scheint es uns eine gute Idee zu sein. Was ich machen kann, um vorwärts zu kommen, wäre, noch einmal bei den Kantonen zu intervenieren, damit sie mal schauen, was sie im Rahmen der existierenden Gesetze noch machen könnten.»
Eine gute Idee also, die noch vor Monaten im Gesamtbundesrat verworfen wurde und auch vor gut einer Woche chancenlos erschien. Berset wiederholte damals auf Anfrage von watson die Datenschutzbedenken. Offen bleibt nun aber, was Berset mit seiner Ankündigung, die Sache nochmals anschauen zu wollen, machen wird.
Die Kantone scheinen nicht wirklich dagegen zu sein. Zumindest gibt es dazu bislang keine kategorische «Nein»-Position bei der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Ihr Sprecher Tobias Bär sagt dazu knapp: «Es gibt dazu keine konsolidierte Haltung der Kantone. Und es gibt weiterhin datenschutzrechtliche Bedenken.»
Auch aus einzelnen Kantonen war dazu bislang keine Ablehnung zu hören. Im Gegenteil: Der Kanton Solothurn fiel in den Sommermonaten auf, als in einzelnen Gemeinden Impfeinladungen verschickt wurden: «Bitte lassen Sie sich gegen Covid-19 impfen», hiess es etwa in der Betreffzeile. Damit habe man gute Erfahrungen machen können, berichtete später der Berner «Bund».
Wer diese gesetzliche Grundlage schafft, ist im Prinzip irrelevant, da die Impfdaten heute bei den Kantonen liegen. Dieser Datensatz wurde während den vergangenen Monaten aufgebaut, um Impftermine zu organisieren und sicherzustellen, wer wann die erste, zweite oder die Auffrischimpfung erhielt. Gespeichert werden die Daten in unterschiedlichen Systemen, die in den Kantonen zur Anwendung kommen. So wird in Zürich etwa «VacMe», in Luzern die Lösung von «OneDoc» verwendet. Diese Daten durften zur Durchführung der Impfung verwendet werden, nicht aber, um abzugleichen, wer ungeimpft ist.
Sprich: Die Kantone könnten diese gesetzliche Grundlage selbst schaffen oder sich dies vom Bund geben lassen. Für die Zürcher Datenschutzbeauftragte Dominika Blonski wäre eine Regelung im Covid-Gesetz am saubersten, da dieses bei Pandemie-Ende ausser Kraft gesetzt werde. Wichtig sei vor allem, dass klar ist, wofür die Daten verwendet werden dürfen: «Ein Gesetz darf gerade bei sensiblen Daten keinen Spielraum erlauben: Es muss klar sein, wofür genau die Daten verwendet werden.»
Das stört aber den Co-Präsidenten der Jungen GLP, Tobias Vögeli, nicht. «Wichtig ist aus unserer Sicht, dass dieser Vorschlag seriös diskutiert wird. Für uns ist ein obligatorischer Impftermin immer noch die bessere Lösung als ein Lockdown oder die Impfpflicht.» Er verspricht aber, dem Bundesrat und den Kantonen auf die Finger schauen zu wollen: «Falls nun nach dem Rückzug des Antrags nichts passiert, werden wir selbst aktiv werden.»
Und Wermuth? Auf Anfrage zeigt er sich nach wie vor überzeugt von der Idee. Auch er kündigt an, mit dem Bundesrat und der GDK den Vorschlag weiterdenken zu wollen. Dabei sei er offen für eine pragmatische Lösung: «Eine Möglichkeit wäre, dass in Kantonen mit tiefer Impfquote einfach alle Bürgerinnen und Bürger angeschrieben werden.» Einen erheblichen zeitlichen Druck sieht er nicht: Die Pandemie werde uns wohl noch länger beschäftigen. «Wir müssen das daher langfristig lösen. Und da ist es besonders wichtig, mehr in die Vertrauensbildung zu investieren. Sonst schaudert mich die Vorstellung einer nächsten Pandemie.»
Okeeey.....