Niemand ist gegen die Artenvielfalt in der Schweiz. Doch die Lösungsansätze, wie das Artensterben am wirksamsten gestoppt wird, sind unterschiedlich.
Die Umweltverbände und Linke wollen diesen Weg beschreiten mit der Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» – der Biodiversitäts-Initiative, über die am 22. September an der Urne entschieden wird. Doch Bundesrat, Parlament und die bürgerlichen Parteien halten dagegen.
In der Abstimmungs-«Arena» von SRF haben beide Seiten nochmals ihre Argumente hervorgebracht. Debattiert haben:
Biodiversität. Tönt super. Wer hat schon etwas gegen die biologische Vielfalt, eine Schweiz mit dem ganzen Spektrum an Lebensräumen, Ökosystemen und einer blühenden Artenvielfalt?
Biodiversitäts-Initiative. Tönt für viele nicht mehr so super. Besonders für den Teil der Landwirtschaft, welcher durch den Schweizer Bauernverband vertreten wird. Deren Präsident, Markus Ritter, Mitte-Nationalrat und Landwirt im Kanton St.Gallen, bekämpft die Initiative in der «Arena» vehement.
Er befürchtet, dass bei einer Annahme 30 Prozent der Fläche in der Schweiz für die Biodiversität «wegfallen» würde. Viel Land, das danach für die Lebensmittelproduktion fehlen würde. «Tschüss Lebensmittelproduktion», lautet passend dazu der Slogan des Bauernverbandes gegen die Biodiversitäts-Initiative.
Obwohl im Initiativtext nichts von 30 Prozent oder irgendeiner Zahl steht, wie Ritter von Pro-Natura-Geschäftsleiter und Mitinitiant Urs Leugger erinnert wird, hält er an der Zahl fest: «Sobald die Initiative angenommen wird, werden sie 30 Prozent fordern. Wie sie es international auch vorhaben.»
Ritter spielt damit auf das von der Weltnaturkonferenz definierte Ziel an, bis 2030 weltweit 30 Prozent der Flächen für die Biodiversität sichern zu wollen. Der Bauernpräsident ist überzeugt: Sollte es so weit kommen, «würde es massive Einschränkungen bringen».
Doch nicht alle Bauern sind derselben Meinung. In der Landwirtschaft tut sich bei der Biodiversitäts-Initiative ein Graben auf. Regina Fuhrer, Berner Grossrätin und Bio-Bäuerin, setzt sich für die Biodiversitäts-Initiative ein, weil sie die «Lebensgrundlage der Bauern erhalte». Das gehe nur mit einer «grossen Artenvielfalt». Es gehe jedoch nicht darum, Flächen aus der Produktion zu nehmen.
Sie sagt: «‹Tschüss Lebensmittelproduktion› haben wir dann, wenn die Artenvielfalt und die Biodiversität sterben.» Markus Ritter hält dagegen, dass in der Schweiz bereits über 19 Prozent der Agrarflächen Biodiversitätsflächen seien. Gesetzlich vorgeschrieben sind 7 Prozent. «Die Landwirtschaft hat für die Nachhaltigkeit bereits unheimlich viel getan», sagt er.
Auch Regina Fuhrer anerkennt diese Leistung, doch sie sagt: «Viele Bauern und Bäuerinnen haben viel getan für die Biodiversität, aber es reicht nicht.» Es herrsche eine «Biodiversitätskrise». Wenn diese weitergehe, könne man keine Lebensmittel mehr produzieren.
Die Biodiversitäts-Initiative sorgt nicht nur in der Landwirtschaft für geteilte Meinungen, sondern auch, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Gegner befürchten, dass bei einer Annahme der Ausbau beeinträchtigt wird, weil dadurch zusätzliche Flächen für die Biodiversität geschützt werden sollen und es zu längeren Bewilligungsverfahren kommt.
«Noch mehr Einsprache-Möglichkeiten für Naturschutzverbände?», fragt «Arena»-Moderator Sandro Brotz Pro-Natura-Geschäftsleiter Urs Leugger. Dieser winkt ab. «Wir torpedieren nicht die erneuerbaren Energien.» Sollten jedoch erneuerbare Energieanlagen an Orten geplant werden, «an denen die Biodiversität wertvoll» sei, würden sie das nicht unterstützen. «Pro Natura setzt sich dort für die Natur ein, wo gesetzliche Grundlagen nicht eingehalten werden», sagt Leugger.
Bundesrat und Energieminister Albert Rösti wundert sich. «Habe ich mich verhört?», fragt er Leugger und fügt an: «Sie wollen keinen stärkeren Schutz? Das ist sicher nicht Ihr Wille.» Die Initiative sehe klar einen stärkeren Schutz vor (und dadurch mehr Hürden für erneuerbare Anlagen, Anm. d. Red.).
Leugger gibt gegenüber Rösti offen zu, dass es für die Biodiversität mehr qualitativ wertvolle Flächen brauche, das sei wissenschaftlich erwiesen. «Für die Naturschutzorganisationen ist der Ausstieg aus den fossilen Energien absolut zentral. Da stehen wir dazu und das verhindert die Biodiversitäts-Initiative auch nicht», sagt Leugger.
«Dazu stehen sollte man auch, was man wirklich will», übernimmt Jacqueline de Quattro, Waadtländer FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin des Dachverbands für erneuerbare Energien Aeesuisse, das Wort.
«Naturschutzorganisationen sagen, es ist eine Biodiversitäts-Initiative. Doch das kommt erst an dritter Stelle. Vordergründig geht es darum, den Denkmalschutz zu verstärken und Ortsbilder zu zementieren», sagt de Quattro.
Sie zeichnet ein dunkles Bild, sollte die Initiative angenommen werden. «Ist die Biodiversität in der Verfassung verankert, gibt es keine Interessenabwägungen mehr. Das würde den Stopp der Energiewende bedeuten – obwohl das Volk an der Urne dazu klar Ja gesagt hat», sagt die ehemalige Umwelt- und Energievorsteherin des Kantons Waadt.
Beat Flach, GLP-Nationalrat aus dem Kanton Aargau, möchte de Quattro in einem Punkt recht geben: «Das Stimmvolk hat gesagt, dass es den Ausbau der Erneuerbaren will. Aber es hat nicht gesagt, dass es das auf Kosten der Biodiversität oder des kulturellen Erbes möchte.»
Wenn ich bei uns in Solothurn die ganzen Kiesparks und zugepflasterten Orte sehe, wird mir anders.
Würde auch im Sommer helfen, dass sich nicht die ganze Stadt so aufheizt.
Erst mal sollte die Landwirtschaft die Vorgaben (Verringerung Pestizide, wann Gülle ausbringen usw.) des Bundes einhalten dann könnten wie wieder über "unheimlich viel getan" reden Hr. Ritter.