Schweiz
Abstimmungen 2024

SRF-Arena zur Biodiversitätsinitiative: «Was Bauern tun, reicht nicht»

Arena zur Biodiversitätsinitiative
Abstimmungs-«Arena» von SRF zur Biodiversitäts-Initiative, die am 22. September an die Urne kommt.Bild: screenshot srf/arena

«Habe ich mich verhört?» In der SRF-«Arena» traut Rösti seinen eigenen Ohren nicht

Die Biodiversitäts-Initiative spaltet die Landwirtschaft. Aber auch bei den Auswirkungen auf die erneuerbaren Energien sind sich die Gäste der Abstimmungs-«Arena» uneinig.
31.08.2024, 02:2831.08.2024, 12:57
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Niemand ist gegen die Artenvielfalt in der Schweiz. Doch die Lösungsansätze, wie das Artensterben am wirksamsten gestoppt wird, sind unterschiedlich.

Die Umweltverbände und Linke wollen diesen Weg beschreiten mit der Volksinitiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft» – der Biodiversitäts-Initiative, über die am 22. September an der Urne entschieden wird. Doch Bundesrat, Parlament und die bürgerlichen Parteien halten dagegen.

In der Abstimmungs-«Arena» von SRF haben beide Seiten nochmals ihre Argumente hervorgebracht. Debattiert haben:

  • Urs Leugger, Geschäftsleiter Pro Natura
  • Beat Flach, GLP-Nationalrat, Aargau
  • Regina Fuhrer, Grossrätin SP Kanton Bern, Bio-Bäuerin
  • Albert Rösti, SVP-Bundesrat, Vorsteher UVEK
  • Jacqueline de Quattro, FDP-Nationalrätin, Waadt
  • Markus Ritter, Mitte-Nationalrat, St.Gallen, Bauernpräsident

Der Graben der Landwirtschaft

Biodiversität. Tönt super. Wer hat schon etwas gegen die biologische Vielfalt, eine Schweiz mit dem ganzen Spektrum an Lebensräumen, Ökosystemen und einer blühenden Artenvielfalt?

«Sobald die Initiative angenommen wird, werden sie 30 Prozent fordern.»
Markus Ritter

Biodiversitäts-Initiative. Tönt für viele nicht mehr so super. Besonders für den Teil der Landwirtschaft, welcher durch den Schweizer Bauernverband vertreten wird. Deren Präsident, Markus Ritter, Mitte-Nationalrat und Landwirt im Kanton St.Gallen, bekämpft die Initiative in der «Arena» vehement.

Er befürchtet, dass bei einer Annahme 30 Prozent der Fläche in der Schweiz für die Biodiversität «wegfallen» würde. Viel Land, das danach für die Lebensmittelproduktion fehlen würde. «Tschüss Lebensmittelproduktion», lautet passend dazu der Slogan des Bauernverbandes gegen die Biodiversitäts-Initiative.

Obwohl im Initiativtext nichts von 30 Prozent oder irgendeiner Zahl steht, wie Ritter von Pro-Natura-Geschäftsleiter und Mitinitiant Urs Leugger erinnert wird, hält er an der Zahl fest: «Sobald die Initiative angenommen wird, werden sie 30 Prozent fordern. Wie sie es international auch vorhaben.»

Ritter spielt damit auf das von der Weltnaturkonferenz definierte Ziel an, bis 2030 weltweit 30 Prozent der Flächen für die Biodiversität sichern zu wollen. Der Bauernpräsident ist überzeugt: Sollte es so weit kommen, «würde es massive Einschränkungen bringen».

Doch nicht alle Bauern sind derselben Meinung. In der Landwirtschaft tut sich bei der Biodiversitäts-Initiative ein Graben auf. Regina Fuhrer, Berner Grossrätin und Bio-Bäuerin, setzt sich für die Biodiversitäts-Initiative ein, weil sie die «Lebensgrundlage der Bauern erhalte». Das gehe nur mit einer «grossen Artenvielfalt». Es gehe jedoch nicht darum, Flächen aus der Produktion zu nehmen.

Sie sagt: «‹Tschüss Lebensmittelproduktion› haben wir dann, wenn die Artenvielfalt und die Biodiversität sterben.» Markus Ritter hält dagegen, dass in der Schweiz bereits über 19 Prozent der Agrarflächen Biodiversitätsflächen seien. Gesetzlich vorgeschrieben sind 7 Prozent. «Die Landwirtschaft hat für die Nachhaltigkeit bereits unheimlich viel getan», sagt er.

Werden sich nicht einig: Landwirt Markus Ritter und Bio-Bäuerin Regina Fuhrer.Video: srf/arena

Auch Regina Fuhrer anerkennt diese Leistung, doch sie sagt: «Viele Bauern und Bäuerinnen haben viel getan für die Biodiversität, aber es reicht nicht.» Es herrsche eine «Biodiversitätskrise». Wenn diese weitergehe, könne man keine Lebensmittel mehr produzieren.

Das Ende der Erneuerbaren?

Die Biodiversitäts-Initiative sorgt nicht nur in der Landwirtschaft für geteilte Meinungen, sondern auch, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Gegner befürchten, dass bei einer Annahme der Ausbau beeinträchtigt wird, weil dadurch zusätzliche Flächen für die Biodiversität geschützt werden sollen und es zu längeren Bewilligungsverfahren kommt.

«Für Naturschutzorganisationen ist der Ausstieg aus der fossilen Energie zentral.»
Urs Leugger

«Noch mehr Einsprache-Möglichkeiten für Naturschutzverbände?», fragt «Arena»-Moderator Sandro Brotz Pro-Natura-Geschäftsleiter Urs Leugger. Dieser winkt ab. «Wir torpedieren nicht die erneuerbaren Energien.» Sollten jedoch erneuerbare Energieanlagen an Orten geplant werden, «an denen die Biodiversität wertvoll» sei, würden sie das nicht unterstützen. «Pro Natura setzt sich dort für die Natur ein, wo gesetzliche Grundlagen nicht eingehalten werden», sagt Leugger.

Bundesrat und Energieminister Albert Rösti wundert sich. «Habe ich mich verhört?», fragt er Leugger und fügt an: «Sie wollen keinen stärkeren Schutz? Das ist sicher nicht Ihr Wille.» Die Initiative sehe klar einen stärkeren Schutz vor (und dadurch mehr Hürden für erneuerbare Anlagen, Anm. d. Red.).

Leugger gibt gegenüber Rösti offen zu, dass es für die Biodiversität mehr qualitativ wertvolle Flächen brauche, das sei wissenschaftlich erwiesen. «Für die Naturschutzorganisationen ist der Ausstieg aus den fossilen Energien absolut zentral. Da stehen wir dazu und das verhindert die Biodiversitäts-Initiative auch nicht», sagt Leugger.

«Die Initiative sieht einen stärkeren Schutz vor»: Bundesrat Albert Rösti.Video: srf/arena

«Dazu stehen sollte man auch, was man wirklich will», übernimmt Jacqueline de Quattro, Waadtländer FDP-Nationalrätin und Vizepräsidentin des Dachverbands für erneuerbare Energien Aeesuisse, das Wort.

«Naturschutzorganisationen sagen, es ist eine Biodiversitäts-Initiative. Doch das kommt erst an dritter Stelle. Vordergründig geht es darum, den Denkmalschutz zu verstärken und Ortsbilder zu zementieren», sagt de Quattro.

«Das Ende der Energiewende»: Jacqueline de Quattro. Video: srf/arena

Sie zeichnet ein dunkles Bild, sollte die Initiative angenommen werden. «Ist die Biodiversität in der Verfassung verankert, gibt es keine Interessenabwägungen mehr. Das würde den Stopp der Energiewende bedeuten – obwohl das Volk an der Urne dazu klar Ja gesagt hat», sagt die ehemalige Umwelt- und Energievorsteherin des Kantons Waadt.

Beat Flach, GLP-Nationalrat aus dem Kanton Aargau, möchte de Quattro in einem Punkt recht geben: «Das Stimmvolk hat gesagt, dass es den Ausbau der Erneuerbaren will. Aber es hat nicht gesagt, dass es das auf Kosten der Biodiversität oder des kulturellen Erbes möchte.»

«Nicht auf Kosten der Biodiversität»: Beat Flach. Video: srf/arena
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381 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Trafalgar
31.08.2024 06:37registriert August 2014
Ich finde man müsste auch in den Städten mehr für Biodiversität tun. Es ist einfach, immer bei anderen mehr einzuforden. Wenn man aber selbst was machen könnte, ist der Aufwand dann zu gross.
Wenn ich bei uns in Solothurn die ganzen Kiesparks und zugepflasterten Orte sehe, wird mir anders.
Würde auch im Sommer helfen, dass sich nicht die ganze Stadt so aufheizt.
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Kukei
31.08.2024 03:23registriert Dezember 2019
«Die Landwirtschaft hat für die Nachhaltigkeit bereits unheimlich viel getan», sagt er. Dem ist nicht so!
Erst mal sollte die Landwirtschaft die Vorgaben (Verringerung Pestizide, wann Gülle ausbringen usw.) des Bundes einhalten dann könnten wie wieder über "unheimlich viel getan" reden Hr. Ritter.
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Yusuf Aebi
31.08.2024 07:06registriert August 2024
Ja, die Lebensmittelproduktion muss zwingend diskutiert werden! Solange weite Flächen für den Anbau von Futtermitteln verwendet werden, besteht keine reale Gefahr der Nahrungsmittelknappheit. Um 1Kg Rindfleisch zu erzeugen, muss das Tier mit 30kg Futter gemästet werden. Für die Erzeugung eines Kilogramms Rindfleisch werden 15'000 Liter Wasser verbraucht! Hier geht es den Bauern weniger um Nahrungssicherung als um Gewinnmaximierung. Fleisch ist aus ökologischer Perspektive hochgradig ineffizient!
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