Wenn jemand eine Reise tut, kann er was erzählen. Aber soll sie oder er das auch, wenn die Bevölkerung zu Hause mit einer Pandemie zu kämpfen hat? Wenn das Volk dazu aufgerufen ist, aufs Reisen zu verzichten? Wenn zahlreiche Leute um ihre Stelle bangen oder sie schon verloren haben?
Die Schweizer Tennisspielerin Belinda Bencic findet offenbar: Ja, man darf. Die 23-Jährige hat in den vergangenen Tagen viele Schnappschüsse von ihren Luxusferien auf den Malediven auf Instagram publiziert. Mit einem Frühstücksfloss in Herzform im Pool, in der Hängematte, beim Posieren am Strand. So liess sie ihre 317'000 Follower an ihren Ferien teilhaben.
Baldassare Scolari, Lehrbeauftragter für Medienethik an der Fachhochschule Graubünden, kritisiert: «Wenn eine prominente Person solche Luxus-Ferienfotos auf sozialen Medien publiziert, zeugt es von mangelndem Bewusstsein der eigenen Rolle.» Denn als bekannte Person habe man eine andere Verantwortung für sein Handeln. Der Einfluss sei grösser. «Angesichts der grassierenden Pandemie ist die Reise auf die Malediven an sich fragwürdig», sagt Scolari. Besonders problematisch sei die Selbstinszenierung im Luxus.
Hinzu komme, so Scolari, dass sich viele Menschen wegen der Covidkrise Sorgen um ihre Existenz machten. «Insofern ist das Zurschaustellen der eigenen finanziellen Möglichkeiten insbesondere in Krisenzeiten aus ethischer Perspektive fragwürdig und zeugt von einem Mangel an Empathie.»
Neutral sieht es Michael Braunschweig vom Institut für Sozialethik an der Uni Zürich. Er findet die Publikation von Bencic’s Ferienbildern vertretbar. «Es kommt niemand zu Schaden, niemandes Würde wird gemindert.» Man könne aus ethischer Sicht aber durchaus fragen, was für eine Haltung in einem solchen Verhalten zum Ausdruck komme. «Auf diese Frage werden die Meinungen wohl geteilt sein», so der Ethik-Experte.
Braunschweig skizziert zwei extreme Ansichten. Auf der einen Seite könne man sagen, dies sei Ausdruck einer asozialen Haltung. Andererseits könnte man sagen, Bencic habe sich schon vor der Pandemie teure Ferien leisten können. Insofern verhalte sie sich auch jetzt nur gemäss ihren Möglichkeiten. Der Oberassistent des Instituts für Sozialethik sagt: «Es würde für niemanden etwas ändern, wenn sie in ihrer Stube hocken würde, statt das Leben auf den Malediven zu geniessen. Sie lasse ihre Fans einfach an ihrem Glück teilhaben.»
In die Kritik geriet nebst Bencic der Westschweizer Medieninvestor Christophe Rasch, dessen TV-Sender CNN Money Switzerland kürzlich in Konkurs ging. Noch im Sommer, als sich die Finanzprobleme bereits abzeichneten, posteten er und seine Partnerin munter Bilder von ihren Ferien – und stiessen das inzwischen entlassene Personal vor den Kopf.
Für einen Shitstorm sorgte zuletzt Reality-TV-Star Kim Kardashian. Die Amerikanerin lud Freunde und Familie auf eine ausländische Privatinsel ein, um Geburtstag zu feiern. Die Partyfotos auf Instagram kamen schlecht an.
Die Multimillionärin und ihre «Elite-Freunde» wurden als egoistisch bezeichnet. Die Promis müssten sich nicht an das Social Distancing halten, hiess es, und User schilderten ihre finanziellen Sorgen im Zuge der Pandemie. Die Promi-Queen verteidigte den Trip: «Wir konnten für einen kurzen Moment so tun, als wäre alles normal.» Aber sie habe erkannt, «dass das etwas ist, was für die meisten Menschen gerade sehr unrealistisch ist. In solchen Momenten werde ich demütig daran erinnert, wie privilegiert mein Leben ist».
Belinda Bencic wollte auf Anfrage keine Stellung zur Kritik nehmen.